E-Book, Deutsch, Band 04, 416 Seiten
Reihe: Wolf-Shadow-Reihe
Wilks Wolf Shadow - Finstere Begierde
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8025-8533-3
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 04, 416 Seiten
Reihe: Wolf-Shadow-Reihe
ISBN: 978-3-8025-8533-3
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eileen Wilks wurde in Texas geboren und lebt seit über dreißig Jahren in der westtexanischen Stadt Midland. Seit 1996 schreibt sie Liebesromane, die regelmäßig auf die amerikanische Bestsellerliste gelangen, und wurde mehrfach für den RITA Award und den Romantic Times Award nominiert.
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Prolog Im Osten malte der heraufziehende Morgen ein verheißungsvolles Rot an den tiefschwarzen Himmel, aber die Luft und die Erde waren noch dunkel. Vor einem leer stehenden Haus bei Midland in Texas erloschen die Scheinwerfer eines Autos. Ein Mann und eine Frau stiegen aus einem 2005er Toyota Corolla. „Ich habe immer noch das Gefühl, dass wir etwas vergessen haben“, sagte die Frau, als sie den Kofferraum öffnete. Sie war groß, knochig und breitschultrig und hatte die Figur einer Läuferin – keine hübsche, aber eine attraktive Frau. Sie trug Jeans, Wanderschuhe und einen dunklen Pullover. Kein Make-up. Das mittelbraune Haar war lang und glatt. Ihre Haut hatte die unbestimmbare Farbe einer Angloamerikanerin, aber sie hatte die breiten, hohen Wangenknochen und die kräftige Nase des Volkes ihrer Mutter, der Diné. Navajo, wie Außenstehende sie nannten. „Ich vergesse immer etwas.“ Der Mann schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. Auch er war groß, kantig und athletisch gebaut. Das einzig Auffällige in seinem Gesicht waren seine Augen: grau wie ein Winterhimmel, mit dichten Wimpern und dunklen, geraden Brauen. Seine kupferfarbene Haut und die schwarzen Haare verleiteten sicherlich manch einen zu der Annahme, er stamme von amerikanischen Ureinwohnern ab. Doch das war nicht der Fall. „Wir haben alles, was auf unserer Liste stand“, sagte er, während sie die Campingausrüstung aus dem Kofferraum holten. „Und wenn etwas fehlen sollte, werden wir uns schon zu helfen wissen.“ Er machte eine Pause. „Du hast Angst.“ Sie nickte, obwohl sie beinahe gelassen wirkte. „Noch bin ich nicht außer mir vor Angst. Nur ungefähr bei Punkt sechs auf der Panik-Skala.“ „Na dann.“ Er stellte die Reisetasche, die er getragen hatte, ab und nahm sie in die Arme. „Lass mal sehen, ob wir den Wert wenigstens auf vier herunterbekommen.“ „Hmm“, war ihre Stimme einen Moment später gedämpft zu hören, weil ihr Mund an seinem Hals lag. „Ja, aber so kommen wir nicht weiter. Meine Ängste sagen mir, dass hier zu verweilen jetzt genau das Richtige wäre. Diese Lügnerinnen. Einfach so eng umschlungen hier stehen zu bleiben. Aber deine Königin erwartet unbedingten Gehorsam und Pünktlichkeit, nehme ich an.“ „Unter anderem. Ihre Ansprüche sind hoch.“ Ohne sie loszulassen, lehnte er sich ein wenig zurück. „Alles in Ordnung. Geht es dir gut, Kai?“ „Ich glaube, es ist durchaus möglich, dass es mir gut geht und ich gleichzeitig ängstlich bin. Und aufgeregt. Schließlich ist das eine ganz neue Welt für mich. Ich kann es immer noch nicht fassen.“ Kai holte tief Luft, seufzte und nickte. „Dann mal los.