E-Book, Deutsch, Band 6, 320 Seiten
Reihe: Neue Reihe Sachbuch
Reden außergewöhnlicher Frauen
E-Book, Deutsch, Band 6, 320 Seiten
Reihe: Neue Reihe Sachbuch
ISBN: 978-3-8438-0700-5
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
- **Lise Meitner**
- **Käte Strobel**
- **Dolores Ibárruri**
- **Herta Ilk**
- **Elisabeth Schwarzhaupt**
- **Astrid Lindgren**
- **Emma Caris**
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- **Lily Pringsheim**
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- **Margaret Rutherford**
- **Alice Seeley Harris**
- **Mary Muthony Nyanjiru**
- **Sarojini Naidu**
- **Carolyn Heilbrun**
- **Chantal Sébire**
- **Margarete Schütte-Lihotzky**
- **Gertrud Kurz**
- **Marion Donovan**
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- **Junko Tabei**
- **Evita Perón**
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- **Eleonore Noll-Hasenclever**
- **Inge Aicher-Scholl**
- **Hannah Arendt**
- **Marlene Dietrich**
- **Clärenore Stinnes-Söderström**
- **Leni Alexander**
- **Irene Koss**
- **Hildegard Knef**
- **Hannelore Kohl**
- **Veronica Carstens**
- **Mary Higgins Clark**
- **Bertha von Suttner**
- **Marie Curie**
- **Josephine Baker**
- **Elisabeth Langgässer**
- **Anna Seghers**
- **Ricarda Huch**
- **Helene Wessel**
- **Erika Mann**
- **Inge Meysel**
HELENE LANGE, FRAUENRECHTLERIN
* 9. April 1848, Oldenburg
† 13. Mai 1930, Berlin »Die selbständige Staatsbürgerin [ist] die Vertreterin des Mütterlichen in der Gesetzgebung« Die Frauenrechtlerin und Lehrerin Helene Lange hielt den im Folgenden auszugsweise abgedruckten Vortrag zum Thema »Das Staatsbürgertum der Frau« im März 1914 auf dem Parteitag der »Fortschrittlichen Volkspartei« in Hamburg. Bekannt war – und ist – Helene Lange eigentlich als Verfechterin der Frauen- und Mädchenbildung, doch lag ihr auch das Frauenwahlrecht am Herzen, für das sie sich schon in einem im August 1896 erschienenen Artikel in der international rezipierten Zeitschrift Cosmopolis ausgesprochen hatte. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde das Frauenwahlrecht zwar immer wieder von Einzelpersonen angemahnt, doch was fehlte, war eine feste Struktur, eine zentrale Organisation, die diese Forderung ebenso nachdrücklich wie eindrücklich vertrat. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, konkret am 1. Januar 1902, kam es, auf Initiative der Juristin und Frauenrechtlerin Anita Augspurg, zur Gründung des »Deutschen Vereins für das Frauenstimmrecht«, der sich 1904 in »Verband für das Frauenstimmrecht« umbenannte. Ausschlaggebend für die Vereinsgründung war eine Konferenz, die Anfang 1902 in Washington zum Thema Frauenstimmrecht durchgeführt werden sollte. Teilnehmen durften aber keine Einzelpersonen, sondern nur Mitglieder einer Frauenstimmrechtsorganisation. Wenn die deutschen Frauenstimmrechtlerinnen sich also an dieser Veranstaltung in den USA beteiligen wollten, mussten sie einen Verein gründen, was dann am 1. Januar 1902 auch geschah. Im selben Jahr machte außerdem der »Bund deutscher Frauenvereine«, der Dachverband der bürgerlichen Frauenbewegung, das Frauenstimmrecht zu einem seiner wichtigsten Themen. Zwei Jahre später, 1904, entstand dann der »Weltverband für das Frauenstimmrecht«. Fortan war die Forderung nach einem Frauenwahlrecht nicht mehr nur eine Sache von Einzelnen, sondern eingebunden in Vereine und Verbände, die