Teams stärken für gemeinsamen unternehmerischen Erfolg
E-Book, Deutsch, 180 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-7910-6155-9
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Katrin Winkler ist Professorin für Personalmanagement, Personalentwicklung und Wissensmanagement und lehrt an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten Personalführung, Personalmanagement, Talentmanagement, Wissens- und Changemanagement. Sie studierte pädagogische Psychologie an der LMU München und war Leiterin der globalen Personal- und Organisationsentwicklung in einem Unternehmen. Neben ihrer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied verbindet sie ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit mit zahlreichen Beratungs- und Praxisprojekten im Bereich der Digitalisierung und Führung. Zudem leitet sie das Institut für digitale Transformation in Arbeit, Bildung und Gesellschaft (IDT) sowie den dortigen Arbeitsbereich 'Zusammenarbeit und Führung in einer sich verändernden Welt' der Hochschule Kempten. Als Leiterin der Kempten Business School (KBS) beschäftigt sie sich mit den Themen der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens. Ausführliche Informationen finden sich auf der Webseite des Instituts unter hs-kempten.de/idt.
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1.3 Herausforderungen der Pflege und des Erhalts der mentalen Gesundheit
Mit einem Bewusstsein, das nun bereits für die zentrale Bedeutung der Auseinandersetzung mit dem Thema der mentalen Gesundheit von Teams in allen Formen geschaffen werden konnte, ist der Ausgangspunkt für die weitere Überlegung gezielter Maßnahmen zur Förderung der Teamgesundheit geschaffen. Dazu fokussiert dieser Abschnitt zunächst auf wichtige Herausforderungen, die sich hier als Hemmnisse und Schwierigkeiten für die Etablierung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen darstellen können. Unter entsprechenden Herausforderungen wird dabei zugleich thematisiert, wie auch veränderte Teamstrukturen und neue Formen der Zusammenarbeit als Treiber für externe Herausforderungen gesehen werden können.
1.3.1 Mangelndes Bewusstsein und fehlende Maßnahmen für mentale Gesundheit im Unternehmen
Als wesentliche, intern gelagerte Herausforderung in der gezielten Förderung und Pflege von Teamgesundheit im Unternehmen herrscht ein immer noch sehr geringes Bewusstsein für dieses Thema.
»Was wir immer wieder merken, ist, dass es grundsätzlich eine Herausforderung ist, dass mentale Gesundheit an sich noch nicht so ein Konzept ist, was für jeden deutlich ist.«
Katharina Koch, Head of Psychology bei nilo.health
Es gilt deshalb zunächst einmal, Akzeptanz für das Thema mentale (Team-)Gesundheit zu schaffen. Dazu gehört auch, deren Bedeutung allen Mitarbeiter:innen begreiflich zu machen. Erschwerend macht sich hier bemerkbar, dass das Thema mentaler Krankheiten immer noch sehr stark tabuisiert ist. Dies behindert den offenen Diskurs darüber.
Im Hinblick auf Interessenskonflikte, die sich aus der Notwendigkeit einer Priorisierung ergeben, verdeutlicht die folgende Aussage des Experten Daniel Otten, wie sich im Spannungsverhältnis zwischen Auftraggeber:innen und Organisation oft der Druck von außen als ausschlaggebend erweist.
»Basierend auf meinen Erfahrungen: Am Ende gewinnen immer die Deadlines, wenn irgendetwas fertig sein muss, und meist leidet darunter die Teamgesundheit.«
Daniel Otten, BTC AG, Senior Project Leader
Abschließend besteht eine der zentralen Herausforderungen nicht zuletzt darin, die Bedeutung des Themas mentale Teamgesundheit anzuerkennen und dem auch konkrete Maßnahmen und gezieltes Handeln folgen zu lassen. Im Zusammenhang mit dieser Herausforderung, auch in der Beantwortung der Frage, wie Teamgesundheit letztlich auch aktiv gelebt wird, besteht ein weiteres Hemmnis augenscheinlich darin, über die Schaffung eines entsprechenden Angebotes hinaus auch eine Verantwortung als Unternehmen zu erkennen, dafür Sorge zu tragen, dass Mitarbeiter:innen dieses auch wahr und ernst nehmen, und in diesem Zusammenhang gegebenenfalls bestimmte Dinge auch bewusst einzufordern.
