Willett | Der verborgene Moment | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 301 Seiten

Willett Der verborgene Moment

Roman
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7325-1392-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Roman

E-Book, Deutsch, 301 Seiten

ISBN: 978-3-7325-1392-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Bühnenregisseur Sir Mungo hat sich nach einer erfolgreichen Karriere am Londoner Theater nach Devon zurückgezogen. Umgeben von Familie und guten Freunden will er seinen Lebensabend genießen. Als eine Jugendfreundin zu Besuch kommt, die sich in Liebesdingen Rat bei Sir Mungo holen will, gerät das behagliche Paradies aus den Fugen: Ein wohlgehütetes Geheimnis droht enttarnt zu werden - und eine langjährige Freundschaft wird auf die Probe gestellt ...

Willett Der verborgene Moment jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1. Kapitel
Der alte Herm, der an der Wegkreuzung steht und nach Westen blickt, hütet die Geheimnisse aus tausend Jahren. Einst war er als Merkur oder Hermes bekannt, der kleine Gott der Reisenden, der Umgang mit den anderen Göttern der Wälder und Bäche pflegte. Diese Alten sind jetzt vergessen, und die, die sie an ihren Schreinen verehrt, ihnen Trankopfer dargebracht oder Nahrung geopfert haben, sind lange fort. Aber der alte Herm ist noch da, obwohl sein Sockel von Rissen durchzogen und sein Körper verwittert ist. Immer noch kann jeder, der sich bückt und genau hinsieht, die ausdruckslosen Augen, die leise lächelnden Lippen und den schmalen Bart erkennen, wenn er die Wildblumen und das verdorrte Gras wegschiebt, die Herm wie Rastalocken in die steinerne Stirn hängen. Er wacht über diese uralte Straße und alle, die darauf unterwegs sind. Als Erste tauchen schwanzwedelnd die Hunde an der Biegung auf. Trotz des Weges, der schon hinter ihnen liegt, wirken sie noch eifrig und energiegeladen. Ihr weiß und braun geflecktes Fell ist glatt und glänzend und nass, weil sie im Bach geplanscht haben, und der größere Spaniel trägt einen Ball im Maul. Mungo folgt ihnen langsamer, und hinter ihm tappt seine ältliche Mischlingshündin Mopsa her. Jetzt, im August, scheint die Sonne heiß vom Himmel herab, und Mungo hat sich den Pullover um die Hüften geschlungen und die Ärmel locker verknotet. Kurz bleibt er stehen, reckt sich in der warmen, trockenen Luft und saugt den Duft von frisch gemähtem Gras und Geißblatt ein. Die Spaniels rennen zu ihm zurück. Boz lässt den Ball zu seinen Füßen fallen, und Sam will sich ihn schnappen, aber Mungo ist schneller. Er hebt den Ball auf und wirft ihn, so weit er kann. Sie jagen ihm nach und schubsen und drängeln einander, und er lacht laut, während er sie beobachtet. Wie immer ist er sich der Vergangenheit bewusst, die ihn überall umgibt: der Geister der römischen Soldaten, die zu der lange verschwundenen Festung marschieren; einer Karawane schwer beladener Packpferde, die zum Horse Brook hinabtrottet, wo immer noch die ursprüngliche Steinplattenbrücke aus Granit über den schmalen Wasserlauf führt. Vor langer Zeit, als sein Name begann, in aller Munde zu sein, hatte Mungo als Schauspieler und Regisseur an einem Film mitgewirkt, der in Großbritannien ein Kassenschlager gewesen und zu einem internationalen Erfolg geworden war. Gedreht worden war er hier, in diesem Tal, an dieser Kreuzung, an der Furt am Horse Brook. Das untergegangene hölzerne Kastell war