“ Sie schlüpfte in die Träger ihres Rucksacks und klemmte sich die Schlafsäcke unter die Arme. Sie würden nicht lange gehen müssen, deswegen machte sie sich über das Gewicht keine Sorgen. Tatsächlich trug er den größeren Teil ihrer Ausrüstung. Doch das war nur vernünftig. Nathan war wahrscheinlich fünfmal so stark wie sie, und im Augenblick setzte ihr auch noch der Hunger zu, ein Hunger, den gewöhnliche Nahrung nicht stillen konnte, weil er nicht ihr eigener war. Sie ermüdete so schnell. Jedoch nicht mehr lange. In Kais Rucksack befanden sich Kleidung zum Wechseln, Thermounterzeug, saubere Socken und Unterwäsche, ihr Erste-Hilfe-Kasten und ein paar andere Kleinigkeiten. Nathan trug die schwereren Sachen – ihr Zelt, das man praktischerweise sehr klein zusammenfalten konnte, die Campingausrüstung und ihre Einkäufe: mehrere Pakete Zimt, eine Rolle verschließbarer Gefriertüten, zwei kleine, scharfe Äxte, vier sehr feine Messer, zwei Schachteln Nägel, einen Hammer, einen kleinen Spaten und jeweils ein Pfund Gold und Silber in Form von Ketten. Nathan ergriff die große Reisetasche, und sie entfernten sich langsam von dem Wagen. Später würde Kais Freundin Ginger ihn hier abholen. Ginger wusste, dass Kai und Nathan zusammen fortgingen, aber sie hatte keine Ahnung, wie weit sie tatsächlich reisen wollten. Die Geschichte, die Kai ihr erzählt hatte, um zu erklären, warum sie den Wagen dort zurückließen, war nicht sehr überzeugend gewesen, wie Ginger mehrfach betont hatte. Aber Kai war an Gingers hartnäckige Fragen gewöhnt. Und Ginger daran, nicht auf all ihre Fragen eine Antwort zu bekommen. Kai hoffte aus ganzem Herzen, ihre Freundin wiederzusehen. „Du freust dich auf das, was vor uns liegt.“ „Zum Teil, ja. Deine Heimat ist sehr schön, aber ich bin jetzt schon sehr lange hier. Und obwohl die Magie seit Kurzem dichter geworden ist, ist sie hier immer noch ein bisschen zu dünn für mich.“ Ohne stehen zu bleiben oder den Ton zu ändern, fügte er hinzu: „Du wirst das schon machen, Kai. Ich weiß, du hast Bedenken, und das ist auch gut so, denn diese Mission ist eine Prüfung. Aber du schaffst das.“ Deshalb auch der hohe Wert auf der Panik-Skala. Nicht, weil sie Angst davor hatte, solche Dinge wie Tampons würden ihr ausgehen. Obwohl sie natürlich hoffte, dass sie genug eingepackt hatte; doch wenn nicht, würde sie sich schon zu helfen wissen. Aber die Angst, sie könnte nicht genug lernen, nicht genug verstehen, um ihre Aufgabe zu erfüllen, oh ja, diese Angst war enorm. Einen Schritt nach dem anderen, sagte sie sich, als sie ihm durch die Dunkelheit um das alte Haus herum folgte. Er konnte im Dunkeln sehen, dachte sie. Sie nicht, noch nicht – und erst recht nicht im Schatten des verfallenen Gebäudes. Seine Schritte konnte sie auch nicht hören. Nur ihre eigenen. Sie kamen in eine Art Hinterhof, in dem sich nichts als Schmutz, Abfall und vertrocknetes Unkraut befand. Und nun konnte sie auch das Unkraut sehen; seine trockenen Stängel raschelten und hoben sich grau von dem dunklen Boden ab. Der Himmel hatte sich aufgehellt und war nicht mehr tiefschwarz, sondern anthrazitfarben, mit einem stahlgrauen Streifen entlang dem Horizont. Sie schloss zu Nathan auf. Wie Großvater immer gesagt hatte: Wer die Sorgen von morgen hinunterschluckt, bekommt heute Blähungen. Und dennoch … „Ich verstehe nicht, warum wir auf diese Weise vorgehen müssen. Du könntest es doch selbst finden. Darin bist du gut.