1.3.2 Neue Ansätze in der Teamzusammenarbeit
In einer Zeit, in der Veränderung die Norm ist, gilt es, auch unsere Vorstellungen von Zusammenarbeit und Teamdynamik zu überdenken. In der Vergangenheit war ein Team eine stabile Einheit mit klaren Grenzen, in der alle wissen, wer dazugehört, und in der man über einen längeren Zeitraum zusammenbleibt. Diese Teams ermöglichten ihren Mitgliedern Identifikation, gemeinsames Wachstum und eine Entwicklung als Einheit. Die heutige Realität dagegen sieht anders aus. Vor allem prominente Ansätze agiler Projektarbeit – insbesondere in der Softwareentwicklung relevant, aber zunehmend auch in anderen Branchen – betonen die Relevanz der gesteigerten Selbstorganisation von Teams, die maßgebliche Effizienz- und Effektivitätsvorteile gegenüber klassischen Projektmanagementansätzen forcieren (Neumer/Nicklich 2021). Teamarbeit und Teamstrukturen haben sich verändert, sie können als Kooperationszusammenhang verstanden werden, der in Präsenz, hybrid oder virtuell stattfindet. In diesem Zusammenhang erlangen neben internen Herausforderungen, wie sie zuvor in einem noch sehr geringen Bewusstsein für das Thema Teamgesundheit hervorgehoben wurden, auch externe Einflüsse auf die Teamgesundheit eine immer größere Bedeutung und spielen eine zentrale Rolle.
»Ich sehe drei große Herausforderungen im Kontext moderner Teamarbeit: multiple Teammitgliedschaften, also die Arbeit in mehr als einem Team gleichzeitig, fluide Teammitgliedschaften, sprich die häufige Veränderung der Teamzusammensetzung, und abschließend virtuelle oder hybride Teamarbeit.«
Stefan Berger, Uni Groningen, Assistant Professor
Neue Formen der Zusammenarbeit in virtuellen und hybriden Teams
Arbeitnehmer:innen erleben sich einander als Team in der hybriden Zusammenarbeit meist »nur zweidimensional«, also lediglich am Bildschirm. Daraus ergeben sich besondere Herausforderungen für das Thema der Teamgesundheit. Die Form der Arbeit bedingt, dass die Intuition bei der gegenseitigen Wahrnehmung komplett außen vor bleibt und es so beispielsweise viel leichter ist, Gewichtsverlust, Blässe, Gereiztheit oder schlechte Laune in ein paar virtuellen Meetings zu verbergen, als in acht Stunden im Büro am Arbeitsplatz. Auch häufige Besuche bei Ärzt:innen oder Therapeut:innen fallen weniger auf. Zugleich kann man sich im Homeoffice leichter der Teamkommunikation entziehen und Teamkonflikte viel einfacher unter den Teppich kehren. Es ist also ein umso genaueres Hinsehen, Wahrnehmen und »Spüren« des Gesundheitszustandes vonnöten. Dies gilt bezogen auf das einzelne Teammitglied, aber auch auf das Team als Ganzes. (HAUFE.TALENT 2022b).
In der virtuellen Teamarbeit ergeben sich durch die standortunabhängige Zusammenarbeit der Beschäftigten und die dadurch eingeschränkte Möglichkeit zur Beurteilung von Leistung, Belastungsgrad und Arbeitszufriedenheit spezifische Anforderungen an eine gesundheitsorientierte Führung (Kordsmeyer et al. 2020). In konkreten Zahlen zeigt sich dies auch in den Ergebnissen der Studie »Hybrid Work Compass« (Berger et al. 2021), in der 60?% der über 150 befragten Führungskräfte und HR-Fachleute zustimmten, dass die Gewährleistung mentaler Gesundheit eine zentrale Herausforderung bei hybriden Arbeitsmodellen darstellt.