wiederauferstanden, und einmal mehr hatten das Klirren von Schwertern und das Geschrei von Soldaten in der Luft gelegen. Das Kamerateam hatte viele regnerische Stunden damit zugebracht, in Mungos Küche in der seitdem längst umgebauten Schmiede Kaffee zu trinken, während die älteren Schauspieler sich in ihre Wohnwagen auf der Koppel des Gutes zurückgezogen hatten. Isobel Trent hatte neben Mungo als hartem römischem General die Rolle der widerspenstigen Schönheit vom Lande gespielt. Die beiden waren zu Kultfiguren geworden; seine Filme waren immer erfolgreich und ihr Zusammenspiel so magisch. Die Medien hatten sie wie Mitglieder des Königshauses behandelt, sie fotografiert, über sie geklatscht und darüber spekuliert, wie tief ihre Beziehung reichte. »Lass sie doch reden«, pflegte Izzy zu sagen. »Ist besser so, Mungo, Schatz. Lockt sie auf eine ganz falsche Fährte.« Zu diesem Zeitpunkt war ihre geheime, stürmische Affäre mit Ralph schon vorüber gewesen, und er war nach diesem letzten furchtbaren Streit in Mungos Küche für immer aus ihrem Leben verschwunden. Wie jung sie damals gewesen waren und wie ernst und tief ihre Gefühle: sein eigener Zorn und seine Hilflosigkeit, Izzys Tränen und ihre Verzweiflung und Ralphs brutale Gleichgültigkeit. Mungo bleibt an der Wegkreuzung stehen und erweist dem alten Herm seine Reverenz. Dann geht er hinter den Hunden die Stufen hinauf und tritt durch das Tor auf das Kopfsteinpflaster des Hofes. Auf dem Fahrweg wird es wieder still, und Schatten kriechen unter die verschlungenen Eschen- und Weißdornzweige. Der alte Herm steht immer noch da, wacht über die Pfade und wahrt seine Geheimnisse. Mungo reibt die Hunde mit Handtüchern trocken, gibt ihnen frisches Wasser und lässt sie hechelnd auf dem Hof liegen. Er stellt den Wasserkessel auf die Herdplatte und zieht ihn wieder herunter, als das Telefon klingelt. »Mungo. Ich bin’s, Kit.« Kit Chadwick. Ihre Stimme klingt warm und eifrig, und er sieht sie lebhaft vor sich: aschbraunes Haar, graue Augen, schlank und rastlos. »Ich hoffe, du willst mir mitteilen, dass du herkommst«, sagt er. »Gott, wäre es schön, dich zu sehen, Liebes!« »Ja, so ist es, falls du mich gebrauchen kannst. In London ist es glühend heiß, und es ist etwas passiert, das ein wenig eigenartig ist.« Mit einem Mal klingt ihre Stimme unsicher. »Ehrlich, Mungo. Ich muss mit dir reden.« »Dann nimm den nächsten Zug aus der Stadt.« Er ist hellwach und interessiert, aber er weiß, dass es besser ist, sie einstweilen nicht zu bedrängen. »Oder kommst du mit dem Auto?« »Lieber wäre mir das. Du kennst mich ja. Ich würde gern ein paar Tage bleiben, falls das in Ordnung ist, und vielleicht muss ich mich ein wenig unabhängig bewegen können.« »Okay«, sagt er locker. »Also wann?« »Später, wenn es kühler ist. Ich bin so … sagen wir, gegen neun bei dir. Ist das nicht zu spät?« »Natürlich nicht.« »Und hör mal, es ist mir vorhin eingefallen. Heute ist Izzys Geburtstag.« Eine winzige Pause. »So ist es. Wir veranstalten ein köstliches kleines Geburtstagmahl. Wie wäre es mit Gnocchi? Und ich habe eine Flasche Villa Masetti im Kühlschrank.« »Klingt himmlisch.« »Dann geh packen! Und fahr vorsichtig!