William / Hummel / Huschka | Rätselhafte Orte | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 308 Seiten

William / Hummel / Huschka Rätselhafte Orte


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98528-015-5
Verlag: Shadodex - Verlag der Schatten
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 308 Seiten

ISBN: 978-3-98528-015-5
Verlag: Shadodex - Verlag der Schatten
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Verlassen liegen sie da.
Niemand hat sie seit Jahren betreten.

Es gibt sie in fast jedem Ort: alte, schon lange leer stehende Gebäude – verfallen, abbruchreif, die Fassade bröckelt, die Fenster sind blind oder gar gesplittert. Niemand wagt sich mehr hinein.
Doch warum wurden diese Orte verlassen?
Welche Geschichten erzählt man sich hinter vorgehaltener Hand darüber?
Und wieso werden manche dieser Gebäude sogar gemieden?
Was ist dort geschehen?

Neugierig geworden?
Dann folgt uns einfach und betretet die besagten Hotels, Flughäfen, Läden, Kirchen, Industrieruinen, Gartenhäuschen, Altenheime, Gewächshäuser, Bahnhöfe oder Apartments. Lasst euch überraschen, welche Mysterien die Geschichten jeweils aufdecken werden.

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Villa Runghold und der Strandkorb 666 © Surfin’ William
    An keinem Ort dieser Welt gibt es mehr leer stehende Häuser als auf Sylt! Die Lieblingsferieninsel der Deutschen. Residenz der Schönen und Reichen. Tagsüber herrscht reges Treiben in den Straßen. Der Strand ist an seinen Hotspots – teutonisch üblich – überfüllt, doch am Abend sind fast alle Fenster unbeleuchtet, tot und leer. Sylt ist eine Geisterstadt, vor allem nach Mitternacht, ein Patient im Wachkoma! Die wenigen hier noch lebenden Insulaner blicken die meiste Zeit des Jahres auf luxuriöse Anwesen, Pensionen, Ferienwohnungen, größere oder kleinere Hotels, die nur wenige Wochen im Jahr wirklich bewohnt werden; denn diese paar Tage Saison bringen mehr Geld als jede Vermietung. Wodurch Wohnraum unbezahlbar wird und jede Immobilie auf der Insel einen absurden Wert in mehrfacher Millionenhöhe erreicht. Geschwister, die ihr Elternhaus erben, können sich zu Lebzeiten nicht mehr auszahlen. Es bleiben nur die Möglichkeiten, es – im günstigsten Fall – selbst zu nutzen, ein Feriendomizil daraus zu gestalten oder es zu verkaufen. Aus Familien werden Erbengemeinschaften, die über ihre Anwälte kommunizieren, und an so manchem einst prächtigen Anwesen nagt dadurch der Zahn der Zeit, während sich Mammon wortwörtlich ins Fäustchen lacht. Andernorts werden solche Immobilien, je länger sie verwaisen, zu Spukhäusern, um die sich die Mythen wie der wild wuchernde Efeu an ihrer Fassade ranken. Hier auf Sylt sind es die Personalwohnungen; in denen diejenigen leben, die wie meine Wenigkeit für die Schönen und Reichen arbeiten.   Vor nicht allzu langer Zeit wohnte ich dort in einer abbruchreifen Bäderstil-Villa der Gründerzeit. Die Villa Runghold. Ein ehemals gut laufendes Hotel direkt am Strand, das seine Türen vor etlichen Jahren – aus mir unbekannten Gründen – schloss und dem Verfall preisgegeben wurde. Wo einst rauschende Feste stattfanden, ließ jetzt das Personal die Champagnerkorken nach Feierabend knallen, während die Ratten durchs Zimmer huschten. Ein Leben zwischen Armut und Dekadenz im Schatten der oberen Zehntausend. Der größte und am besten erhaltene Teil der Villa im Eingangsbereich wurde von einem Sylter Einrichtungshaus als Lager für Deko-Artikel und