Erotischer Thriller
E-Book, Deutsch, 380 Seiten
ISBN: 978-3-7460-2248-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eva Winter lebt als Fotografin und Autorin mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt am Main.
Autoren/Hrsg.
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1 "Ohne Nummer kein Sprit", lächelte der Mann an der Kasse. Zum ersten Mal nahm Hanna ihn bewusst wahr, dabei tankte sie hier schon seit über einem Jahr. Er saß lässig auf dem Barhocker hinter der Theke, vielleicht ein wenig älter und mindestens einen Kopf größer als sie, ein südländischer Typ – Italiener, Spanier, Grieche – das grüne Einheitssweatshirt der Mineralölkette hatte er in die Armbeugen geschoben. Hinter seinen Beinen gluckerte ein Heizkörper, der Benzingestank und den Duft frischer Brötchen geschäftig durch den kleinen Raum pustete. Vor der Scheibe tanzten die ersten Schneeflocken des Jahres, aber hier drin war es angenehm warm. Der Mann grinste immer noch. Sie versuchte sich auf ihre Kreditkarte zu konzentrieren, aber an die verdammte Geheimzahl wollte sie sich einfach nicht erinnern. "Nur Mut, erst beim dritten Mal macht das Schätzchen nicht mehr mit". Sanft aber bestimmt pochte er mit den Fingern auf das Eingabegerät, so dass mehrere Silberringe unterschiedlicher Breite ein ungeduldiges Klacken von sich gaben, obwohl sonst niemand im Laden war, der hätte warten müssen. Die Uhr über dem Zigarettenregal zeigte kurz nach sieben und Hanna beneidete alle Menschen, die jetzt noch in ihren Betten lagen und sich keine dummen Sprüche anhören mussten. Sie schaute hoch und rang sich ein schiefes Lächeln ab. Er musterte sie ungeniert. Als das Lesegerät den letzten Fehlversuch mit einem feinen Klingelton quittierte, zog er die Augenbrauen zusammen und hielt ihr das Display vors Gesicht, auf dem nun zu lesen war, dass die Karte aus Sicherheitsgründen gesperrt sei. "Pech im Spiel, Glück in der Liebe" – jetzt lachte er und fügte dann sehr ernsthaft hinzu: "Nun muss ich sie leider hierbehalten!" Es war unklar, ob sich sein vermeintlicher Scherz auf die Karte oder Hanna selbst bezog und damit einen Flirt einleiten sollte. Ein Blick auf ihr Portemonnaie reichte: Sie hatte nicht ausreichend Bargeld dabei, um sich freizukaufen. "Könnte ich vielleicht meinen Ausweis als Pfand hierlassen?", fragte sie zögerlich, legte den Kopf schief und drehte eine Haarsträhne um den Finger. "Ich komme heute Nachmittag auch ganz bestimmt wieder und löse ihn aus. Aber jetzt muss ich wirklich ganz schnell zur Schule!" Kurz schien er irritiert, dann beugte er sich nach vorne: "Was wird denn Schönes gelernt?" Um ihrer Eile Nachdruck zu verleihen, schob sie den Ausweis über den Tresen und steckte die unnütze Karte zurück in die Börse. Sie schaute kurz auf: "Ich bin nur die, die die Kinder quält." Dann steckte sie die Börse zurück in die Tasche. Er nahm den Ausweis, prüfte erst sie und dann ihr Bild: "Oha! Eine Lehrerin." Es hörte sich an wie eine ansteckende Krankheit oder der Titel eines drittklassigen Pornos. Die Heizung hatte sich verschluckt und machte nun eine kurze Pause, bevor sie die Arbeit umso lauter wieder aufnahm. Hanna trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und musste abwarten, wie der Kerl das Verkünden seiner längst schon getroffenen Entscheidung unter umständlichem Drehen und Wenden des Ausweises unnötig hinausschob. Plötzlich erhob er sich und ließ das Stück Plastik kommentarlos in der Gesäßtasche seiner Jeans verschwinden. Dabei klopfte er sich sehr zufrieden auf die entsprechende Pobacke. "Super, vielen Dank!", drehte sich Hanna erleichtert um und war bereits im Gehen. Hinter sich hörte sie ihn schon wieder auf der Kasse tippen und beiläufig sagen: "Also, Fräulein Johanna, wir sehen uns – ich habe ja die Adresse." Die Fahrt zur Schule zog sich unendlich hin. Den Streudienst hatte sie überholt, und nun waren manche Stellen auf der Autobahn noch eisesglatt, was ihre volle Aufmerksamkeit verlangte. Die erforderliche Tagesplanänderung störte. Eigentlich wollte sie an diesem Nachmittag die längst überfällige Korrektur der Diktate angehen. