E-Book, Deutsch, 128 Seiten
ISBN: 978-3-7655-7539-6
Verlag: Brunnen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In „Lebe, lache, liebe ... und sag den Sorgen Gute Nacht!“ beschreibt Teresa Zukic, wie es gelingen kann, die Macht unguter Gedanken zu stoppen, damit die Seele – trotz aller Sorgen – wieder heiter und das Herz froh wird. Und es geht um das Licht Gottes, das unsere Tage hell machen will.
Autoren/Hrsg.
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2. Der ganze Kummer mit den Sorgen
Wenn Sorgen einem den Schlaf rauben
Mussten Sie im ersten Kapitel schmunzeln? Kommt Ihnen die eine oder andere Sorge bekannt vor? Eigentlich wollte ich mal so richtig übertreiben und das SichSorgen auf den Arm nehmen … und habe mich beim Aufzählen ertappt, wie ich mir über viele belanglose Dinge Sorgen mache und viel zu viele unnötige Gedanken. „Oh weia, werden die Leserinnen und Leser verstehen, warum ich im ersten Kapitel so keck war?“ Natürlich passieren Dinge, dass die Milch überläuft oder mich jemand beim Autofahren nicht einfädeln lässt. Tatsächlich gibt es Tage, an denen ich das Gefühl habe, alles kommt zusammen oder „die ganze Welt“ hat sich gegen mich verschworen. Wer kennt nicht solche Momente? Aber die Wahrheit ist: Wir grübeln zu viel über Dinge, die niemals eintreffen, oder machen uns Gedanken, die im Rückblick völlig sinnlos und unnötig waren. Wir machen uns einfach zu viele Sorgen. Stopp! Wir machen uns einfach zu viele unnötige Sorgen. Darum geht’s. Und das Problem ist, dass uns das viel zu selten bewusst ist. Zu schnell wird aus einer Fliege nicht nur ein Elefant, sondern gleich eine Elefantenherde. Neigen Sie auch dazu, sich zu viele unnötige Sorgen zu machen? Da sind Sie in guter Gesellschaft. Es ist ganz normal, sich Sorgen zu machen … und sie zu unterdrücken funktioniert in den meisten Fällen überhaupt nicht. Es gibt kaum einen sinnloseren Satz, den Sie jemandem sagen können als: „Hör doch auf, dir Sorgen zu machen!“. Wir erhöhen und verschlimmern sogar damit die Stimmungslage des anderen. Dieser Rat ist eine Illusion, von der wir uns getrost verabschieden können. So ein Satz bringt den anderen keinen Schritt weiter. Wenn ich besorgt bin, bin ich es. Und ganz ehrlich: Wer macht sich denn gerne Sorgen? Niemand tut das. Es kostet doch jede Menge Kraft und Lebensenergie. Wer träumt nicht von einem Sorgen-freien Leben? Einer Sorgen-freien Kindheit? Einem Sorgen-freien Arbeitsplatz? Einem Sorgen-freien Lebensabend? Ich glaube, Sorgen gehören einfach zu unserem Leben dazu. Frage ist, wie wir damit umgehen. Wovon ich überzeugt bin und was ich zeigen will: Kritisch wird es dann, wenn die Sorgen Macht über unser Denken und Fühlen gewinnen und uns seelisch lahmlegen. Wenn die Sorgen uns an unsere Grenzen bringen und uns übergroß erscheinen. Schnell geraten wir in die Sorgenfalle, wenn wir uns mit anderen vergleichen. Oft hat es dann den Anschein, dass unser Leben viel problembeladener und sorgenvoller wäre als das der anderen. Nach so vielen Lebensjahren in der Seelsorge weiß ich allerdings, dass hinter praktisch jeder Haustüre, hinter jedem Gesicht, in jeder Familie, mag sie noch so perfekt und erfolgreich erscheinen, Sorgen stecken. Dass sich oftmals sogar ungeahnte Abgründe auftun. „Unter jedem Dach ein ‚Ach!‘“ Wüssten wir mehr von den Belastungen und Sorgen anderer, würden wir keineswegs tauschen wollen. Jeder trägt ein anderes Kreuz. Sein Kreuz. Sich mit anderen vergleichen kann oft neidische Gefühle in uns auslösen, aber es kann uns auch dankbar und bescheiden machen. Vor wie vielen Sorgen, Ängsten, Katastrophen und schlimmen Ereignissen sind wir auch bewahrt worden? Nie vergesse ich eine Begebenheit aus meiner fast unbeschwerten Kindheit. Mein Vater war in Kroatien als Fußballspieler entdeckt worden, und so kamen wir nach Deutschland. Meine Eltern hatten uns Geschwister, nachdem wir gerade erst eingewandert waren, zum Kinderturnen angemeldet. Nach einigen Monaten im Kindergarten lernten wir rasch die deutsche Sprache. Um noch schneller Anschluss zu finden, war das Kinderturnen im hiesigen Sportverein eine schöne Gelegenheit; ich muss da sechs Jahre alt gewesen sein. Warum mein kleiner Bruder an einem Abend alleine zum Turnen gebracht wurde, weiß ich nicht mehr. Meine Mutter hatte ihn vor die Turnhalle gefahren und wollte ihn nach einer Stunde wieder abholen. Zum Abholen begleitete ich sie dann, und sie schickte mich in die Sporthalle, um nach meinem Bruder zu sehen. Ich konnte ihn nirgends entdecken. Als ich nachfragte, wo er wäre, hörte ich erstaunt, dass er heute gar nicht erschienen sei. Ich rannte die Treppe hinunter zu meiner Mutter … und nie werde ich den Schrecken in ihrem Gesichtsausdruck vergessen. Sie stieg aus dem