Zach | O Tannengrauen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Zach O Tannengrauen

Morbide Weihnachtsgeschichten

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-8392-7332-6
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die Weihnachtszeit - festlich, hoffnungsvoll, romantisch. Oder doch nicht? Ein Ehepaar am Heiligen Abend, das sich nur eines wünscht - das nächste Weihnachtsfest ohne den anderen. Ein Krampus wider Willen. Der unweihnachtliche Besuch der Schwiegermutter. Eine Katze im Schnee, die keine ist. Und ein Karpfen im Schlafrock …
Jede der 12 morbiden Weihnachtsgeschichten ist anders: manchmal abgründig, manchmal fantastisch, aber immer mit viel Herz - und einem (bösen) Schmunzeln.
Zach O Tannengrauen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


O du fröhliche
(Text: Johannes Daniel Falk /
Heinrich Holzschuher, 19. Jhd.) O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit! O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Christ ist erschienen, uns zu versühnen: Freue, freue dich, o Christenheit! O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Himmlische Heere jauchzen Dir Ehre: Freue, freue dich, o Christenheit! * Das kreisrunde Loch inmitten des zugefrorenen Sees klaffte dunkel und unheilverkündend. Rund um das Loch standen sich sechs Kinder gegenüber, zwei Jungen und vier Mädchen, die drei Paare bildeten. Argwöhnisch und neugierig zugleich beäugten sich die Gruppen gegenseitig. Ein Junge und ein Mädchen hielten einen dicken Karpfen in Händen, der so groß war, dass sie ihn nur zu zweit stemmen konnten. Zwei Mädchen trugen gemeinsam einen Schlafrock, in den etwas eingewickelt war, das tunlichst verborgen bleiben sollte. Vor dem dritten Kinderpaar stand eine kleine Kiste auf der Eisdecke. Der Junge war klatschnass und zitterte wie Espenlaub, das Mädchen hatte eine Spitzhacke geschultert. Keines der Kinder sprach ein Wort. Kaum hatte die Mutter sie geweckt, sprangen Amalie und Theodor aus ihren Betten. Als stünde ihr Leben auf dem Spiel, liefen sie durch den Flur, durch das Speisezimmer, den Salon und die Bibliothek. Bei der Vorratskammer angekommen stießen sie die Tür auf und hasteten in den kalten Raum. Dort, inmitten von Regalen voll Einmachgläsern und Körben, die von Winteräpfeln und Kartoffeln überquollen, stand ein großer, hölzerner Bottich. Bis oben hin mit klarem Wasser befüllt schwamm darin ein Karpfen im Kreis. »Wie geht’s dir heute, Wilhelm?«, fragte die neunjährige Amalie den Fisch aufgekratzt. »Hast du gut geschlafen?«, wollte der zehnjährige Theodor wissen. Fasziniert starrte das Geschwisterpaar auf das Tier, das offenbar unbeeindruckt gemächlich seine Runden drehte. »Nun ist aber gut.« Mit auf die Hüften gestützten Händen stand die Mutter vor der Tür. »Geht euch waschen und anziehen, das Frühstück ist fertig.« »Bis später, Wilhelm!«, riefen die Kinder dem Karpfen zu und rannten aus dem Raum. »Und lauft nicht so doll!« Ein Lächeln im Gesicht der Mutter verriet jedoch, wie streng sie den Tadel meinte. »Guten Morgen, mein Schatz.« Der Vater küsste seine Frau auf die Wange und lugte zum Bottich. »Wenn ich an heute Abend denke, läuft mir das Wasser im Mund zusammen.« Die Mutter strich ihm über die Wange, die ein gepflegter Vollbart zierte. »Zuvor hast du aber noch eine Aufgabe, das weißt du?