E-Book, Deutsch, Band 1, 436 Seiten
Reihe: Merichaven
Yawa Merichaven: Kidnapped
2. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7504-0206-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 436 Seiten
Reihe: Merichaven
ISBN: 978-3-7504-0206-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hallo Welt, Ich weiß nicht, wann oder ob mein Brief überhaupt ernst genommen werden wird. Ich weiß nicht, was die Welt da draußen von Leuten wie ih mir denkt. Ich habe eine Entscheidung getroffen. Ich habe sie in einem einzigen Augenblick gefällt. Ohne weiter darüber nachzudenken. Die Wahl hatte mich überrumpelt, doch das soll keine Ausrede sein... Ich musste fortan mit den Konsequenzen leben. Den guten, wie den schlechten. Ich habe Dinge gesehen - Dinge erlebt, die sich die Meisten nicht vorstellen können. Denn das Leben ist wirr. Es ist chaotisch. Eine einzige Achterbahnfahrt! Es ist blutig. Dreckig. Mordend. Aber auch sanft, liebkosend und herzlich. Verrückt, oder? Ich höre euch lachen, ich sehe eure schüttelnden Köpfe. Doch ist das nicht weiter schlimm. Ihr sollt nur wissen, wie viel Liebe und Zuversicht auch an den finstersten Orten verborgen liegt. Für im Dunkelsten leuchten die Sterne am hellsten. Angeline
Medra Yawa ist eine kreative Tagträumerin, die es sich nicht nehmen lässt, aus allem eine gute Geschichte zu kreieren. Wegen ihres starken Interesses an Musik, Künsten, Sprachen, fremden Orten und diversen Kuriositäten sowie ihrem Charme und Hang zum Sarkasmus sollte kein Gespräch zu schnell in Langeweile enden!
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1: Über Zwillinge
Sophie liebte ihr Bett. In ihrem Bett fühlte sie sich sicher. Sie konnte sich dort in ihre Träume flüchten und niemand konnte diese in Alpträume verwandeln. Ihre Kissen waren zu einzigartig. Sie waren eine Barriere vor allem Übel dieser Welt. Sie waren ihre Sorgenfresser, die laut ihrem kleinen Bruder nach den Blumen aus dem Garten dufteten. Denn Sophie liebte es einfach, sich ein oder zwei davon mit runter zu nehmen, wenn sie draußen auf der Terrasse lernte oder las. Aber heute wurde sie mit einem Rumms aus diesem nach duftenden Paradies gerissen. Genau wie an jedem anderen Tag der letzten zehn Jahre. »Aufstehen, Sophie!«, ein Gewicht landete neben ihr und machte der Sonne mit seiner Fröhlichkeit Konkurrenz, »Es ist schon ganz hell draußen!« »Tyler, im Sommer geht die Sonne schon gegen drei auf und an manchen Orten tagelang nicht mal unter«, sie drehte sich um und versuchte, ihren kleinen Bruder zu ignorieren, was ihr jedoch nicht gelingen wollte. Aufgeregt brachte dieser bereits das ganze Bett zum Beben, indem er darin auf und ab hüpfte. »Komm schon! Wir haben nicht ewig Zeit!«, er schob sein grinsendes Gesicht wieder vor ihres. »Ich will die Sommerferien zurück …«, murrte Sophie, als sie ihren Kater Meowy vernahm, der kläglich neben ihrem Bett mauzte. Eigentlich gehörte er ihrer Zwillingsschwester Marie. Aber aus irgendeinem Grund kam er lieber zu ihr, um seine Krauleinheiten einzufordern. Und Marie hasste ihn dafür. So ähnlich sich die Beiden auch sahen, so konnten sich ihre Herzen nicht weniger ähneln. Während Sophie sich meistens zurückhielt, viel las und in der Schule gemobbt wurde, war Marie um Welten aktiver. Sie hatte mehr Freunde, als Sophie zählen konnte, war unter ihren Altersgenossen beliebt, das Lieblingskind ihrer Eltern, eine Partymaus