Wolzogen | Agnes von Lilien | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 290 Seiten

Wolzogen Agnes von Lilien

E-Book, Deutsch, 290 Seiten

ISBN: 978-80-268-2063-5
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Agnes von Lilien' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Der Roman 'Agnes von Lilien' ist die Geschichte eines empfindsamen und allem Schönen gegenüber aufgeschlossenen schwärmerischen Mädchens, das sich in der realen Welt jedoch fremd und unverstanden fühlt und sich zu einem Idealmann, der alle Tugenden in sich vereint, hingezogen fühlt. Der Roman ist in Ich-Form geschrieben, als fiktive Autobiografie, und das nicht mit dem überlegenen Wissen einer erwachsenen, ihr Leben rückblickend aufzeichnenden Frau, sondern aus der Perspektive einer naiven und 'natürlichen' jungen Frau und weist eine ganze Reihe struktureller Mängel und erzählerischer Inkonsistenzen auf. Die Mentalität und der Tugend- und Wertekanon aber, die den Roman charakterisieren, trafen den Zeitgeist der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Caroline von Wolzogen (1763-1847) war die Schwägerin Friedrich Schillers und eine berühmt deutsche Schriftstellerin.
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Zweyter Theil
Inhaltsverzeichnis

Während der Genesung von einer schweren Krankheit, ist das Gemüth zum stillen Hoffen und Dulden mehr als zum heftigen Verlangen gestimmt. Das Gefühl, eine freudenreiche lebenvolle Gegenwart nicht mit vollen Sinnen genießen zu können, beruhigt über einen freudenlosen Zustand. Unser Gemüth ergreift Vergnügen und Schmerz mit gleicher Gewalt, und eben so stehen Sorge und Verlangen in gleichem Verhältniß. Auf diese Art ertrug ich meine höchstsonderbare Lage mit einer Ruhe, die mir in der vollen Thätigkeit meiner Gemüthskräfte unbegreiflich war. Das gute wohlmeynende Wesen des Arztes, sein heller Blick, der mit offenbarem Vergnügen auf mir verweilte, gaben mir sogar Muth. Hätte mir dieser Mund ein Unglück zu verkündigen, er würde mir nicht so heiter zulächeln! sagte ich mir oft. Nur die Unruhe um Charles verfolgte mich mit quälenden Bildern. Sein Verstummen nach dem Schuß, welchen ich an jenem unglücklichen Abend gehört, ließ mich oft seinen Tod befürchten. Der Verlust eines so treuen Freundes war mir innig schmerzlich; und er war auch das einzige Band zwischen meiner Mutter und mir! Wo sollte ich die geliebte Stimme aufsuchen, die mir nur körperlos, wie ein Laut des Echo aus der Wildniß zutönte! Als mich der Arzt den nächsten Tag besuchte, sagte er: Die Musik ist ein sehr wirksames Mittel, um den schwachen, verstimmten Nerven wieder Ton zu geben; ich habe eben in dem nächsten Dorfe zwei kleine Musikanten gefunden, zwei liebliche Knaben; ich nahm sie mit hierher, um Ihnen ein kleines Concert zu machen. Er öfnete die Thür ins Nebenzimmer, und ich hörte ein liebliches Vorspiel einer Guitarre und Flöte. Es war dieselbe Melodie, welche Bettina in Nordheims Garten gespielt hatte. Mein Busen wallte in sonderbaren anmuthigen Erwartungen; der Arzt beobachtete mich genau, winkte mir freundlich zu, und sagte lächelnd: O, ich bin der guten Wirkung dieses Mittels gewiß! Die Alte setzte ihre Brille auf, und schüttelte den Kopf; so that sie zu allem, was sie nicht verstand. und wobey sie sich doch ein bedeutendes Ansehn geben wollte. Jetzt tönte eine reine volle Stimme in die Saiten; ich erkannte Bettina. Meine Augen füllten sich mit süßen Thränen, und ein sanfter Schauer bebte durch meine Nerven. Der Arzt faßte meine Hand und sagte: Sie müssen