E-Book, Deutsch, Band 3806, 280 Seiten
Reihe: Horror Western
E-Book, Deutsch, Band 3806, 280 Seiten
Reihe: Horror Western
ISBN: 978-3-95719-286-8
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Teil 1 - Die Nacht der Bestien
Bösartig hallte das heisere Krächzen vom lichtlosen Himmel. Mit rauschenden Schwingen zogen die Totenvögel ihre Kreise über der weiten Prärie. Wolkenfetzen trieben von den sandigen Hügeln herüber. Dumpf murrend drängten sich die Rinder zusammen. Schon seit Tagen folgten die Aasgeier der Herde. An diesem Abend waren Männer los geritten, um nach einem Wasserloch zu suchen. Auch Lucky war unterwegs. Weitab der Herde lenkte er das Pferd zwischen die Felsklippen. Suchend blickte er umher, überall türmte sich das Gestein, und Staub wirbelte über die kahlen Anhöhen. Im Zwielicht verschwammen die Konturen. Plötzlich hörte er leises, verhaltenes Knurren. Sein Pferd wurde unruhig und prustete. Hart schlugen die Hufe auf der Stelle. Im trockenen Gestrüpp vor Lucky raschelte es. Ein grauer Schatten huschte davon. Weiche Pfoten schnellten durch den Sand. Sekundenlang konnte Lucky das Tier sehen. Er erschrak. Noch niemals hatte er einen so großen Wolf gesehen! Hinter den toten Bäumen und abgestorbenen Strauchgruppen richtete das Untier sich halb auf und blickte zu ihm herüber mit grün schimmernden Augen, die wie zwei Lichtpunkte durch die Dämmerung stachen. Irgendwie hatte dieser Wolf einen menschlichen Blick, einen furchtbar kalten und abschätzenden Blick, als wüsste er, dass Lucky sterben musste. Als Lucky zum Gewehr griff und es aus dem Scabbard riss, verschwand der Wolf. Pfeifend atmete Lucky aus, zog die Schultern an und spürte es kalt über den Rücken kriechen. Er war ein einfacher Mann, und wie alle Cowboys, so war auch er abergläubisch. Er zwang sich, weiterzureiten. Die Rinder brauchten Wasser. Sie würden elendig verrecken, wenn die Männer kein Wasser fänden. Langsam trug das Pferd ihn um die Felsklippen. Er hielt das Gewehr im Anschlag und stierte umher. Die Schatten der Nacht krochen über das öde Land. Aus den Tiefen der Canyons kam es kalt und dunkel hervor. Grüne Lichtpunkte tanzten vor Lucky in der Dämmerung. Er schoss und fluchte. Patronenhülsen fielen in den Sand. Die Hufe schlugen über Geröll hinweg. Vor Lucky öffnete sich ein Tal. Vielleicht würde er hier auf Wasser stoßen. Noch grollte das Echo der Schüsse in der Wildnis, als er in das Tal hinunterritt. Er schlug die Zähne aufeinander, blickte ständig umher und hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Am Talrand heulten plötzlich Wölfe durchdringend und schaurig. Struppige Körper bewegten sich hin und her. Der Wind kam aus der Wüste. Die Wölfe konnten die ferne Herde nicht wittern. Auf einmal vernahm Lucky einen leisen Pfiff. Es klang wie das Pfeifen einer Ratte. Die Wölfe verstummten. Nur das Rascheln der Sträucher war zu hören. Vor Lucky buckelten sich die Felsmassen eines Höhenzuges. Er wusste nicht, was sich hinter jenem Höhenzug befand. Unruhig riss er am Zügel, verhielt und sah durch das Tal. Hinter verkrüppelten Bäumen am Talhang ragten die Umrisse einer Hütte empor. Lächeln zuckte über sein angespanntes Gesicht. „He“, rief er, „ist da jemand?“ Niemand antwortete. Nur das Echo seiner Stimme hallte im Tal. Immer wieder sagte Lucky sich, dass er weitersuchen müsste. Es ging um das Leben der Treibherde. Sie hatten die Rinder aus Mexiko geholt und befanden sich jetzt im öden Grenzland. Ein Sandsturm hatte das Wasserloch begraben und unsichtbar gemacht. Keiner der Cowboys wusste so recht, wo sie sich eigentlich befanden. Sie waren während des Sturms vom Weg abgekommen, hatten die Route verlassen und die Orientierung verloren. Das Wasser war für alle lebenswichtig. Und darum fand Lucky auch den Mut, langsam zur Hütte empor zu reiten, denn der Bewohner jener Behausung konnte ihm bestimmt sagen, wo das nächstgelegene Wasserloch zu finden wäre. In Luckys Phantasie wurden all diese schaurigen Geschichten lebendig, die man sich nachts an den Lagerfeuern erzählte. Er dachte auch an Jim, an den Freund, und er wäre sehr froh darüber gewesen, wenn er Jim jetzt bei sich gehabt hätte. „Zum Teufel!