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E-Book, Deutsch, 268 Seiten

Witte Herrenhaus

Und vergib uns unsere Schuld - Psychothriller
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-946734-57-4
Verlag: edition krimi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Und vergib uns unsere Schuld - Psychothriller

E-Book, Deutsch, 268 Seiten

ISBN: 978-3-946734-57-4
Verlag: edition krimi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sophie, Anfang fünfzig, entflieht dem Alltag im Haus der Tochter und zieht in ein luxuriöses Herrenhaus zu Gleichaltrigen, die einen einträglichen Begleitservice betreiben.

Ihre anfängliche Euphorie bekommt bald einen Dämpfer. Die Arbeit mit den Kunden ist schwieriger als gedacht, ebenso das Zusammenleben in der Villa. Täglich muss sie erleben, wie ihre Mitbewohner sich mit kleinkarierten Intrigen und Gemeinheiten gegenseitig bekämpfen.

Im Laufe der Zeit fühlt sie sich immer mehr beobachtet, bis eines Tages ihr Appartement durchwühlt wird. Fast zu spät erkennt Sophie, dass sie in das Visier eines religiös-fanatischen Serienkillers geraten ist, der die Bewohnerinnen für ihren vermeintlich unzüchtigen Lebenswandel bestraft.

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3. Kapitel
Robert Thieme lief durch die Halle und stellte den Kasten mit dem Mineralwasser in der Küche ab. Auf der Treppe hörte er Schritte. Er schlich in den Flur und spähte um die Ecke. Da sah er sie, wie sie gerade das Haus verließ: die neue Mieterin. Vor einigen Tagen war sie in das freie Apartment eingezogen. Hinter der Hecke verborgen hatte er beobachtet, wie ihre Möbel ausgeladen wurden. Alles antike Stücke, soweit er sie beurteilen konnte, sehr edel. Sie hatte in der Einfahrt gestanden und den Packern Anweisungen gegeben. Robert hastete zum Tor und sah ihr nach. Die Frau sah anständig und solide aus in ihrem grauen Hosenanzug, der hochgeschlossenen weißen Bluse und den akkurat geschnittenen, schulterlangen blonden Haaren. Dazu völlig ungeschminkt – soweit er aus der Entfernung beurteilen konnte. Er würde sie Lady nennen, obwohl er ja inzwischen ihren richtigen Namen kannte. Lady passte genau. Kein Vergleich mit dem rothaarigen, bunt angezogenen Flittchen, dieser Edith, die neben ihr wohnte. Immerzu kicherte sie, als sei das Leben ein einziger Spaß. Albernes Weibsbild. Auf die hatte er keinen Einfluss mehr, für die war es zu spät, gerettet zu werden. Das Gleiche galt für die beiden anderen aufgetakelten Damen, die hinternwackelnd durch das Haus stöckelten. Auch die Männer interessierten ihn nur am Rande. Jedes Mal, wenn sie sich näherten, erkannte man sie am Geruch ihres Rasierwassers. Es trieb einem fast die Tränen in die Augen. Aber das konnte er ihnen natürlich nicht als Sünde anrechnen. Der Vater von Dorothea Höfner hatte, so erzählte der Briefträger, schon immer Zimmer vermietet. Aber die jetzigen Bewohner waren nicht nur zahlende Mieter. Das spürte er deutlich. Sie waren auf eine andere Weise miteinander verbunden, die er nicht durchschaute. Aber er würde noch dahinterkommen. Jetzt stieg die Lady in ihren kleinen roten Audi, bog um die Ecke und entzog sich seinen Blicken. Sie wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. Manchmal fehlte ihm jemand zum Reden. Er wünschte, sie kämen miteinander ins Gespräch. Dabei dachte er an alltägliche