den einen Knaben sehen, es ist ein so liebliches Kind! Komm herein, Kleiner! rief er; aber geh und sprich ja leise! Ein Knabe trat schüchtern an die Thür. Er stand im Schatten, und ich erkannte die Gesichtszüge nicht. Nur näher! winkte der Arzt; und jetzt stand Bettina in Knabenkleidern mitten im Zimmer. Sie sank auf ihre Knie, sah mich mit einem Blick an, in dem sich ihr ganzes Wesen aufzulösen strebte, und verbarg dann ihr Gesicht in ihre beiden Hände. Der Arzt gebot ihr aufzustehen, zog sie zu sich, und sie stand jetzt dicht an meinem Bette. Ich reichte ihr meine Hand, der sie einen heißen Kuß aufdrückte, und als sich ihr Haupt wieder erhob, flüsterte sie mir leise auf Italiänisch zu: Nordheim sendet mich zu dir, er ist nicht weit. Gott, was litten wir um dich! Die Alte schob ihre Brille zurechte, hustete, fand das alles sehr sonderbar; doch wagte sie keine Bemerkung. Der Arzt wußte sie mit unerschöpflicher guter Laune zu unterhalten. Bettina und ich selbst waren jetzt gefaßt genug, um ein gleichgültiges Gespräch vor der Alten anzuknüpfen. Sie mußte ihren Bruder auch aus dem Nebenzimmer zu mir bringen, beide Kinder betrugen sich mit großer Feinheit. Battista machte sich an Madame Imbert, und wußte durch tausend Schäkereyen ihre Aufmerksamkeit von mir abzulenken. Bettina spielte mir geschickt einen Brief in die Hände; ich erkannte Nordheims Handschrift, und verbarg ihn in meinen Busen. Ich hoffe Ihnen morgen einen Spatziergang im Garten verordnen zu dürfen, sagte der Arzt. Die Alte wollte Einwendungen machen, aber eine scherzhafte Antwort des Arztes brachte sie zum Schweigen. Auch meine kleine Hofkapelle bringe ich Ihnen bald wieder mit, sagte er beym Abschied. Bettina küßte meine Hände noch einmahl, und während sich ihr Bruder mir näherte, ergriff sie eine Scheere, die auf dem Tischchen am Bette lag, und schnitt eine Haarlocke ab, die über meiner Schulter lag; schnell hatte sie ihren Raub in ihr Westchen verborgen, drückte die Hand auf ihre Brust, und flüsterte mir leise zu: Es ist für ihn! Ich erwartete die Ruhestunde der Alten mit klopfendem Herzen. Als ich hörte, daß sie in tiefem Schlafe lag, wagte ich es, meinen lieben Brief zu eröfnen. »Endlich, meine geliebte Agnes, kenne ich Ihren Aufenthalt. Die qualvollsten Tage meines Lebens folgten auf die schönste Stunde desselben. Aber der Augenblick, welcher uns wieder vereinigen wird, ist nicht fern; unser Leben soll bis dahin ganz der Hofnung gehören. Ich wäre zu Ihnen geeilt, hätte mich der Arzt nicht zurückgehalten. Er fürchtete, eine so ganz unerwartete Erscheinung möchte zu heftig wirken. »Der Arzt ist einer meiner liebsten Freunde den ich von nun an als den Schutzengel meines Lebens verehre, weil er meine geliebte Agnes erhielt. »Fürchte nichts mehr, meine einzig Geliebte! Du bist von den Armen der Liebe umgeben, keine Gefahr soll dir mehr nahen. Fürchte auch nicht für die, die dir werth sind, sie sind gerettet, um sich eines schönen Lebens mit uns zu freuen. »Sobald der Arzt die Reise zuträglich für Sie findet, bitte ich Sie, diesen Aufenthalt zu verlassen. »Alles wird sich freundlich auflösen. »Ich schicke meiner süßen Geliebten hier einen Ring, welcher nie von meiner Hand kam; mir dünkte, ihre lieben Blicke ruhten oft darauf, und schienen eine gewisse verworrene Empfindung auszudrücken. Er löse jetzt alle Zweifel des besten Herzens, dessen Vertrauen ich ganz verdienen will.