Wittkowski | Grün ist das Schwarze | Buch | 978-3-942094-50-4 | sack.de

Buch, Deutsch, 96 Seiten, GB, Format (B × H): 128 mm x 212 mm, Gewicht: 206 g

Reihe: Poesiealbum Ruhrgebiet

Wittkowski

Grün ist das Schwarze

Das kleine Gedichtbuch des Ruhrgebiets

Buch, Deutsch, 96 Seiten, GB, Format (B × H): 128 mm x 212 mm, Gewicht: 206 g

Reihe: Poesiealbum Ruhrgebiet

ISBN: 978-3-942094-50-4
Verlag: Henselowsky Boschmann


„Grün ist das Schwarze“ nimmt den Leser mit auf eine literarische Tour de Ruhr, die voller Überraschungen steckt. Der thematische Bogen spannt sich vom Heimatgedicht bis zum bergbaulichen Lied, vom politischen bis zum religiösen Gedicht, von der modernen Poesie bis zur Kabarett-Lyrik. Hoch-, platt- und ruhrdeutsche Texte geben einen Einblick in die sprachliche Vitalität einer noch immer wenig bekannten Literaturlandschaft.
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„Grün ist das Schwarze“: Eine Entdeckungsreise

Die Anthologie „Grün ist das Schwarze. Das kleine Gedichtbuch des Ruhrgebiets“ lädt zu einer literarischen Entdeckungsreise ein. Denn noch immer ist die Literaturlandschaft Ruhrgebiet unvollständig vermessen. Vielfach richtet sich der Blick auf die Arbeiter- und Industrieliteratur oder auf eine lokalkolorierte „Ruhrgebietsliteratur“. Doch die Literatur im Ruhrgebiet lässt sich nicht darauf reduzieren. Diese Anthologie spannt daher einen Bogen vom Arbeitergedicht bis zur modernen Poesie, von kabarettistischer bis zu religiöser Lyrik.
Die ältesten Texte stammen aus der vorindustriellen Zeit des Ruhrgebiets: Gerhard Tersteegens Kirchenlieder sind vor allem in den evangelischen Kirchen verbreitet; fünf Strophen seines „Morgen- oder Abend-Opffers“ (1745) gehören unter dem Titel „Nun sich der Tag geendet“ zum Grundbestand evangelischer Gesangbücher. Ein Beispiel lehrhafter Dichtung gibt Carl Arnold Kortums „Der Hahn und die Hennen“ (1772), während Friedrich Adolph Krummachers „Das Gradirwerk“ (1823) wie ein Vorgriff auf die Industriedichtung des 20. Jahrhunderts erscheint.
Das als „Steigerlied“ bekannte Volkslied „Glück auf, Glück auf! Der Steiger kommt“ lässt sich in seiner ältesten Fassung nur ungenau auf den Beginn des 18. Jahrhunderts datieren und ist sicher nicht im Ruhrgebiet entstanden, hat hier aber den Status einer inoffiziellen Hymne erlangt. Mit „Steigerlied“-Strophen leitet Herbert Grönemeyer auf Konzerten oftmals seine eigene Heimat-Hymne „Bochum“ (1984/2004) ein. Die in dieser Anthologie wiedergegebene Fassung aus dem Jahr 1883 kommt noch ohne die Zusatzstrophe für die Hüttenleute aus, die sich erst später in der sechsten Auflage des „Liederbuchs für Berg- und Hüttenleute“ (1894) findet.
Die Lieder des Sozialdemokraten Heinrich Kämpchen setzen sich entschieden für die Bergleute ein, deren Berufsstand er hat verarmen sehen. „Bergmannsleben“ (1894) stellt diese Armut dar und antwortet direkt auf die teils die Realität verklärende Gesangslyrik, wie sie sich im „Liederbuch für Berg- und Hüttenleute“ finden lässt. In der Nachfolge Heinrich Kämpchens stehen Georg Breuker, der Kämpchen noch persönlich kannte, und Viktor Kalinowski. Ludwig Kessing dagegen bildet den jüngeren, christlich orientierten Widerpart.
Ebenfalls dem Bergbau und den ‚werktätigen Menschen‘ verbunden sind die Autoren der „Ruhrland“-Gemeinschaft um Otto Wohlgemuth, dem Herausgeber der Sammelbände „Ruhrland“ (1923) und „Ruhrland-Almanach“ (1924). Die „Ruhrland“-Autoren Hugo Ardelt, Erich Sieburg, Josef Voß und Adolf Wurmbach setzen sich aber deutlich von der sich politisch artikulierenden Arbeiterliteratur im Stile Heinrich Kämpchens ab und orientieren sich stattdessen an bürgerlichen Literaturnormen.
