E-Book, Deutsch, 136 Seiten
E-Book, Deutsch, 136 Seiten
ISBN: 978-3-96146-241-4
Verlag: Diplomica Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
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Textprobe:
3. Typologische Parallelen:
3.1 Nordische Typen:
3.1.1 Arnold als Philosoph und Dichter:
Der zurückhaltende, schüchterne Arnold ist ein Dichter, „sanfter Träumer“ (121) und „Waldmensch“ (124), der in der Einsamkeit lebt und nicht zur Gesellschaft passt. Bei seinem Aufenthalt in Bayern fällt er auf und seine Unterhaltungen mit Lola sind von philosophischen Gesprächen geprägt. In vielen Spaziergängen mit Lola philosophiert er über Gott und die Welt. Von seinem Glauben an die Zukunft einer besseren Gesellschaft redet Arnold häufig. Spricht er von Geist und Menschlichkeit, belebt sich der normalerweise gemäßigte, ruhige Mann und er begreift die Französische Revolution 1789 als „Ausbruch des Besseren im Menschen“ (154). Er schätzt den Geist hoch: „Wie können Kulturmenschen, wie kann der Geist eine Macht ertragen, die nicht vom Geiste ist!“ (153) In Lolas Sichtweise werden die idealistischen Elemente seines Charakters verdeutlicht. Lola kommentiert zum Beispiel Arnold folgendermaßen:
„Besonders Sie, der große Hoffnungen auf die Menschheit setzt! Und dabei haben Sie den wichtigen Teil Ihres Lebens dazu benutzt, sich in Ihrer Verschlossenheit von den Phantomen der Menschheit etwas vorspielen zu lassen: etwas Bösartiges, soviel ich verstehe. Sie sind eigentlich sehr naiv.“ (165)
Obwohl Lola ihm seelisch zugeneigt ist, empfindet sie doch, „dass auf fester Erde sein Traum keine Stätte habe“ (153). Das lässt an ein gängiges Merkmal Deutschlands denken, nämlich die bezeichnende Fähigkeit zum Nachdenken und das große Interesse an abstrakten Ideen.
Die negativen Elemente in Arnolds Charakter sind Lola auch bewusst. Im Gegensatz zu dem anziehenden, leidenschaftlichen Italiener Pardi ist Arnold „gar zu sparsam, mäßig und vernünftig“ (432). Einerseits kann die Kraft des Gedankens eine großartige geistige Welt schaffen, andererseits könnte diese Kraft zu beschränkten und drückenden Verhältnissen führen. Seine bürgerlichen Tugenden scheinen Lola kalt und unsympathisch. Arnolds „Kälte und Weise, Menschen anzusehen“ (432) gefallen Lola nicht. Kritisierend analysiert Lola ihn so:
„ [.] Er war ein ängstlicher Egoist, immer in Sorge, sich mit jemand messen, seinen traurigen Frieden aufgeben zu müssen. Das machte ihn kleinlich und ungenerös: [.]“ (183)
„ [.] Er kennt nicht Freund noch Feind: nur das kleine selbstsüchtige Vergnügen des Durchschauens. [.]“ (432)
3.1.2 Faber als Techniker:
Der Titel des Romans von Max Frisch, Homo faber, stammt aus dem Lateinischen und kann als „der Mensch als Verfertiger“ übersetzt werden. Die charakteristischen Merkmale des Selbst- und Weltbildes vom Protagonisten Walter Faber sind von seinem Beruf bestimmt und dementsprechend wurde er von seiner damaligen Freundin Hanna scherzhaft auf den Namen „Homo faber“ getauft. Abgesehen davon, dass sich Walter Fabers Identität im Handlungsverlauf allmählich verändert, könnte man sagen, dass er ein Techniker-Mensch ist. Walter Faber identifiziert sich mit der Rolle des Technikers, der sich an der streng rationalen, technischen Weltanschauung orientiert. Als realitätsbezogener Techniker meint er, dass er die Erscheinungswelt als objektiv gültige Wirklichkeit erfassen kann: „Ich bin Techniker und gewohnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind.“
Der Untertitel des Romans heißt „Ein Bericht“ und dies betont die von Faber angestrebte Sachlichkeit und Nüchternheit. Das Kennzeichen der Sprache des Ich-Erzählers spiegelt seine Identität als Ingenieur wider: wenige Dialoge, verkürzte Sätze. Genaue Zeit- und Ortsangaben, die sich durch den ganzen Roman ziehen, erinnern besonders an einen wissenschaftlichen Bericht. Die Bemühung um die Genauigkeit in seiner Darstellung zeichnet sich durch u. a. folgende Facetten aus: Fremdsprachliche Gespräche notiert er immer in der Originalsprache, sowohl auf Englisch als auch auf Spanisch; in seiner Erläuterung über den Zufall und die Wahrscheinlichkeit fügt er sogar wissenschaftliche Quellen ein, wie in einer wissenschaftlichen Arbeit. Auch die Typen der Flugzeuge und Marken der Autos, die er auf seiner Dienstreise mitnimmt, kann er exakt angeben. In einem Vergleichsspiel mit Sabeth benutzt Faber Gegenstände aus dem technischen Bereich, z. B. Zinkblech und Glaswolle. Ein weiteres Kennzeichen seines Selbstbilds ist seine Hochschätzung des Technikers als „männlicher Beruf“: „Ich stehe auf dem Standpunkt, dass der Beruf des Technikers, der mit den Tatsachen fertig wird, immerhin ein männlicher Beruf ist, wenn nicht der einzig männliche überhaupt…“ (77).
Als Techniker mit rationalem Denken und Verhalten bezeichnet er Gefühle und Emotionen abwertend als „Ermüdungserscheinungen“: „Manchmal wird man weich, aber man fängt sich wieder. Ermüdungserscheinungen! Wie beim Stahl, Gefühle, so habe ich festgestellt, sind Ermüdungserscheinungen, nichts weiter, jedenfalls bei mir. Man macht schlapp!“ (92) Gefühle und Emotionen gelten als Zeichen von Schwäche in den Augen von Faber. Als erfolgreicher Ingenieur versucht er, die Welt und die darin befindlichen Erscheinungen erklärbar zu machen und zu kontrollieren. Seine Faszination von Maschinen und besonders von Robotern projiziert seine eigenen Wünsche: Erlebnis-, Angst- und Irrtumsfreiheit.
Faber wendet seine technisch organisierten Wahrnehmungskategorien sowohl auf sich, als auch auf seine Mitmenschen und seine Umwelt an. Der Umgang mit Menschen ist für ihn eine Anstrengung. Wenn die Schwierigkeit mit den Mitmenschen bei Arnold als „Bindungsscheu“ bezeichnet wird, weshalb er wegen seiner Schüchternheit und seines Philosophierens nicht in die Gesellschaft passt, dann ist es bei Faber ein „Bindungswiderwille“. Faber will keinen Kontakt mit seinen Mitmenschen haben und bereits am Anfang des Romans, also beim Flugstart in New York konstatiert er: „meinerseits keinerlei Bedürfnis nach Bekanntschaft“. (8) Deshalb bevorzugt er das Alleinsein und die Einsamkeit gilt bei seinem Selbstbild als Kategorie männlichen Lebens. Wie Manfred Eisenbeis zeigt, ist Faber „am liebsten in engem Kontakt mit technischem Gerät, das er beherrscht, das funktioniert und ihm keine Gefühle abverlangt- wie z. B. sein „Wagen“.