« Plötzlich ist ihm die Lust auf Tee vergangen. Er stellt sich an die Stalltür und sieht über die davorliegenden Hunde in den Hof mit dem Kopfsteinpflaster hinaus. Die große Küche, in der einst eine lange Ahnenreihe von Schmieden ihr Handwerk ausübte, hat geschwärzte Balken, die die Decke stützen, und einen Boden aus Schiefer und ist immer noch das Herz des Hauses, das im Lauf der Jahre ausgebaut worden ist, sodass auch die benachbarte Scheune zu dem inzwischen sehr behaglichen Heim gehört. »Camilla und ich möchten, dass du die Schmiede und die Scheune bekommst«, hatte Archie vor vierzig Jahren zu ihm gesagt. »Wir finden es unfair, dass Dad mir alles hinterlassen hat, nur weil es ihm nicht gepasst hat, dass du Schauspieler geworden bist.« Mungo war sehr gerührt gewesen. Aber die Geste war typisch für den Gerechtigkeitssinn seines älteren Bruders. Archie, der Partner in der Kanzlei ihres verstorbenen Vaters in Exeter war, hatte trotzdem noch das Haus, den Gutshof und zwei kleine Cottages, doch Mungo war dort überall willkommen. Mungo liebte die alte Schmiede. Sie war der perfekte Schlupfwinkel, in den man aus London flüchten konnte. Wann immer er wollte, konnte er zusammen mit seinen Freunden in Paddington den Zug nehmen und Partys in der Schmiede veranstalten. Camilla unterstützte ihn nach Kräften. Sie liebte seine Freunde vom Theater, sorgte dafür, dass sein Kühlschrank immer gefüllt war, und lud sie alle zum Abendessen ins Haus ein. Die bezaubernde, großzügige und praktische Camilla mit ihrem blonden Haar und der hellen Haut, die zu Sommersprossen neigt. Munter und tüchtig jonglierte sie Archie, ihre gemeinsamen Kinder und die Hunde. Mungos Freunde verehrten sie, kauften ihr Geschenke und spielten mit den Jungs, während Archie stillvergnügt und tolerant zusah. Archie und Camilla waren Mungos Ruhepunkt. Wenn er Premiere hatte, besorgten sie sich einen Babysitter, fuhren nach London, um ihm hinter der Bühne zu gratulieren, und kampierten über Nacht in seiner winzigen Wohnung. Als er berühmt wurde, freuten sie sich über seinen Erfolg und teilten sein Glück mit ihm, und die Feste fielen größer aus. Im Sonnenschein lehnt sich Mungo an die Stalltür und denkt an seine Glanzzeiten zurück. Damals war es gut, in seinen Schlupfwinkel zurückzukehren, manchmal allein, aber öfter mit ein paar besonderen Freunden. Er war noch nie gern allein gewesen. In diesen frühen Jahren war meist Izzy seine Begleiterin gewesen – und ein wenig später war Ralph gekommen. Izzys Geburtstag. Es war nicht nötig gewesen, ihn daran zu erinnern. Die liebe Izzy: sexy, kompliziert und hypersensibel. Angefangen hatte sie beim Musical, hatte die Ado Annie in Oklahoma! gespielt, die Adelaide in Guys and Dolls oder die Lois Lane in Kiss me, Kate. Er hatte ihr schauspielerisches Potenzial erkannt, das sich hinter ihrem mangelnden Selbstwertgefühl und ihren dramatischen Stimmungsschwankungen verbarg, und sie überredet, bei der Königlichen Shakespeare-Gesellschaft für die Rolle des Puck im Mittsommernachtstraum und später für die der Ariel in Der Sturm vorzusprechen. Diese Rollen hatten ihr die Aufmerksamkeit der Kritiker und Applaus eingetragen – genau wie später ihre Partnerschaft mit ihm großen Ruhm –, doch im Herzen war sie diesen frühen Jahren treu geblieben. »Ich bin einfach bloß ein Clown«, pflegte sie zu sagen. »Ich habe schreckliche Angst, alle könnten plötzlich erkennen, dass ich eine Hochstaplerin bin.« Sie hatten in Birmingham gespielt und gerade mit den Proben für Was ihr wollt begonnen, als sie Ralph Stead kennenlernte. Izzy spielte die Maria, Ralph den Sebastian und Mungo den Feste. Sie wohnten...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.