« Wie sonderbar ward mein Gemüth bewegt, als ich den Ring mit Amaliens Nahmen aus einem Papier wickelte! Die reine Güte meines Geliebten, der treue zarte Sinn dieses Briefes, die seelenstärkende Hofnung, wirkten als wohlthätige Zaubermittel auf mein ganzes Wesen. Alle Sorgen um Charles und meine Mutter fielen von meinem Herzen, das sich ganz in seliger Hofnung erhob. Arme Amalie! seufzte ich über den Ring mit einer unaussprechlich wehmüthigen Empfindung, als ich ihn wieder einwickelte, um ihn zu verwahren. Aber der erste Abend, wo er von Nordheims Hand in die meine fiel, stand vor meiner Seele, und ich verlor mich in den schönsten Träumen, die die Zukunft an die Vergangenheit knüpften. Der Arzt fand mich am folgenden Morgen so stark, daß er darauf bestand, ich sollte einige Stunden der freien Luft im Garten genießen. Ich sah die ganze Façade des Hauses, worin ich mich befand. Es war ein altes, aber sehr großes Gebäude, und schien ganz unbewohnt. Der Garten war ringsum von einer mäßig hohen Mauer umgeben, und einige Durchsichten waren angebracht, wo man durch eiserne Stäbe in die umliegende Gegend blickte. Der Garten stieß an einen anmuthigen Wald, aber die ganze Gegend schien öde und menschenleer, und nur in weiter Entfernung lagen einige Dörfer. Aus wiederholten Fragen, mit welchen ich die Alte oft überraschte, hatte ich mir zusammengesetzt, daß dieser Ort ohnweit U. läge, welches zehn Meilen von D. entfernt war. Wem dieses Landhaus zugehöre, hatte ich bis jetzt nicht bestimmt erfahren können, aber als ich im Garten über den Thoren des Schlosses das Wappen des Fürsten von ** bemerkte, blieb mir kein Zweifel, durch welche Autorität ich hiehergebracht worden sei, so unergründlich mir auch die Ursache dieses Benehmens war. Der Arzt ging an meiner Seite, aber Madame Imbert ging an der andern, und es wurde uns unmöglich, etwas Zusammenhängendes zu sprechen. Sie werden Herrn von Nordheim sehen! flüsterte mir der Arzt zu, ich konnte ihn nicht länger zurückhalten; aber halten Sie sich, und verbergen sich vor der Alten so viel wie möglich! Mein Herz schlug hoch, der Athem fing an zu entgehen, und mein gebrochnes Auge richtete sich nach dem unendlichen Blau des Himmels, um Stärke zu sammlen. Der Arzt warf einen besorgten Blick auf mich, unterstützte mich mit seinem Arm, und sagte mir ins Ohr: Wenn Sie sein Anschaun nicht still zu ertragen vermögen, so eile ich ihn aufzuhalten. – Nein, sagte ich, es ist schon besser, Sie sollen mit mir zufrieden seyn. An einem Platz wo man die freie Aussicht auf den Wald hatte, bat mich der Arzt auszuruhen. Es war ein heitrer Herbstmorgen. Der Himmel glänzte im reinsten Licht, und der Wald, der vor uns lag, im Schmuck der mannichfachsten Farben. Ein Duett von Waldhörnern schallte aus der Ferne, und näherte sich uns in immer wachsenden Tönen. Bald vernahmen wir den Lärm von Pferden und Hunden, und jetzt sahen wir die Reuter aus dem Dickicht des Waldes sich uns nähern. Der Arzt hielt meine Hand, und ein freundlicher Wink verkündigte mir Nordheims Ankunft. Er wird nicht mit Ihnen sprechen, flüsterte er mir ins Ohr, nur unter dieser Bedingung erlaubte ich ihm zu kommen. Es ist Herr von U. mit seiner Jagdgesellschaft, sagte er laut. Nordheims Gestalt leuchtete mir sogleich aus allen übrigen hervor. Welche Zauberkraft fesselte alle meine Sinnen! Mein Herz flog ihm entgegen, und alles hielt mich zurück. Die Gewalt des Verlangens bewegte mein Herz aufs neue bis zum schmerzlichen Krampf; aber jetzt näherte sich der Geliebte, ich sah die reinen großen Formen von hohem, stillem Geist belebt, und jeder Sturm in meinem Busen schwieg. Wie im...


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