und der Grund für Sophies Sorgen und Probleme. Denn obwohl das Mobbing in den Ferien abnahm, so kam es doch danach doppelt so stark zurück. Es verwandelte den Alltag in eine Routine des Grauens. Die einzigen ruhigen Momente darin blieben die Morgenden, in denen Marie und ihre Mom zu beschäftigt waren, um sich mit Sophie zu befassen. Geschlagen streckte sich die älteste Tochter der Stromfamilie und wandte sich den einzigen zwei Lebewesen zu, die ihr etwas bedeuteten. Tyler, der kleine überfröhliche Zehnjährige, war einer der wenigen, die hinter Maries Maske sehen konnten. Und Meowy war einfach nur Meowy – ihr fetter, alter, grauer Kater, dessen Trägheit beinahe bis nach Centy berüchtigt war. »Mom und Dad schon wach?«, fragte sie ihren Bruder, während sie sich durch ihre Kissen kämpfte. Keine zwei waren identisch und jedes trug eine ihrer Lieblingserinnerungen in sich. So gesehen, waren es jedoch nicht viel zu wenig für ihre sechzehn Jahre. »Noch nicht. Marie schläft auch noch. Aber sie war ja auch bis sonste-wann auf«, Tyler sprang vom Bett herunter und hob ihren dicken Kater hoch, welcher sich sogleich heulend beschwerte, »Machst du Frühstück? Es kommt mir so vor, als wäre es eine Ewigkeit her, als ich das letzte Mal deine speziellen Eierkuchen gegessen habe!« »Wir haben keine Eier mehr«, erwiderte Sophie, während sie sich ihre Klamotten aus dem Kleiderschrank zusammensuchte. Meowy tauchte plötzlich neben ihr auf und versteckte sich hinter ihren Beinen. »Dann lass nur den Kuchen machen, ist sogar noch besser!«, sie drehte sich um und musterte ihren Bruder. Er hatte genauso viel Ahnung vom Kochen, wie Marie oder ihr Dad. Das Beste, was die drei zubereiten konnten, war Fertigessen, wobei ihr Vater auch dieses gelegentlich in Kohleklumpen verwandeln konnte. »Wie wäre es dann mit Brötchen? Ich kann die Eier nach der Schule besorgen und dann gibt es sie das nächste Mal. Aber heute bleibt der Herd kalt, ja?«, schlug sie vor und warf Tyler mit ihrem Schlafanzug ab. Grummelig schmiss er diesen weiter auf ihre Kissen, nickte aber, als er Meowy wieder einsammelte und enttäuscht das Zimmer verließ. Sophie hätte schwören können, dass sie ein leises »Menno!« aus dem Flur vernahm. Lachend zog sie ihre Socken an. Er schien ihre Eierkuchen wirklich zu lieben. Erst eine Viertelstunde später, als der Geruch von frischen Backwaren durch das Haus strömte, regte sich wieder etwas im Obergeschoß. In einem steten Rhythmus kündigte Maries Handy mehrere Nachrichten ihrer Freundin Diana an. Doch das Mädchen ignorierte diese, während sie ihre Haare stylte und gedanklich ihr restliches Outfit durchging. Immerhin musste sie als Idol ihrer Mitschüler gut aussehen! Der Schulklatsch konnte solange warten. Es gäbe eh nur eine Info, für die sie alles stehen und liegen lassen würde. Jacob Kean. Jacob war der süßeste Junge, dem sie je begegnet war. Süßer als jedes Bonbon, das sie je gekostet hatte. Und wenngleich Diana glücklicherweise nicht an ihm interessiert war, so schien er sich doch für Sophie zu interessieren. Sophie! Ihre nichtsnutzige Schwester. Der Bücherwurm. Der Partymuffel. Die langweilige, nervtötende – diese Sophie? Hatte sie irgendetwas verpasst? Wütend entschied sie sich für eine dunkelrote Bluse, während ihr Handy erneut piepste. »Mensch Dia! Muss ich wegen dir schon wieder meinen Speicher löschen?