Auto und rief nach meinem Bruder. Nichts. Lief in die Halle. Nichts. Wir suchten die Gegend um die Halle ab, wieder nichts. Wir fuhren den ganzen Weg im Schritttempo nach Hause. Er war nicht da. Wir fuhren wieder vor die Sporthalle. Inzwischen waren alle gegangen. Kein Licht brannte mehr. Es wurde dunkel. Mutter rief nach meinem Bruder. Kein Lebenszeichen. Niemand war da. Wo war er nur? Hier an der Treppe hatte meine Mutter ihn abgesetzt. Sie hatte gewartet, bis er die Treppen zum Eingang hinaufgestiegen war, bevor sie wegfuhr. Wieder riefen wir. Ich stand neben meiner Mutter und spürte, wie die Panik in mir hochstieg, während sie versuchte, besonnen zu bleiben. Immer war sie so stark oder wollte mir ihre Angst nicht zeigen. Doch ich fing an, aus Angst zu weinen. Was ist vor der Hallentür passiert? Wieso hatte ihn keiner gesehen? Wo war er hingegangen? Er fürchtete sich doch alleine. Immer war ich an seiner Seite. Immer hielt ich seine Hand. Als wir zum ersten Mal in einem fremden Land den Kindergarten betraten. Die Sprache nicht verstanden. Er wich keinen Meter von mir. Ich begleitete ihn auf die Toilette, führte ihn über die Straße. Auch wenn er mich manchmal zu Hause ärgerte und mir auf die Nerven ging, liebte ich ihn über alles. „Jetzt wehr dich doch“, sagte meine Mutter oft, wenn er es manchmal mit seinen Streichen übertrieb. Aber ich konnte es nicht. Er war mein kleiner Bruder. Ich hatte die Verantwortung für ihn, wenn die Eltern nicht da waren. Er war doch so klein. Noch einmal rief meine Mutter nach ihm. Dieses Mal klang ihr Ruf angespannter, und mir schoss durch den Kopf, vielleicht müssen wir zur Polizei, aber da hörten wir plötzlich unter der Treppe im Gebüsch ein Wimmern. Mein Brüderchen! Mein Gott, wir weinten alle drei. Wir weinten und lachten. In einem Moment war aller Kummer, waren alle Sorgen, alle Ohnmacht gewichen. Sofort erzählte der Kleine, dass er beim Betreten der Sporthalle bemerkt hatte, dass er das Heftchen vom Turnverein vergessen hatte, wo die Kinder immer einen Stempel bekamen, dass man anwesend war. Der war wichtig: Wenn man genügend Stempel beisammenhatte, konnte man eine Freikarte für das Freibad bekommen. Mein Bruder hatte einfach Angst, er könnte wegen des fehlenden Büchleins geschimpft werden. Er machte kehrt und versteckte sich unter der Treppe im Gebüsch. Wie lange muss eine Stunde für einen Fünfjährigen sein? Er war einfach eingeschlafen. Meine Güte, was hatten wir nur wegen des blöden Stempels für eine Angst ausgestanden! Minute für Minute wuchs die Sorge, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Auch wenn keiner es aussprach, die Angst beherrschte unser Denken und Fühlen. Wie schwer, dann klar zu denken. Damals gab es noch keine Handys. Wir konnten nicht schnell mal die Trainerin, den Hallenwart, Freunde oder die Polizei anrufen. Jede Mutter, die ihr Kind schon mal im Einkaufszentrum oder am Strand aus den Augen verloren hat, weiß um die unbändige Panik, von der man ergriffen wird, wenn sich die Situation nicht bald auflöst. Im Film „Sarahs Schlüssel“, den ich vor Kurzem sah, kamen bei mir alle diese ängstlichen Gefühle wieder hoch. Er erzählt die Geschichte der zehnjährigen Sarah, die in Paris im Juli 1942 mit ihren Eltern in der Nacht von der französischen Polizei zur Deportation abgeholt und mit Tausenden anderen Juden im Velodrom zusammengepfercht wird. Schnell schließt sie zu Hause ihren kleinen Bruder hinter einer Tapetentür ein, um ihn zu retten. Sie nimmt den Schlüssel mit, ohne zu ahnen, welche Katastrophe naht. Mit jeder Stunde, die vergeht, wächst die Panik in der kleinen Familie. Sie beschwören sogar die Polizisten, die sie festhalten, den Schlüssel zu nehmen, um ihren Bruder aus der Wohnung zu holen. Aber wer interessierte sich damals für einen kleinen Judenjungen in einem geheimen Schrank? Die Familie wurde auf die Ladefläche eines LKWs verfrachtet und die Eltern werden nach Auschwitz deportiert. Sarah, die mit ihrer Freundin Rachel entkommen kann, findet Aufnahme auf dem Land, bei einem alten Ehepaar, das sie wie eine Enkelin aufzieht. Mit der Hilfe der beiden kann Sarah, die den Schlüssel zum Wandschrank immer bei sich trägt, nach Paris in die elterliche Wohnung zurück, um ihren Bruder aus dem Versteck zu holen. Sarah macht die grausige Entdeckung, dass Michèl in seinem Versteck gestorben ist. Sie gibt sich die Schuld dafür und ist zeitlebens in tiefer Trauer gefangen. Fremde Menschen waren schon in die Wohnung eingezogen und wunderten sich über den schrecklichen Gestank. Eine Journalistin, die für einen Artikel die damalige Razzia und ihre furchtbaren Folgen recherchiert, stößt bei dieser Arbeit auf das Schicksal dieser jüdischen Familie, die aus der Wohnung vertrieben wurde, die...