Dinge wie Gesundheit, Gartenpflege oder Kochrezepte. Und wenn sie sich besser kannten, könnte er auf das zu sprechen kommen, was ihm am Herzen lag. Er würde behutsam versuchen, die Lady von einer gottgefälligen Lebensführung zu überzeugen, um sie vor allem Schlechten und Verderblichen zu bewahren. Auf keinen Fall sollte sie sich vom Benehmen der anderen Hausbewohner beeinflussen lassen und so oberflächlich, überheblich und sündhaft werden wie diese. Er lief zum hinteren Teil des Hauses und setzte sich auf die Holzbank neben der Tür zu seiner Wohnung. Bilder gingen ihm durch den Kopf, wie die Lady ihn hier in seinem Reich besuchte. Er würde den Gartentisch festlich decken mit dem guten Geschirr und den bestickten Servietten von Mutter. Aus der Küche käme der verführerische Duft von Gebackenem. Dann würde er unter ihren bewundernden Blicken seinen unnachahmlichen Apfelkuchen servieren. Köstlich die Torte. Allein wie sie duftet. Mein Lieblingskuchen. Nein! Sie haben ihn selbst gebacken? Unglaublich, was Sie alles können! Vielleicht hatte er Glück und begegnete der Lady auf der Straße, wenn sie zurückkehrte. Der Vorgarten war ideal, um unauffällig zu beobachten, wer ins Haus kam, während er seine Arbeit machte. Sein Blick fiel auf den Rechen neben der Bank. Er stand auf, nahm den Rechen und lief den Kiesweg entlang zum Tor. Das Unkraut zwischen den Kieseln musste auch gezupft werden. Das wollte er gleich erledigen. Er holte seine Gartenhandschuhe und einen Plastikeimer und begann mit der Arbeit. Da hörte er jemanden rufen. Thieme trat hinter den Buchsbaumbüschen hervor und erspähte einen Mann am Tor. Der Mann war etwa Anfang vierzig, groß, das schwarze Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er rüttelte jetzt am Tor. »Hallo, können Sie mal aufmachen?« »Wer sind Sie denn bitte?« »Mein Name ist Höfner. Nun machen Sie schon. Hab geklingelt, aber niemand meldet sich.« »Dann wird auch niemand da sein«, brummelte Robert. »Zu wem wollen Sie denn?« »Zu meiner Schwester Dorothea Höfner.« Robert Thieme zuckte leicht zusammen und musterte den Mann. Von einem Bruder der Höfner hatte er bisher nichts gehört. Bei genauerem Hinsehen war eine entfernte Familienähnlichkeit erkennbar. Aber seine Kleidung machte einen etwas heruntergekommenen Eindruck, was man von der Schwester wirklich nicht behaupten konnte. Und so jemand wollte ihm Anweisungen geben. »Ich kann Sie nicht einfach so hereinlassen, wenn Frau Höfner nicht da ist. Vormittags oder am frühen Abend ist sie meist anzutreffen.« Der Mann sah ihn finster an, blieb unschlüssig vor dem Tor stehen. Was der wohl wollte? Robert wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Kurze Zeit später, als er zum Tor rüber sah, war der Mann verschwunden. Thieme lief mit dem Rechen in der Hand auf die Straße. Dort war weit und breit niemand zu sehen. Er begann zu harken. Besonders sorgfältig bearbeitete er das schmale Rasenstück am Zaun entlang vor dem Grundstück. Er ruhte nicht, bis er auch das letzte Blatt vom Gehweg entfernt hatte. Schließlich stopfte er das gesamte Laub in einen Plastiksack. Ein BMW hielt am Bürgersteig und der kleine drahtige Mann, der hier wohnte, stieg aus und steuerte mit der Sporttasche in der Hand auf das Haus zu. Wie hieß er noch gleich? Gelegentlich entfielen ihm die Namen. Richtig, Hans Engler. »Guten Tag, Herr Thieme.