Designermöbel genutzt, wodurch wir uns die einst herrschaftlichen Räume in der darüber gelegenen einstigen Beletage wieder recht elegant einrichten konnten; mit Kissen für fünfhundert Euro, die den Schimmelfleck an der Wand verdeckten. Doch wenn der letzte Champagnerkorken seine Flasche verlassen hatte, wurde es unglaublich ruhig. Totenstill! Lediglich das Rauschen der Brandung war zu hören sowie die eine oder andere vereinzelt schreiende Möwe, oder war es eine Kollegin, die ebenfalls mitten in der Nacht keine Ruhe finden konnte? Genau in jenen stillen Momenten meinte man ein Rumpeln zu vernehmen, das aber im Rauschen der Brandung und des Windes verschwamm. Nur bei sehr genauem Hineinlauschen in die Dunkelheit, wenn man seinen Atem anhielt und selbst der eigene Herzschlag zu laut war, schienen diese Geräusche aus dem Keller zu kommen. Jeder von uns, der hier wohnte, wusste wahrscheinlich davon, aber niemand sprach darüber. Bis eines Abends – an dem wir alle in der verwitterten Loggia zusammensaßen – in einem dieser absolut stillen Momente jene Geräusche zu vernehmen waren, die eindeutig aus dem Keller zu uns drangen. Dort hinunter führte, hinter der verstaubten Rezeption im Eingangsbereich, eine alte, verrostete Wendeltreppe, an deren Fuß sich eine Bunkertür mit einem Hakenkreuz darauf befand. Zu unserer größten Verwunderung war sie nicht verschlossen, aber was wir dahinter vorfanden, übertraf unsere kühnsten Vorstellungen. Ein feuchter, marode riechender Luftschutzkeller aus dem Zweiten Weltkrieg. Von den Wänden blätterte die Farbe ab und ließ hier und da altdeutsche Schrift und andere Nazi-Runen erkennen. Neben einem Fliegenfänger – der, gemessen an den Insekten, die an ihm klebten, seit dem letzten Luftangriff auf Sylt dort hängen musste – baumelte eine Glühbirne von der Decke. Ihr fahler Schein erhellte die einzelnen durch Maschendraht getrennten Verschläge, in denen ranzige Matratzen vom Sperrmüll lagen. Und dann … kam uns jemand entgegen. Wir waren nicht allein in diesem Haus! Im Keller schliefen die polnischen Saisonkräfte, die für einen der größten Sylter Gastronomiebetriebe arbeiteten.   Tags darauf schlenderte ich mit Lara am Strand entlang nach Westerland. Seit ich auf Sylt lebte, kam sie immer öfter zu Besuch, allein schon weil ihre Kolleginnen vor Neid platzten, wenn sie kokettierte: »Je suis à Sylt!«, und am Wochenende mal wieder kurz auf die Insel fuhr. Es hatte in Hamburg keiner eine Ahnung, in was für einer Bruchbude wir hier hausten, aber von unserer Loggia, mit ihrer vom Winde verwehten Holz-Balustrade ließen sich sensationelle Fotos im Sonnenuntergang machen, und Champagner oder zumindest Champagner-Gläser waren immer vorhanden, was für die ideale Kulisse sorgte, mit der sie ihren Ausflug ins rechte Rampenlicht zu rücken wusste. Lara lachte und fragte: »Wo steht hier eigentlich der Strandkorb 666?« Neben uns war Korb 458, etwas weiter 501. Es ging schon mal in die richtige Richtung. Drei schwarze Chihuahuas stellten sich uns laut kläffend in den Weg. Völlig außer Atem stürzte fluchend eine ältere, gefärbte sowie geliftete Blondine hinterher. Offensichtlich das Frauchen! Die Hunde verstummten mitleidig jaulend und obwohl sie uns mit ihren niedlichen dunklen Knopfaugen anguckten, blieb das Gefühl, unterschwellig ein Knurren zu hören. Ihr Frauchen entschuldigte sich bei uns mit einem aufgesetzten Lächeln, herrschte ihre Hunde an: »Kommt jetzt!