«, fluchte sie, als sie stürmisch das Telefon vom Nachttisch nahm. Sophie war ein Niemand. Das hatte sie schon früh gelernt und akzeptiert. Es war eine Regel in ihrem Leben geworden. Ein fester Bestandteil. Und sie würde diese partout nicht brechen oder gar brechen lassen. »Sind sie fertig? Sind sie fertig? Sind sie-«, Tyler brach abrupt ab, als er das Küchenmesser in Sophies Hand erblickte und trat einen weisen Schritt zurück. »Möchtest du diese Frage wirklich noch einmal stellen?«, sie lächelte ihn so lieblich an, dass er nur blitzschnell den Kopf schüttelte, »Guter Junge!« Mittlerweile war der Tisch für jeden gedeckt. Der Kaffee stand dampfend neben den Tellern. Daneben kalter Saft und Milch. Meowy hatte seine Portion Thunfisch in Gelee verschlungen und eine offene Tür eingefordert. Nun saß das sieben Kilo schwere Hüftspeckmonster im Garten und versuchte, Vögel zu fangen, indem es ab und zu eine Pfote nach den Tieren ausstreckte. Leider kam er damit nicht einmal in die Nähe seiner Beute. Nur die Brötchen ließen noch auf sich warten und wurden in den Augen ihres Sonnenscheins einfach nicht schnell genug fertig! Sophie schnitt ihrem Bruder ein wenig Obst für die Schule auf und legte es neben die beschmierten Brote. Ihre Mom würde sich nicht darum kümmern und ihr Dad? Wäre es möglich, drei linke Hände zu haben, liefe er mit vieren umher … »Gehst du heute wieder früher los?«, fragte Tyler, während er die Vögel draußen beobachtete. Es war, als würde ihn die Antwort nicht interessieren, jedoch wussten sie beide, dass das nicht der Fall war. »Ja.« Er drehte sich um und wollte etwas entgegnen, als ihn die Eieruhr unterbrach. Sophie war dem Gerät so unendlich dankbar für die Ablenkung, die die Besorgnis in den Augen ihres Bruders vertrieb und durch Begeisterung ersetzte. »Sind sie-« »Fertig? Jups, jups, jups!«, sie freute sich, wie schnell sie ihren Tyler ablenken konnte, statt ihn mit schmerzhaften Gedanken quälen zu müssen. Er war halt ihr kleiner Bruder, trotz seiner drei Judostunden und endlosen philosophischen Diskussionen die Woche. Grinsend scheuchte sie ihn vom Ofen weg, um die Brötchen in einen Korb zu werfen. Sophie wollte nicht, dass er sich vor Vorfreude wieder verbrannte. Doch ehe sie alle einsammeln konnte, stahl er sich bereits eines aus ihren Händen und rannte mit einem lauten »Heiß, heiß, heiß!« zum Tisch zurück. Sie musste sich wirklich auf die Zunge beißen, um nicht loszulachen. »Es kommt ja auch aus dem Ofen, Dummerchen.« Als Antwort wurde ihr ein gespielt wütender Blick zugeworfen, den sie gekonnt ignorierte. Wie schön es doch war, ihren kleinen Bruder zu ärgern. »Nur diese vertrockneten Dinger? Ernsthaft?« Sofort war Sophies Laune unter dem Gefrierpunkt. Marie stand in der Tür und betrachtete ihre Geschwister mit diesem kalten, abweisenden Blick, den die Ältere verabscheute. Dennoch versuchte sie, ihn herunterzuspielen. Sie besann sich darauf, ein besserer Mensch zu sein. Nach vorn zu sehen. Immerhin durfte sie doch nicht ihre eigene Zwillingsschwester hassen. Sie war ja sowas wie ein Teil von ihr! »Guten Morgen, Marie. Hast du gut geschlafen?«, Sophie lächelte sie an. Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben. Ihre Sorgen zu verdrängen. Alles Üble hinter sich zu lassen. Denn vielleicht könnten ihre positiven Gedanken ihre Schwester eines Tages doch noch erreichen. »Klappe, Schlampe.« Tyler sah wütend von seinem, nun mit Schokolade beschmierten, Brötchen...