Zu den bekanntesten Autoren der Bergarbeiterdichtung zählt Paul Zech. Als Beiträger zu Kurt Pinthus’ expressionistischer Anthologie „Menschheitsdämmerung“ (1920) gibt er in einer ‚biographischen Notiz‘ an, sich als Bergmann u.?a. in Bottrop und auf der Zeche Radbod versucht zu haben. Allerdings sind seine biographischen Angaben fingiert. Es ist zweifelhaft, ob er überhaupt je im Ruhrgebiet gelebt und gearbeitet hat. Seine unter dem Titel „Das schwarze Revier“ veröffentlichte Lyrik (1913/1922) aber wurde in diesem Sinne rezipiert. In ihrer Ästhetik unterscheidet sie sich ebenso deutlich von der politisch engagierten Lyrik in der Tradition Heinrich Kämpchens wie die „Ruhrland“-Texte.
Die Anthologie „Technische Zeit“ des Essener Dramaturgen Hannes Küpper (1929) mit seinem Gedicht „Elektrizität“ steht mit ihrem optimistischen Modernismus sogar in einem noch größeren Gegensatz sowohl zur sozial engagierten wie zur bürgerlich-konservativen Arbeiterliteratur. Dagegen nimmt sich Philipp Witkops Kritik an der Unterordnung der Natur und des psychischen Erlebens unter die Ansprüche der Ökonomie wenig optimistisch aus. Mit seinem Gedicht „Meine Heimat“ (1901) sorgte er dank des Verses „Wie ich dich hasse, meine Heimat du!“ für nichts weniger als einen Literaturskandal. Doch es gibt auch andere Sichtweisen: Drei Jahrzehnte später wirft „Die Bergmannskuh“ des Kabarettisten Fred Endrikat (1934) einen liebevoll-sentimentalen und oft zitierten Blick zurück; Fred Endrikat lebt allerdings längst am Starnberger See.
Das Jahrhundert zweier Weltkriege und des nationalsozialistischen Regimes hinterlässt auch in der Lyrik seine Spuren. Viktor Kalinowskis Impressionen „Die stille Stadt“ (1922) und Erich Sieburgs Reflexion „Nach dem Krieg“ (1949) thematisieren existentielle Not. Paul Polte, als Mitglied im „Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller“ 1934 inhaftiert, dokumentiert den psychischen Druck während der Haft: „Steinwache/Zelle 21“. Und der Arbeiterdichter Johann Esser hat 1933 im Konzentrationslager Börgermoor jene Strophen zu Papier gebracht, die in der Überarbeitung seines Mithäftlings Wolfgang Langhoff das wohl bekannteste literarische Zeugnis des Widerstands in den Konzentrationslagern sind: das „Lied der Moorsoldaten“ (1933). Dieses Lied hat nicht nur den Weg aus dem Konzentrationslager Börgermoor hinaus-, sondern auch den in andere hineingefunden und ist in aller Welt bekannt geworden.
Krieg und Nationalsozialismus lassen Hugo Ernst Käufer in der Nachkriegszeit nicht los. Seine „An die Jungen“ gerichteten Worte appellieren noch 2010: „Seid wachsam“, „hellhörig“ und „ansprechbar“. H.D. Gölzenleuchter, der zahlreiche Bücher Hugo Ernst Käufers illustriert und in seiner Edition Wort und Bild verlegt hat, gehört zu den Wachsamen und mahnt vor dem aufkommenden Neonazismus unter Jugendlichen („Ein Tod“, 1998).
Mit der „Gruppe 61“, dem „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ und der „Literarischen Werkstatt Gelsenkirchen“ haben drei Gruppierungen die Literatur im Ruhrgebiet in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusst. Wichtiger als ihre jeweilige Programmatik dürfte dabei ihre Funktion als Ort der literarischen Begegnung gewesen sein. Durch die „Literarische Werkstatt Gelsenkirchen“ haben Ilse Kibgis und Liselotte Rauner ihren Weg in die literarische Öffentlichkeit gefunden. Klaus-Peter Wolf bekam hier seine ersten Kontakte zum Literaturbetrieb. Auch Werner Streletz gehörte der „Werkstatt“ an. Für Max von der Grün und Josef Reding war die „Gruppe 61“, für H.D. Gölzenleuchter und Heinrich Peuckmann der „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ eine wichtige Station in ihrer literarischen Biographie. Kurt Küther hatte Kontakt zu allen drei Gruppen.