« Robert nickte ihm zu und sah ihm hinterher, wie er die Haustür aufschloss. Es hatte keinen Sinn, länger auf die Lady zu warten, in absehbarer Zeit würde sie wohl nicht zurückkommen. Vermutlich war sie zu einem Einkaufsbummel in der Stadt unterwegs. Er ließ die Schultern hängen und zog das Tor hinter sich zu. Frustriert kickte er eine Kastanie, die auf dem Weg lag, auf die Wiese. »Herr Thieme?« War das Wunschdenken oder hörte er tatsächlich die Stimme der Lady? Er drehte sich überrascht um. Sie stand draußen am Gartentor, neben ihr auf dem Boden mehrere Einkaufstüten. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Er ließ den Rechen fallen, eilte zum Tor und trug die Tüten zur Haustür. »Danke. Sie sind ein Gentleman.« Sie lächelte ihn an, was ihm die Röte ins Gesicht trieb. »Bei der Gelegenheit wollte ich Sie fragen, ob ich meine Umzugskartons in den Keller stellen kann.« »Selbstverständlich. Wenn sie wollen, erledigen wir das gleich. Ich helfe Ihnen.« Er beglückwünschte sich innerlich, dass es ihm gelungen war, so unbefangen mit einer Frau zu reden. Noch dazu mit einer wirklichen Dame. Er machte Fortschritte. Als er noch im Büro angestellt gewesen war, war es ihm kaum gelungen, ohne längere Pausen oder Stotteranfälle mit einer Frau einen Satz zu wechseln. Er folgte ihr die Treppe hinauf und blieb vor der Tür ihres Apartments stehen. »Kommen Sie bitte rein«, sagte Sophie Graefe mit einer einladenden Geste. Thieme ließ seinen Blick über die hellen, antiken Möbel, den Rosenstrauß in der weißen Bodenvase und die modernen Bilder an den Wänden gleiten. Von Kunst oder Antiquitäten hatte er keine Ahnung, aber die Einrichtung gefiel ihm. Das war völlig anders, als die klobigen Möbel und die düsteren Landschaftsbilder im Haus seiner Mutter. »Sie haben es schön hier«, sagte er spontan. »Das ist überhaupt das schönste Zimmer im Haus. Es hat so viel … Harmonie.« »Danke.« Die Lady lächelte, was ihn wieder erröten ließ. Gemeinsam trugen sie die zusammengefalteten Kartons die Treppe hinunter. Sophie folgte ihm bis hinter das Haus und lehnte die Pappen an die Wand neben der Kellertür. Eine Buchsbaumhecke teilte den Platz vor dem Kellereingang von dem Rest des Gartens ab. »Das haben Sie hier alles wunderbar angelegt. Sie verstehen etwas von Pflanzen«, sagte die Lady mit Bewunderung in der Stimme. Thieme spürte, wie er erstarrte. Ihr Kompliment brachte ihn vollständig aus dem Konzept. Er war es nicht gewohnt, dass ihn jemand lobte. »Das hier ist mein Gemüse- und Kräutergarten.« Er wollte ihr erzählen, für welche Gerichte er die Kräuter verwendete. Auch etwas über die aufwändige Pflege seiner üppigen Blumenpracht. Er räusperte sich, die Stimme versagte ihm und er brachte nur ein Krächzen hervor. Seine Lippen waren wie zugeschweißt, sein Hirn eine Wüste. Kein einziges Wort fiel ihm ein, das er hätte sagen können. Robert Thieme spürte, wie sein Gesicht völlig starr wurde. Das Gefühl, von einer dicken Glaskugel umgeben zu sein, die ihn von der Außenwelt trennte, beherrschte ihn...


Gisela Witte wurde in Zittau geboren. Sie ist gelernte Buchhändlerin und war als Galeristin tätig. Lange Auslandsaufenthalte führten sie nach England, Frankreich, in die Schweiz, die USA und nach Indien. Heute arbeitet sie als freie Autorin in Berlin.



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