E-Book, Deutsch, Band 31, 320 Seiten
Abaelard / Eibisch Abaelard und Heloise - Briefwechsel und Leidensgeschichte
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7583-4814-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 31, 320 Seiten
Reihe: Schätze der christlichen Literatur
ISBN: 978-3-7583-4814-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die tragische Liebesgeschichte zwischen dem berühmten Theologen Peter Abaelard und der jungen Adligen Heloise hat seit dem 12. Jahrhundert viele Generationen berührt. Ihr beider Glück ist ihnen durch Mißgunst verwehrt. Später, ins klösterliche Leben zurückgezogen, beginnen sie einen Briefwechsel, der heute Weltliteratur gehört: Leidenschaftlich, und doch Trost im Glauben findent, verbindet sie ihr unauslöschbares, seelisches Band, bis zu ihrem Tode.
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Einleitung.
DIE Übersetzung dieser Briefe ist entstanden in einer Zeit, da körperliches Leiden mir ein selbständiges wissenschaftliches Arbeiten unmöglich machte. Ich las und übersetzte anfangs zu meiner eigenen Unterhaltung und Übung; doch je mächtiger diese Urkunden der Liebe und des geistigen Verkehrs zweier so hochherziger Menschen mich selber anzogen, desto lebhafter regte sich der Wunsch, auch anderen sie zugänglich zu machen. Unsere kirchengeschichtliche Literatur enthält so manchen edlen Schatz, der in staubiger Hülle vergessen in den Bibliotheken aufgespeichert steht – so manches Schriftdenkmal, das in seiner fremden Sprache nur zum Gelehrten redet, während es ans Licht gezogen und verständlich gemacht manchem ernstergerichteten Leser Genuß und Erbauung zu bieten vermöchte.
So sind auch die Briefe, die von Abaelard und Heloise auf uns gekommen sind, in Deutschland wenigstens, nur wenig bekannt, obwohl die beiden zu jenen Liebespaaren von weltgeschichtlichem Rufe gehören, deren Namen unauflöslich miteinander verbunden sind, wie Hero und Leander, Tristan und Isolde, Dante und Beatrice. Im Ausland dagegen und besonders in Frankreich schenkte man diesen Briefen frühzeitig Aufmerksamkeit, und namentlich die eigentlichen Liebesbriefe wurden mannigfach dichterisch bearbeitet und romanhaft ausgeschmückt – jedoch nicht zu ihrem Vorteil: man vergleiche die Bearbeitungen, die diesem Gegenstand durch einen Pope und Colardeau – bei uns durch eine formvollendete poetische Übersetzung Bürgers eingeführt – zuteil geworden sind, mit unserem Original, und man wird leicht gewahr werden, um wie viel edler und, bei aller Leidenschaftlichkeit, keuscher dieses letztere ist als jene pikanten Leistungen.
Eine sehr elegante, dabei meist textgemäße französische Übersetzung der Briefe gibt O. Gréard in seinem Buche: „Lettres complètes d’Abélard et d’Héloise, Paris, Garnier Frères.“ Der französischen Übersetzung ist der lateinische Text in der Rezension von Viktor Cousin beigegeben, die auch unserer Übersetzung zugrunde liegt.
Im Jahre 1844 ist eine deutsche Übersetzung des Briefwechsels erschienen von Moriz Carrière1, und dieses Werk würde meine Übersetzung überflüssig machen, wenn es überhaupt noch im Buchhandel zu haben wäre. Da es jedoch gänzlich vergriffen ist – ich selbst habe es nur nach langwierigen Bemühungen zu Gesicht bekommen – und eine neue Auflage nicht in Aussicht steht, so glaubte ich mich zu dieser neuen Veröffentlichung berechtigt. – Carrière schickt seiner Übersetzung eine ausführliche, ebenso gelehrte wie geistvolle Einleitung voraus, in der er mit dem Feuer einer edlen Begeisterung Abaelards philosophischen und theologischen Standpunkt darstellt. Diese Einleitung bildet nahezu ein Drittel des ganzen Buches, so daß eigentlich in ihr der geistige Schwerpunkt desselben zu sehen ist. Ich meinerseits beschränke mich in dieser kurzen Einleitung auf das, was dem Leser zum Verständnis der Briefe notwendig ist – zumal uns in den Briefen Abaelard doch mehr als Mensch, weniger als Gelehrter entgegentritt.
Die hier veröffentlichte Briefsammlung umfaßt im ganzen zwölf Briefe. Dabei ist als erster Brief mitgezählt das unter dem Namen der „Leidensgeschichte“ (historia calamitatum) bekannte Schriftstück, das in Form eines Briefes, der an einen unbekannten Freund Abaelards adressiert ist, das vielbewegte Leben des letzteren schildert bis zu dem Zeitpunkt, wo er in den großen Streit mit Bernhard von Clairvaux eintritt – also ein Stück Autobiographie, das die Einleitung zu dem folgenden Briefwechsel bildet.