sowohl national als auch international gehört wurden und entsprechenden Einfluss nahmen. Aufgrund des zunehmenden Drucks durch die Frauenrechtsbewegung sah sich das Deutsche Reich im Jahr 1908 genötigt, politische Betätigung von Frauen und damit verbunden ihren Beitritt in politische Vereinigungen zu gestatten. Doch bis den Frauen schließlich das aktive und passive Wahlrecht zugebilligt wurde, sollte noch ein ganzes Jahrzehnt ins Land gehen. Erst nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs Ende 1918 erklärte die nunmehrige, wenngleich provisorische Regierung, der »Rat der Volksbeauftragten«, am 12. November 1918, dass fortan alle Frauen, die das 20. Lebensjahr vollendet hatten, an »allen Wahlen zu öffentlichen Körperschaften« teilnehmen durften. Damit war das Frauenwahlrecht in Deutschland gesetzlich verankert. »Die Politisierung der berufstätigen Frau hat sich also aus ihrem Beruf heraus, als eine natürliche und selbstverständliche Erweiterung ihrer Berufsinteressen mit innerer Konsequenz vollzogen. Sofern sie Berufsmensch war, wirklich von innen heraus und mit ganzer Seele, war oder wurde sie auch ein Stück Staatsbürgerin. Aber die Politisierung der Hausfrau? Wie steht es damit? Kann sie nur auf dem einen Wege einer Teilnahme an den allgemeinen politischen Fragen politisch werden, nähert sie sich dem politischen Leben sozusagen nur von außen her, oder kann sie von innen heraus, als Hausfrau, in die Politik hineinwachsen? Kann sie nicht auch von ihrem Beruf aus die Brücken zum Staat schlagen? […] Die Hausfrau hat ihre eigene Welt politisch noch nicht entdeckt. Und daß sie das tut, wünschen wir nicht nur um ihretwillen, sondern mehr noch deshalb, damit ganz entscheidende Lebensinteressen der Gesamtheit stärker zu Worte kommen. […] Es ist begreiflich, daß bisher eine solche Politisierung der Hausfrau erst in ihren allerersten Anfängen vorhanden ist. Die einzelne ist ja dabei ganz auf ihre eigene[n] Kräfte gestellt. Keine Berufsorganisation übernimmt die politische Aufklärung. Jede ist in ihrem Heim für sich und sieht nur das Naheliegende. Wie interessant und fruchtbar könnten die so verpönten Hausfrauenveranstaltungen über Küche und Dienstboten, über Einkäufe und Handwerker sein, wenn es vernünftige, weitblickende, nachdenkliche, – politische Unterhaltungen über alle die Dinge wären. In einer konservativen Zeitung las ich einmal mit Vergnügen das Zugeständnis: ›Ohne das weibliche Geschlecht vom häuslichen Herde in die politische Arena zerren zu wollen, müssen wir doch sagen, dass den Führerinnen unserer Kinder eine gewisse politische Elementarbildung zu eigen sein muß, damit sie ihrer hehren mütterlichen Aufgabe genügen können.‹ Das ist ganz richtig. Nur […] daß man selbst die politische Elementarbildung nur am häuslichen Herd nicht lernen kann, sondern daß es eine mütterliche Aufgabe auch außerhalb des häuslichen Herdes gibt, die unsere Frauen zu lernen beginnen. Es gibt eine Politik der Mutter, so gut wie es eine Politik der Landwirtschaft oder der Industrie gibt. Und die muß gefunden werden, wenn das Frauenstimmrecht ein innerlich lebendiges Recht werden soll, ein Werkzeug der Selbständigkeit, nicht der bloßen mechanischen Parteigefolgschaft. Wie sieht diese Politik der Mutter aus? Die Staaten, in denen das Frauenstimmrecht schon eine Zeitlang eingeführt ist, zeigen es uns. […] [Dort sehen wir,] wofür