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen schleppte sie keine Arbeit mit in die Ferien, wenn sich diese vorher nicht mit ein wenig Disziplin erledigen ließ. Kurz überlegte sie, gleich morgen früh das Geld am Automaten abzuheben und erst dann zur Tankstelle zu fahren, bis ihr aufging, dass man dafür eine Kreditkarte mit gültiger Nummer brauchte! Sie musste also zur Bank. Verärgert presste sie die Lippen aufeinander, sah ihr verkniffenes Gesicht im Rückspiegel und bedachte den Benzinmann dabei mit bösen Namen. Angesichts seines Nachsatzes hielt sie es durchaus für möglich, dass er am Abend unangemeldet vor ihrer Tür stehen würde, um die Schulden auf seine Weise einzutreiben. Gewöhnlich nutzte sie die vierzig Minuten Schulweg, um in Gedanken nochmal ihre Stunden durchzugehen - heute kam sie nicht nur zu spät, sondern auch ganz und gar unvorbereitet. Ihre Klasse war erstaunt, freute sich aber, heute noch keine Noten zu erfahren und damit der ganzen Familie die Weihnachtslaune verderben zu müssen. Die Stillarbeit zu einem nichtssagenden Text aus dem Lesebuch ermöglichte allen Anwesenden einen Rückzug in den eigenen Kopf. Es hätte also doch noch ein ruhiger Vormittag werden können, aber Hannas Anspannung verflog auch in den folgenden Stunden nicht. Verantwortlich dafür machte sie den gehetzten Tagesbeginn, der ihr jedoch erst kurz vor dem Ortseingangsschild wieder einfiel. Die Bankangestellte erläuterte unangenehm ausführlich die Sinnhaftigkeit der Kartensperrung: "Sie glauben gar nicht", dozierte sie, "wie viele Gauner sich genau auf diese Masche spezialisiert haben!" Ihr fliederfarbenes Kostüm warf nicht die kleinste Falte, auch nicht, als sie sich zu Hanna beugte und hinter vorgehaltener Hand flüsterte: "Aber ich habe die Nummer auch schon mal vergessen." Dabei kicherte sie schwesterlich und kniff eines ihre stark getuschten Augen zu. Mit unendlicher Langsamkeit füllte sie die Formulare aus und stöckelte damit in den Nebenraum, um Hannas Anliegen vom Filialleiter absegnen zu lassen. Ob das lila Fräulein wegen mangelnder Kompetenz dazu nicht autorisiert war oder sich ihr Vorgesetzter einfach nur an ihrem Hintern ergötzte, wenn sie vom Schalter zu seinem Schreibtisch wackelte, war schwer zu entscheiden. Die Blicke beider Personen ließen die eine wie die andere Deutung zu. Während Hanna den Antrag für die Zusendung einer neuen Geheimnummer unterschrieb, tippte die Angestellte die gewünschte Barauszahlung mit einem Kuli ein – die langen Nägel verhinderten die ursprünglich angedachte Bedienung der Tastatur – und überreichte Hanna endlich den Umschlag mit dem Geld für die Begleichung der Rechnung. "Aber dieses Mal schön merken!", gab sie ihr mit auf den Weg und erhob den Zeigefinger. Als Hanna schon grußlos durch die Schiebetür war, rief sie hinterher: "Und trotz des kleinen Missgeschicks bitte nicht Karte und Nummer zusammen aufbewahren! Lieber auswendig lernen, auch wenn's schwerfällt!" "Jaja, schrei' du nur", dachte Hanna, als sie den Wagen aufsperrte. Jetzt kam sie genau rechtzeitig zum Feierabendbetrieb, der das Ladengeschäft der Tankstelle aus allen Nähten platzen ließ. Die grellgrüne Leuchtreklame erhellte den Himmel und schob sich zwischen den Tanksäulen hindurch bis zu der Schlange vor der Kasse, in die sich Hanna einreihte. Ihre Wartezeit überbrückte sie mit prüfenden Blicken auf ihr Spiegelbild im Schaufenster. Sie meinte eine Laufmasche zu entdecken, oberhalb des rechten Knies, was sie mindestens genauso empörte wie die dürre Blondine, die nun plötzlich an der Kasse saß. "Ich möchte gerne meine ausstehende Rechnung bezahlen. Ihr Kollege von heute Morgen weiß Bescheid", begann Hanna, wurde aber sofort unterbrochen: "Das is' kein Kollege, das is' der Chef", gab das Mädchen in monotoner Piepsstimme von sich. "Also dann der Chef", versuchte es Hanna von neuem. "Kann ich ihn sprechen?" "Is' nich' da", erwiderte Hannas kaum volljähriges Gegenüber sichtlich gelangweilt. Auf ihrem Namensschild stand in runder Kinderschrift 'Yasemine'. Der i-Punkt war ein Herzchen. "Wann kommt er denn wieder?", fragte Hanna bemüht freundlich, um endlich eine sinnvolle Information aus dem Mädchen zu locken. Yasemine schaute mahnend auf die Leute in der Schlange, tat aber auch nichts, um die Angelegenheit zu beschleunigen: "Das weiß ich nich' so genau." Sie rollte einen rosa Kaugummi gut sichtbar aus der einen Backe in die andere und zupfte Spliss von ihren Extensions. "Könnten Sie ihm dann vielleicht etwas ausrichten von der Frau, deren Geldkarte heute Morgen nicht mehr funktionierte?" "Schon gut. Ich brauch' keinen Roman", wehrte Yasemine überraschend energisch ab und erhob die Hand, "sag' doch gleich, dass du die Pfandgeschichte bist." Träge rutschte sie vom Hocker, bückte sich unter die Theke, so dass ihr schwarzer Haaransatz zu sehen war, und kam mit einer Zigarillokiste wieder zum Vorschein. Sie nestelte an dem Verschluss, zog Hannas Ausweis mit spitzen Fingern hervor und ließ ihn samt Kassenbon auf die Theke fallen. Wieder im Auto fühlte sich Hanna betrogen. Im Schein der Laternen glitzerte der Raureif auf den Straßen. Sie umklammerte das Lenkrad und betrachtete ihre kurz geschnittenen Nägel....