Überhaupt wurde dieser Brief die Veranlassung zu der ganzen folgenden Korrespondenz: über ein Jahrzehnt war seit der Trennung der Liebenden vergangen, und allem Anschein nach hatte während dieser ganzen Zeit jeder Verkehr zwischen ihnen aufgehört. Da kam durch einen Zufall jener Brief Abaelards in die Hände Heloisens und weckte „der alten Wunde unnennbar schmerzliches Gefühl.“ Die Geschichte der Leiden des geliebten Mannes, zu denen er auch mit vollem Recht seine Liebe zählte, facht den Funken, der noch immer in ihrem Herzen glimmt, zur hellen Flamme an, und noch einmal durchlebt sie in der Erinnerung alle Freuden und alle Leiden einer hohen Liebe. Aus der Hochflut dieser neuerwachten Gefühle heraus sind die Briefe II und IV geschrieben: eine Beichte sondergleichen, ein Herzensaufschrei in den unmittelbarsten, leidenschaftlichsten, kühnsten Lauten, die je über Frauenlippen gekommen sind. Im Vergleich mit diesen Ergüssen hat man von jeher die Antwortschreiben Abaelards auffallend ruhig und kühl gefunden. In der Tat gleicht er in seinen Briefen (III und V) dem starren Felsenriff, das unbewegt und fühllos bleibt, mitten in den ewig wiederholten Umarmungsversuchen der Wogen. Man hat ihm aus dieser Kälte schwere moralische Vorwürfe gemacht, ja an sein Verhalten auch schon allgemeine philosophische Betrachtungen darüber angeknüpft, wie verschiedenartig die beiden Geschlechter lieben. So besonders Johannes Scherr in seiner geistreich-extremen Weise (Menschliche Tragikomödie, Bd. 2, „Heloise“). Die Art, wie Abaelard Heloisens hungriges Herz abzuspeisen sucht, wie er der Frau gegenüber, mit der er einst so wenig geistlich verfahren war, nun ganz die Sprache des Geistlichen, des orakelnden Heiligen und Propheten führt, macht im ersten Augenblick einen peinlichen, unangenehmen Eindruck, und hat sogar stellen-weise etwas Empörendes. Allein der Ton, den er anschlägt, ist keine angenommene Maske; was er an Heloise schreibt, sind nicht bloß fromme Phrasen, sondern es ist ihm bitterer Ernst; er ist wirklich bekehrt, er bereut und sieht von diesem Standpunkt aus sein und Heloisens äußeres Mißgeschick für eine gnädige Fügung Gottes zur Rettung ihrer Seelen an. Sodann ist allerdings das Gefühl, das in Heloisens Herz eben jetzt in neuen Flammen erwachte, in ihm gänzlich erstorben. Er macht daraus kein Hehl; er sucht die einst Geliebte darüber nicht hinwegzutäuschen. Seine Wahrhaftigkeit ist seine Entschuldigung. Wo aber eine Liebe erloschen ist, da wird niemand glühende Liebesbriefe erwarten.
Man wird solche aber auch nicht erwarten, wenn man die Verschiedenheit des Lebenswegs und der weiteren Geschicke der einst in Liebe Verbundenen in Betracht zieht. Heloise war einst wider ihren Willen und wider ihre Natur ins Kloster gegangen, nur aus Gehorsam gegen den geliebten Mann. Sie hatte damit ein Opfer gebracht, dem ihre Natur nicht gewachsen war. Ruhe hatte sie jedenfalls nicht gefunden hinter den Klostermauern. Zwar brachte sie es durch ihre geistige und sittliche Energie dahin, daß sie in den Ruf besonderer Heiligkeit kam, aber man lese ihre erschütternden Selbstanklagen im vierten Brief, um einen Einblick in dies ruhelose unbefriedigte Herz zu gewinnen. Aus solchem Gemütszustand heraus sind jene leidenschaftlichen Ergüsse begreiflich, denen gegenüber Abaelards Auslassungen und beichtväterliche Ermahnungen freilich kalt erscheinen. Ferner ist zu bedenken: mit dem Eintritt ins Kloster war Heloisens Leben eigentlich abgeschlossen; neue gewaltige Eindrücke, durch die die alten verwischt worden wären, erwarteten die Klosterfrau nicht mehr. Sie zehrte von einer kurzen Vergangenheit. Was sie aber mitbrachte von Erinnerungen an die Welt, von Lebenseindrücken, das alles war für sie beschlossen in dem Namen Abaelard. Dieser Name, ihr Ein und Alles, lebte in ihrem Herzen und mit ihm die Liebe, und so bedurfte es nur eines zündenden Funkens, um die zusammengesunkene Glut aufs neue zu entfachen. – Abaelard dagegen war aus dem friedlichen Port des Klosters, wohin auch er sich geflüchtet hatte, mehrmals wieder hinausgeschleudert worden auf die hochgehenden Wogen des Lebens und der Händel dieser Welt. Er hatte in seinem Beruf, der zwar große Aufregungen und gehässige Verfolgungen, aber auch glänzende Triumphe mit sich brachte, einen gewissen inneren Halt und Befriedigung gefunden. Jedenfalls aber war sein Leben so reich an erschütternden neuen Eindrücken und packenden Erlebnissen, daß jene eine Erinnerung an seine Liebe, jenes Erlebnis mit Heloise notwendig davor erblassen mußte. Er fühlt sich überhaupt zu der Zeit, da unsere Briefe geschrieben wurden, als ein gehetztes Wild, das von allen Seiten bedroht ist. Er bittet Heloise und ihre Nonnen um ihre besondere Fürsprache im Gebet; er ist ein wegmüder Mann, hat Todesgedanken und will im „Paraklet“, dem Kloster, das er Heloisen eingeräumt, begraben sein. Daß er in dieser Verfassung andere Briefe schrieb, als Heloise, wird man begreiflich finden. Will man ihm etwas anrechnen, so mag man ihm einen Vorwurf daraus machen, daß er einst das Opfer einer geheimen Ehe (wiewohl dies immer noch besser war als die damals unter Klerikern ganz gewöhnlichen wilden Ehen) – und das noch größere Opfer des Klostergelübdes von Heloise angenommen hat.
Nicht ohne Rührung liest man, wie Heloise nun im sechsten Brief die Stimme des Herzens, die bei Abaelard kein Echo zu wecken vermocht hatte, zu bezwingen sucht...