«, und zog erhaben weiter. Ich schaute ihr hinterher. »Der Hund, das immer hörige Ersatzkind ohne Widerworte an der Leine oder eben auch der beste Freund!« Lara erwiderte: »Na, wenn das die Anforderungen an einen solchen sind?« Ein wenig weiter, bei Strandkorb 600, hatte ein kleines Mädchen mit Muscheln das Wort »Hoffnung« in den Sand geschrieben, das sogleich von einer Welle davongespült wurde. Wir betraten den FKK-Strand. Dicke Männer mit Brüsten, auf die die geliftete Blondine neidisch gewesen wäre, und … ein auf der Insel als erzkonservativ bekannter Pfarrer standen glotzend bis zum Bauchnabel im Wasser. Im Hintergrund die typische Urlaubs-Klangkulisse aus plärrenden Kindern, genervten Eltern, Jugendlichen, die zu laut Musik hörten, und angriffslustigen Möwen, die den Badegästen das Fischbrötchen im Sturzflug aus der Hand hackten. Ich resümierte: »Der Sylt-Thrill! Erst von Hitchcock ›Die Vögel‹ gucken und sich dann ein Fischbrötchen holen!« Lara ergänzte: »Dafür arbeiten die Leute das ganze Jahr!« Im Korb 659 rieb sich eine adipöse Verwaltungsangestellte die Sonnenmilch zwischen die Fettfalten ihrer Orangenhaut. Ein großer, zottiger Hund kam klatschnass aus dem Meer und schüttelte sich direkt vor ihr aus. Sie schrie: »Pfui Zerberus – Pfui!«, während ein Vater sein weinendes Kind immer wieder ins Wasser trieb und schimpfte: »Mann oder Memme? Du musst jetzt schwimmen lernen!« Der ganze Strand roch nach Sonnenöl und alten Menschen. Lara trällerte: »We’re on the highway to hell!« Wir schauten uns um: Korb 667, Korb 668, Korb 665, Korb 663, aber kein Korb 666! Darum schrieb ich an den Insel-Sylt-Tourismus-Service mit der einfachen Anfrage, wo der Strandkorb 666 stehe und ob er zu reservieren sei? Die Antwort lautete:   »Moin Herr William, die Strandkörbe mit den 600er-Nummern finden Sie im Abschnitt 4.32.5 Brandenburger Strand nördl. Nordhedig. Je nach Verfügbarkeit ist der Korb buchbar. Herzliche Grüße von Sylt Dunja Jansen«   Abermals suchte ich daraufhin diesen Abschnitt auf, an dem ich bereits mit Lara gewesen war. Doch diesmal ging ich direkt zu dem Häuschen der Strandkorbvermietung. Der freundliche, aber schon zur Mittagszeit alkoholisierte ältere Herr durchsuchte wieder und wieder seine Liste. Der Korb 666 stand nicht zur Verfügung. Wahrscheinlich würde er sich zur Reparatur oder Reinigung in einer der Strandkorbhallen befinden.   Am Abend traf ich im »Alt Berlin« meinen alten Surfer-Kumpel Jack O’Neal, der bei »Sylt-Touristik« arbeitete. Ich erzählte ihm scherzhaft vom Korb 666, dass ich ihn gesucht hatte, um darin ein cooles Rockstar-Foto mit meiner Gitarre zu machen oder ein Video aufzunehmen, wo ich einen alten Robert Johnson Blues spielen würde, und heulte laut los: »Me and the devil – Walkin side by side – Uuuuuuuuuuuuuh!« Alle Gäste schauten abrupt zu uns rüber. Jack lächelte peinlich berührt. Ich ließ nicht locker, zu viele Ideen, was man alles im und mit dem Strandkorb 666 machen könne, und summte wieder: »Me and the devil …« Vielleicht lag es an den nicht wenigen Pints of Guiness, die wir bereits getrunken hatten, vielleicht war es aber auch von Jack die Sorge, dass ich wieder laut losheulen würde, und so vertraute er mir mit schwerer, aber dennoch gelöster Zunge das Geheimnis an, dass der Korb 666 seit dem 11.09.2001 unter striktem Verschluss stand. Als an jenem verhängnisvollen Tag die Flugzeuge von Terroristen ins World Trade Center gestürzt wurden, war ein Geschäftsmann an...



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