“ „Das könnte ich, wenn ich erst einmal die Fährte aufgenommen hätte. Aber meine Königin wünscht es anders. Doch“, er sah sie von der Seite an und lächelte, „obwohl ihre Wünsche mir Befehl sind, erwarte ich nicht von dir, sie stillschweigend zu akzeptieren. Ich glaube, sie hat etwas gesehen, das sie dazu gebracht hat, uns mit genau diesem Auftrag loszuschicken statt mit einem anderen.“ „Wenn du sagst, sie hat etwas ‚gesehen‘, meinst du, sie hat es vorhergesehen? Oder hat sie weit gesehen?“ „Beides wahrscheinlich. Vielleicht hat sie gesehen, dass sich ein neues Muster entwickelt hat, und deshalb müssen wir auf diese Weise vorgehen.“ „Oder sie will es mir einfach so schwer wie möglich machen.“ „Auch das ist möglich. Äh.“ Er rieb sich die Nase. „Du bist besorgt und auch ein wenig ärgerlich, während mir immer noch schwindlig vor Erleichterung ist – das passt im Moment schlecht zueinander. Aber es wird alles gut gehen, Kai. Du wirst schon sehen.“ Nathan war deshalb immer noch so erleichtert, weil seine Königin Kai vor sechs Tagen nicht getötet hatte. Kai war zu dem Zeitpunkt genauso dankbar gewesen. Die Königin und ihr Bruder hatten gedacht, sie sei eine Geistbinderin, eine seltene und gefährliche Form einer Telepathin, die den Geist anderer an ihren Willen binden konnte. Nathan hatte sich für sie eingesetzt und sich vor sie gestellt, obwohl er die königlichen Geschwister natürlich niemals hätte aufhalten können. Und das hatten sie auch gewusst. Aber Nathans Vorgehen hatte zu einer Unterbrechung geführt, und die Königin hatte ihn angehört. Denn sie schätzte ihn sehr. Am Ende hatte sie Kai gestattet, ihr Leben fortzuführen – vorerst. Aber nicht dort, wo niemand sich gegen eine Geistbinderin schützen konnte. Bei dem Gedanken daran spürte sie stets aufs Neue Bitterkeit in sich aufsteigen. Auch diese Bitterkeit sah sie, klebrige graue Fäden, die sich um ihre Gedanken legten, als wollten sie sie mumifizieren. Oh, sie hatte gesehen, was aus jemandem wurde, der an solch bitteren Gedanken festhielt, hatte gesehen, wie Menschen sich nicht mehr von ihnen befreien konnten, gesehen, wie die grauen Fäden sie würgten, bis alle Farbe aus ihnen wich. Sie holte tief Luft und strengte sich an, die Bitterkeit loszulassen. Und tatsächlich, langsam wurde sie schwächer. Kai war keine Telepathin im strengen Sinne. Doch sie war auch nicht ganz ohne telepathische Fähigkeiten, genauso wie sie eigentlich keine Geistbinderin war, obwohl sie ein paar von den Dingen, die Geistbinder taten, ebenfalls beherrschte. Ihre Gabe erstaunte alle – sie selbst nicht zuletzt. Vielleicht sogar am meisten. Sie konnte Gedanken nicht lesen, sie aber sehen und ebenso die Gefühle, die mit diesen Gedanken einhergingen. Und manchmal, gewollt oder ungewollt, griff sie in die Gedanken anderer ein und veränderte sie. Im wahrsten Sinn des Wortes. Nachdem sie ihr ganzes Leben lang diese besondere Begabung nicht hatte zur Kenntnis nehmen wollen, musste sie jetzt lernen, sie zu beherrschen. Und zwar schnell. Bevor sie von ihr beherrscht wurde. Sie spürte das Schnurren, bevor sie es hörte – ein leichtes Grollen in ihrem Kopf. Einen Moment später erhob sich einige Meter vor ihnen ein dunkler Hügel und formte sich zu einer zwei Meter fünfzig langen Katze. Sie streckte sich. Kai lächelte. „Dells Freude ist auf jeden...