„Ich bin unter großen Himmeln hineingewachsen in meine
Liebe zur See, die Max Beckmann in bewundernswürdigen
Meeres- und Strandbildern gemalt hat, verschiedentlich auch
auf Wangerooge, das letzte Mal ... auf einem Abstecher aus
seinem holländischen Exil, und habe dort die Süße des Lebens
gekostet in den Freiheiten, die man mir gewährte“
Karl Alfred Wolken
Die Schnapsinsel ist mehr als ein in Küstennebel eingehüllter
Nordseemythos von freizügigen Künstlertagen und
feuchtfröhlichen Gelagenächten, wenngleich beide darin zur
Genüge vorkommen. Sie ist auch ein Akt, die Vergangenheit
zu bewältigen, die 1961 erst wenige Jahre zurücklag. Vor
allem aber bewegt der Autor sich aus seinem angestammten
Leben in ein neues, vertieftes, das künstlerisch und persönlich
stärker auf ihn wirkt und ihn fordert. Und da sind wir bei
einem zentralen Wolken-Thema, dem Weggehen, Hinter-sich-
Lassen, manchmal auch Verschwinden. Und wie wird
Wolken noch in seiner Todesanzeige lyrisch selbst zitiert?
„Ich bin nicht hier. Ich habe mich verlassen.“
Jörg Deuter
Wolken, Karl Alfred
Karl Alfred Wolken wird am 26. August 1929 als Sohn eines
Schmieds auf Wangerooge geboren.
Im Alter von 14 Jahren verläßt er die Nordseeinsel, um als
Schüler der „Nationalpolitische Erziehungsanstalt“ Ballenstedt am
Harz sein Abitur anzustreben.
Nach Einsatz als Flakhelfer und im Volkssturm wird er kurz
Kriegsgefangener und setzt seine Schulausbildung danach in Stuttgart
fort, die er 1949 mit dem Abitur beendet.
Zehn Jahre lang arbeitete er als Werksschreiner in einer Fabrik.
Beginn der lebenslangen Freundschaft mit dem Schriftsteller
Heinz Piontek
1960 erhält er den Preis des Förderkreises im Bundesverbandes
der deutschen Industrie für seinen ersten Gedichtband Halblaute
Einfahrt, dem im Jahr darauf der Roman Die Schnapsinsel folgte.
1962 war Wolken Stipendiat der Deutschen Akademie Villa
Massimo in Rom. Die Kritik sieht seine Lyrik „in der Nähe des
frühen Piontek“.
1963/64 wirkt er als Lektor in Stuttgart. Eheschließung mit Dr.
Elisabeth Gericke, der Urenkelin des Stifters Eduard Arnhold und
seit 1965 Direktorin der Stiftung der Künstlerakademie Villa Massimo.
Seitdem wohnt die Familie in Rom. Familie Wolken hat drei
Söhne und eine Tochter.
Sein zweiter Roman Zahltag von 1964 verarbeitet die Berufserfahrung
als Handwerker in einem Industriebetrieb.
1967 erscheint ein Band Erzählungen.
Die Gedichtbände Wortwechsel (1964), Klare Verhältnisse (1968)
und Außer Landes (1979) bestätigen Wolken als Naturlyriker; der
Gedichtband Die richtige Zei t zum Gehen (1982) verarbeitet die in
Kriegs- und Nachkriegszeit verbrachte Jugend in Deutschland und
den Verlust einer ganzen Generation.
1987 erscheint der Gedichtband Eigenleben. Gedichte aus der Villa
Massimo, 1997 folgt Die ungeheure Masse der Sonne als Privatdruck
in dreißig Exemplaren.
Seit 1995 lebt das Ehepaar nicht mehr in der Villa Massimo,
weiterhin aber in Rom und in Neuhaus am Schliersee.
In den letzten Jahren schreibt Karl Alfred Wolken an seiner
Autobiographie, die auch von ihm als wesentlich empfundene Gedichte
in ihren lebensgeschichtlichen Kontext einbindet.
Am 2. Juli 2020 stirbt Karl Alfred Wolken in Rom. Auf seiner
Todesanzeige steht: „Ich bin nicht hier. Ich habe mich verlassen.“