Soziale Isolation in fluiden Teams
Als wesentliche Herausforderung für die Teamgesundheit spielt ein Gefühl sozialer Isolation, das Forschungsergebnissen zufolge bei Individuen auftritt, die kontinuierlich von Team zu Team wechseln müssen, auch in der abschließenden Betrachtung fluider Teams eine zentrale Rolle. Dies wird nicht zuletzt in wesentlichen Gründen für die Dysfunktionalität fluider Teams erkennbar und unterstrichen, die mit einem reduzierten Zugehörigkeitsgefühl (aufgrund geringen individuellen Engagements und geringer Kohäsion der Teammitglieder) sowie mit einer reduzierten Effektivität der Teams (aufgrund des Verlustes individuellen Wissens und eines Mangels an gemeinsamen mentalen Modellen) wahrgenommen werden (vgl. hierzu auch Bedwell et al. 2012). (Neumer/Nicklich 2021)
Der ständige Wechsel von Teams erfordert nicht nur eine gute Anpassungsfähigkeit der Mitarbeitenden, sondern wirkt sich auch auf das Zu(sammen)gehörigkeitsgefühl aus. Die Forschung zeigt hier, dass ein ständiger Wechsel von Team zu Team über einen längeren Zeitraum dazu führen kann, dass sich die einzelne Person zunehmend isoliert fühlt. Das Gefühl, sich nicht in einem Team verankern zu können, kann zu einem Mangel an Vertrautheit und emotionaler Unterstützung führen, was wiederum die Teamgesundheit und die individuelle Leistung beeinträchtigen kann.
Im Kontext fluider Teams stellt der Aufbau substanzieller Beziehungen eine zentrale Herausforderung dar.
»Individuen, die in fluiden Team-Settings agieren und somit kontinuierlich neue Kontakte knüpfen und ein facettenreiches Netzwerk entwickeln, sehen sich paradoxerweise einer schleichenden Isolation gegenüber. Ihre sozialen Verbindungen tendieren dazu, oberflächlich und funktional zu sein. Sie dienen vorrangig dem Austausch von Wissen und wertvollen Ressourcen. Dies wiederum hat zur Folge, dass das, was in der Netzwerkforschung gerne als ›Expressive ties‹ bezeichnet wird, nach und nach verloren geht: emotional wertvolle Beziehungen, Freundschaften am Arbeitsplatz und wichtige Identifikationspunkte. Diese komplexe Thematik präsentiert zweifellos eine bedeutsame Herausforderung, die es zu meistern gilt und über die wir aktuell noch nicht ausreichend wissen.«
Stefan Berger, Assistant Professor, Universität Groningen
In der für die wissenschaftliche Fundierung dieses Buches durchgeführten Online-Umfrage konnten schließlich wesentliche der zuvor genannten Aspekte als wichtige wahrgenommene Herausforderungen für die Erhaltung und Förderung der Teamgesundheit in den Unternehmen der Teilnehmenden bestätigt werden. Insbesondere die Arbeitsbelastung und der Stress wurden mit 31 Nennungen unter den Befragten mit Führungsverantwortung als entscheidende Faktoren identifiziert. Mit der zweithäufigsten Anzahl von 20 Nennungen unter den befragten Führungskräften werden weiterhin Kommunikationsprobleme als wesentliche Herausforderung wahrgenommen. Dies wird gleichzeitig durch eine entsprechende Wahrnehmung der teilnehmenden Personen ohne Führungsverantwortung bekräftigt, unter welchen Kommunikationsprobleme zusammen mit dem Thema Zusammenarbeit mit 24 Nennungen die am häufigsten genannte Herausforderung aus der persönlichen Erfahrung in ihren Teams zur Erhaltung und Förderung der Teamgesundheit/positiven Teamdynamik darstellen. Mit 18 Nennungen ist aus den Antworten der befragten Personen mit Führungsverantwortung zudem eine wahrgenommene Herausforderung in Bezug auf...