« Der Mann nickte und machte ein Gesicht, als wäre ihm gerade der Weltschmerz aufgebürdet worden. »Nach dem Frühstück. Ich versprech’s dir.« Die Mutter nickte zufrieden und schloss die Tür zur Vorratskammer. Hedwig und Ottilie schlenderten die Gasse zum Haus ihrer Eltern hinunter, während die Sonne an einem wolkenlosen Himmel strahlte. Die beißende Kälte schien den beiden elfjährigen Zwillingsschwestern nichts auszumachen, hatte ihnen doch ihre Großmutter zu ihrem Geburtstag im Oktober dicke wollene Hauben gestrickt, dazu zwei Schals und zwei Paar Fäustlinge. Da man die beiden Mädchen kaum voneinander zu unterscheiden vermochte, wählte die Großmutter für Hedwig eine gedämpfte grüne Wolle, für Ottilie eine gedämpfte braune. Hedwig, die marginal Jüngere der beiden, brach einen großen Eiszapfen von einem Zaun ab und begann genüsslich daran zu lutschen. »Igitt!«, kommentierte ihre Schwester und verzog dabei das Gesicht. »Ich stelle mir einfach vor, dass es nach Erdbeeren schmeckt«, meinte die Jüngere schulterzuckend. »Wie soll ein Eiszapfen nach Erdbeeren schmecken?« »Warum denn nicht? Würde er nach Lebertran schmecken, würde ich ihn wohl kaum lutschen.« Ottilie musste kichern. »Auch wieder wahr.« Plötzlich blieb sie stehen, hielt ihre Schwester am Arm fest, sodass diese ebenfalls anhielt. Todernst zeigte sie auf den Gehweg, auf dem sich festgetretener Schnee und zugefrorene Pfützen abwechselten und über den quer der Schatten eines Laternenmastes fiel und eine Linie bildete. »Ab hier gilt es«, meinte Ottilie verschwörerisch, entriss Hedwig den Eiszapfen und warf ihn weg. »Von hier bis zum Haus. Aber keine Eisbahn darf ausgelassen werden.« »Natürlich nicht«, bestätigte Hedwig, als würde ihr jemand erklären, dass Vögel fliegen konnten. »Drei – zwei – eins – fertig – Feuer – los!« Die beiden Schwestern begannen zu laufen, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Über jede Eisschicht schlitterten sie, dann rannten sie weiter bis zur nächsten vereisten Pfütze, über die sie dann wieder schlitterten. Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl an Schneestrecken und Schlitterbahnen lag einmal Ottilie vorn, dann wieder Hedwig. Jeder, der auf eines der beiden Mädchen gewettet hätte, würde atemlos mitfiebern, welche von beiden wohl den Sieg davontragen würde. Kurz bevor die Schwestern ihr Zuhause erreicht hatten – ein kleines, hölzernes Haus aus verwittertem Holz –, sprang plötzlich ein Hund gegen den Lattenzaun, den das Nachbargrundstück umschloss. Hedwig stolperte vor Schreck und stürzte. Ottilie konnte gerade noch bremsen. Keifend und bellend wütete der Hund am Zaun, hetzte und geiferte in Richtung der Schwestern. Schnauze und Zähne erinnerten an einen Schäferhund, der kleinwüchsige Körperbau und das struppige Fell gehörten anderen Gattungen an. »Du vermaledeites Vieh!«, schimpfte Ottilie und half ihrer Schwester auf. »Der Blitz soll dich treffen!« In diesem Augenblick wurde die Tür des Hauses aufgestoßen, in dessen Vorgarten sich der Hund abarbeitete. Eine ältere Frau, in einen schmutzigen, mit Flicken übersäten Morgenrock gehüllt, starrte die beiden Mädchen feindselig an. »Hört auf, meinen Caesar zu erschrecken, ihr Missgeburten!« Hedwig und Ottilie standen wie angewurzelt da, beiden schlug das Herz bis zum Hals. »Wir haben doch gar nicht –« Ottilie brach ab, wusste, dass es keinen Sinn haben würde, sich zu rechtfertigen. »Ihr Hund ist böse! Er weckt sogar unseren kleinen Bruder in der Nacht, weil er so viel bellt!