Das Thema Arbeit nimmt dabei eine prominente Rolle ein: Max von der Grüns „Unter Tag“ (1961) speist sich aus eigenem Erleben. Klaus-Peter Wolfs „LOGIK“ (1974) gibt sich revolutionär. Und Ilse Kibgis’ „Näherin“ (1984) lebt von der solidarischen Beobachtung des Arbeitsalltags.
Doch gibt es auch andere Themen. Autoren wie Josef Reding („sagt nicht …“, 1982), Paul Reding („Fußwaschung“, 1978) und Heinrich Peuckmann („Wie wenig, wie viel“, 2007) setzen zum Beispiel religiöse Akzente und treffen sich darin mit dem Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch („Weihnachtswunsch“, 1997).
Seit den fünfziger Jahren haben sich aber auch eine Reihe von Autoren zu Wort gemeldet, deren literarische Biographie keine Bezüge zu den genannten Gruppierungen aufweist. Zu ihnen gehört Harald Hartung. Sein Gedicht „Zechenkolonie“ (1957) blickt zurück auf eine ruhrgebietstypische Szenerie. Dagegen entzieht sich Nicolas Borns „Vaterhaus“ (1970) der Lokalisierung. Die Unterschiedlichkeit könnte kaum größer sein: Während bei Ernst Meister existentielle Fragen nach „des Lebens Warum“ aufgeworfen werden („Ein Gedenken V“, 1964), spielt Reinhard Döhl mit Goethe, Märchen- und anderen Motiven („warte nur balde“, 1962). Ralf Theniors „Gedichtverkäufer“ (1977) hat, Erfahrung vieler Lyriker, „fast nichts verkauft“.
Da mögen die Kabarettisten unter den Lyrikern ein breiteres Publikum erreichen. Hanns Dieter Hüschs „der gerechte mensch übersieht den menschen“ (1962) und Fritz Eckengas „Weihnachtswehklage“ (2005) geben Beispiele dafür, dass Kabarett-Lyrik ihre literarische Qualität über die Tagesaktualität hinaus beweisen kann.
Seit den achtziger Jahren nutzen Autoren wie Josef Reding („zwischenstation tresen“, 1982), Werner Streletz („Antwort auffe Litanei vonner alten Frau“, 1987) und Kurt Küther („Anne Bude“, 1994) das Ruhrdeutsche selbstbewusst als Literatursprache. Mit ihren ruhrdeutschen Texten knüpfen sie an die frühere Tradition des Plattdeutschen an: Otto Wohlgemuths „Weigenleed“ (1959) und Willem Täppers „Noch eenmol te Hus“ (1897) geben Beispiele für eine allerdings schon damals romantisierende Sprachverwendung. Aber mit der von Friedrich Schultz und Christoph Landschütz verschriftlichten Sage vom 1529 von einem Schmied erschlagenen Jost von Strünkede, „De dulle Joest“ (1831), liegt ein Gedicht aus einer Zeit vor, in der das Plattdeutsche noch die gängige Umgangssprache darstellte.
Eine Anmerkung zur Textgestalt: Alle in „Grün ist das Schwarze“ versammelten Texte werden in ihrer originalen Orthographie wiedergegeben. Auch der nach einigen Überschriften auftretende Punkt entspricht den zeitgenössischen Konventionen. (aus dem Nachwort von Joachim Wittkowski)


Joachim Wittkowski, Germanist und Lehrer; lebt und arbeitet im Ruhrgebiet; Lehrbeauftragter am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum; Veröffentlichungen zur Literatur im Ruhrgebiet u.?a.: (Hg.) Hic, haec, hoc. Der Lehrer hat ’nen Stock. Schulgeschichten aus dem Ruhrgebiet (Bottrop 2007); (Hg.) Heinrich Kämpchen Lesebuch (Bielefeld 2013); (Hg.) Jürgen von Manger: „Der Abschied“ und andere Stückskes aus dem Nachlass (Bottrop 2013).


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