sich die weiblichen Wähler einsetzen, was ihnen besonders am Herzen liegt. […] Die mütterliche Politik verlangt, daß der Staat der Familie hilft, ihre verschiedenen Aufgaben der Erziehung, der Gesundheitspflege, der Ernährung usw. usw. zu erfüllen. Die mütterliche Politik bekämpft alles, was diese Mühe und Sorge der Familie für alle diese Dinge hindert und hemmt und erschwert. Die weiblichen Volksvertreter und die politischen Frauen des Auslandes haben natürlich je nach Parteistellung sich für alles mit eingesetzt, was von allgemeinen politischen Zielen da war. Sie haben aber ein paar große Gebiete für ihr eigenes Feld gehalten, und das ist: Kinderschutz und Erziehung, Volksernährung, Mutterfürsorge. Die Frauen haben sich dafür eingesetzt, daß nicht die Industrie mit ihrer gewerblichen Kinderarbeit, der Alkohol- und Tabakshandel mit ihrer Versuchung, gefährliche Vergnügungen wie die Spielbanken, und die legalisierte männliche Genußsucht die Mühe der Mütter um Gesundheit und sittliche Kraft ihrer Kinder immer wieder vereiteln. Die amerikanischen Frauen haben für die Einschränkung der Kinderarbeit, für das Verbot der Abgabe von Alkohol und Tabak an Jugendliche, für die Schließung von Spielbanken und Spielhöllen, für die Erhöhung des Schulalters für Mädchen gearbeitet. […] Ferner ist die ärztliche Untersuchung von Schulkindern, die Einrichtung von Kindergärten, die Organisation von Fürsorgebestrebungen für die verlassene und verwahrloste Jugend unter lebhafter Beteiligung, zum Teil auf Initiative der Frauen eingeführt. […] Aber nicht nur direkt und unmittelbar setzt das Frauenstimmrecht das Mutter- und Hausfraueninteresse in politische Macht um, auch in einem unmittelbaren und weiteren Sinn ist die selbständige Staatsbürgerin die Vertreterin des Mütterlichen in der Gesetzgebung. Die Frauen sind die eigentlichen Vertreterinnen des sozialen Gedankens und aller Forderungen, die sich daraus ergeben.« Helene Lange
Helene Lange wurde 1848 in Oldenburg, Schleswig-Holstein, als Tochter des Kaufmanns Carl Theodor Lange und seiner Ehefrau Johanne geboren. Nach dem Besuch der Elementarschule wechselte sie auf die örtliche »Höhere Mädchenschule«, die sie bis 1864 besuchte. In jenem Jahr starb ihr Vater. Da auch ihre Mutter zu diesem Zeitpunkt nicht mehr lebte, war Helene Lange mit 16 Jahren Vollwaise. Daraufhin erfolgte ihre Unterbringung in einem Pfarrhaushalt in der Nähe von Reutlingen. Dort, so erklärte sie später, sei sie womöglich zur »Frauenrechtlerin« geworden, weil man ihr »im Pfarrhaus zum ersten Mal« den »Ausschluss der Frauen von höherer Bildung deutlich vor Augen geführt« habe. Einige Zeit später kehrte sie nach Oldenburg zurück. Weil ihr Vormund ihr verbot, das von ihr angestrebte Lehrerinnen-Examen abzulegen, ging Helene Lange 1866 als »Au-Pair-Mädchen« an eine Internatsschule im Elsass. Dort gab sie Unterrichtsstunden in deutscher Literatur und Grammatik. Im Gegenzug durfte sie an allen Lehrveranstaltungen, die das Internat anbot, teilnehmen. Außerdem beschäftigte sie sich intensiv mit Philosophie, Geschichte, Religion, Literatur und alten Sprachen. Im Jahr 1871 verzog sie nach Berlin, um dort 1872 ihr Lehrerinnen-Examen abzulegen. Anschließend arbeitete sie an verschiedenen »Höheren Mädchenschulen«. Im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit stellte sie fest, dass die in den Mädchenschulen vermittelten...