«, rief sie aufgekratzt. »Jede Nacht!« Die Frau spuckte aus. »Wird er schon nicht grundlos tun. Und jetzt zieht Leine, bevor ich das Gartentor aufmache und ihn auf euch hetze!« Die beiden Schwestern machten sich davon, Hedwig humpelte. »So ein Mistvieh«, schimpfte sie, immer noch zitternd vor Schreck. Ottilie prüfte, ob die Frau bereits wieder ins Haus gegangen war, dann streckte sie die Zunge Richtung der geschlossenen Haustür. »Seid ihr satt?« Der Vater lugte über den Rand seiner Zeitung. Amalie und Theodor rieben sich als Antwort die Bäuche. Das Mädchen machte große Augen. »Können wir Wilhelm füttern gehen?« Mutter und Vater tauschten einen ernsten Blick. »Biiitte!«, setzte Theodor nach. »Ich sage dem Hausmädchen, dass es abräumen kann.« Mit diesen Worten stand die Mutter auf und verließ das großräumige Speisezimmer. Doch der Vater wusste, dass dies nur ein Vorwand war, damit er allein mit seinem Nachwuchs sein konnte. Er faltete die Zeitung und verschränkte die Finger. »Also, hört mir gut zu, ihr zwei«, begann er in ruhigem, tiefem Tonfall. »Als vor vier Tagen der Fisch geliefert worden ist, habe ich euch gesagt, dass ihr euch nicht an ihn gewöhnen sollt.« Er atmete tief durch. »Auch, dass ihr ihm keinen Namen geben sollt.« »Aber Wilhelm heißt nun mal Wilhelm, das hat er uns selbst gesagt«, protestierte Amalie. Theodor verschränkte die Arme vor der Brust und schaute trotzig drein. »Ich hatte dafür aber meine Gründe«, fuhr der Vater unbeirrt fort. »Denn am heutigen Weihnachtsabend bereitet uns unsere liebe Köchin ein Festmahl vor.« Die beiden Geschwister nickten in freudiger Erwartung. »Was gibt es denn Gutes?« Ein wenig unwohl rutschte der Vater auf seinem Stuhl hin und her, griff jeweils eine Hand seiner Kinder. »Na, was denkt ihr wohl, was es zu essen geben wird?« Amalie und Theodor warfen sich einen fragenden Blick zu. »Irgendwas mit Schokolade?«, meinte das Mädchen und hob dabei unschlüssig die Schultern. »Nein«, sagte der Vater ruhig. »Naschen könnt ihr aber nach dem Essen. Als Hauptspeise gibt es –« Er zögerte, gab sich dann aber einen Ruck. »Fisch. Es gibt Fisch. So!« Die Gesichter der Geschwister spiegelten Unverständnis. Was sollte denn daran so besonders sein, dass der Vater ein derartiges Tamtam darum machte? Der senkte den Kopf, traute sich nicht, Blickkontakt zu halten. »Es gibt einen Karpfen.« Vorsichtig sah er zu den beiden, unschlüssig, ob sie nun verstanden hatten. »Es gibt den Karpfen.« Amalies Augen wurden feucht, ihre Lippen kräuselten sich. »Du meinst … Wilhelm?« Der Vater sackte innerlich zusammen, als drückte ihn eine unsichtbare Last zu Boden. »Ja, es gibt Wilhelm, blaugekocht.« Einen Moment lang herrschte Stille. Dann brachen beide Kinder in Tränen...


Zach, Bastian
Bastian Zach wurde 1973 in Leoben geboren und verbrachte seine Jugend in Salzburg. Das Studium an der Graphischen zog ihn nach Wien, als selbstständiger Schriftsteller und Drehbuchautor lebt und arbeitet er seither in der Hauptstadt. 2020 wurde sein Krimi-Debüt „Donaumelodien - Praterblut“ für den Leo-Perutz-Preis nominiert. Die Liebe zu historischen Geschichten und zum besonderen Flair der Weihnachtszeit inspirierten ihn zu diesen Geschichten.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.