“, krächzte Lucky, trieb das Pferd hart an und hielt vor der Hütte. Die Tür war geschlossen. Alte Gardinen hingen vor dem staubblinden Fenster. Die Äste der toten Bäume rieben knarrend aneinander. Winselnd strich der Wind über die Hütte hinweg. Lucky wusste, dass manche Hütte direkt über einem Wasserloch errichtet worden war. Darum rutschte er vom Pferd und betrat die Hütte. Hinter ihm schwang die Tür in trockenen Holzangeln. Durch die Wolkenfetzen sickerte bleiches Mondlicht und fiel über die Türschwelle. Im kalten Licht erkannte Lucky einen Tisch und eine alte Lampe, deren gläserner Zylinder rußgeschwärzt war. Steif ging er am Tisch vorbei. Im alten steinernen Kamin röhrte der Wind. Schwach bewegten sich die mürben alten Gardinen. Ein verrosteter Blechtopf stand auf dem kleinen Herd. Auf dem alten Schlaflager lagen bleiche abgenagte Knochen und eine faulende Decke. Es stank nach Staub und Verwesung in der Hütte. Krachend fiel die Tür zu. Erschreckt ächzte Lucky auf, wirbelte herum und hatte die Winchester auf die Tür gerichtet. Nichts geschah. „Ich blutiger Narr“, flüsterte er. „Was ist los mit mir? Gut, dass Jim nicht hier ist. Er würde mich auslachen. Ich bin so nervös wie ein altes Weib.“ Der Wind musste die Tür zugeschlagen haben, nur der Wind. Durch das Fenster sickerte das Mondlicht, und Lucky erkannte auf dem staubigen Boden die Spuren von Wölfen. Die Pfoten hatten im Staub und Sandbelag Eindrücke hinterlassen. Sie mussten erst vor kurzem in dieser Hütte gewesen sein. Steif und gekrümmt stand Lucky in der Hütte. Er sah nicht, wie draußen ein Körper entlang schlich, wie plötzlich ein furchtbares Gesicht draußen am Fenster auftauchte. Sein Pferd wieherte schrill, stampfte heftig und galoppierte weg. Fluchend warf sich Lucky herum. Das Gesicht war verschwunden. Er rannte zur Tür und wollte sie öffnen, doch sie ließ sich nicht aufstoßen. Er wich zurück, nahm einen Anlauf und warf sich mit voller Wucht gegen die Tür. Sie hielt ihm stand. Seine Schulter schmerzte. Er hämmerte mit dem Gewehrkolben gegen die Tür und stöhnte auf. Nur allmählich wurde er ruhiger. Der Wind hatte die Tür zugedrückt, und der Riegel musste von allein draußen in die Halterung gefallen sein. Tastend suchte er nach dem Riegel auf der Innenseite der Tür und fand ihn, riss ihn hoch und trat die Tür auf. Keuchend rannte er hinaus. Sein Pferd war verschwunden! Das konnte doch nicht die Wirklichkeit sein! Wieder waren diese unheimlichen Wolfsaugen da. Wieder stierte Lucky in diese ausdruckslosen Augen, die einen so menschlich wissenden Ausdruck hatten. Im Dämmerlicht verschwanden die Augen, der Körper des Wolfes löste sich auf. „Nein!“, stöhnte Lucky. „Ich bin doch nicht verrückt!“ Er hatte Angst vor dem Verrücktwerden, und es war gerade diese Angst, die ihn irre machte. Er rannte in die Hütte zurück, stieß gegen den Tisch und starrte hinaus. „Jim! O Jim!“ Doch der Freund war nicht hier. Er ritt mit anderen umher und suchte wie er nach Wasser. Unendlich langsam schwang die Tür zurück. Wieder schlug sie zu. Diesmal versuchte Lucky nicht, sie zu öffnen. Er wusste ja, wie sie geöffnet wurde. Trotz der unheimlichen Wölfe musste er sein Pferd suchen. Zu Fuß würde er während der ganzen Nacht unterwegs sein und erst am morgigen Mittag die Herde und die anderen Cowboys erreichen. Während er noch überlegte, begann es an der Tür zu kratzen. Wolken schoben sich vor den Mond. In der Hütte wurde es stockdunkel. Das Kratzen wurde heftiger und wilder. Lucky wich zurück und krampfte die Hände um die Winchester. Steif beugte er sich vor, stierte durch die Dunkelheit und lauschte diesem Kratzen. Draußen vor der Tür musste ein Wolf sein. Das Raubtier hatte ihn gewittert und wollte ihn töten. Er feuerte mehrere Schüsse durch die Tür. Das Blei zerfetzte das Holz. Pulverrauch wallte in der Hütte. Draußen ertönte kein Klagen, kein Winseln. Er musste den Wolf erschossen haben. Hart lud er durch, zerrte den Türriegel weg und drückte mit dem Gewehrlauf die Tür auf. Er sah keinen Wolf. Das Tal vor ihm war leer. Die Büsche bewegten sich im Wind wie trunkene Wesen. Reglos wie erstarrte Wächter standen die Kakteen am Talhang und streckten ihre fleischigen Arme zum Himmel empor. Durch eine Wolkenlücke zuckte Sternenlicht. Langsam trat er hinaus. Mit flackernden Augen blickte er umher. Plötzlich stieß er mit dem rechten Stiefel gegen irgendetwas. Er senkte den Blick, starrte auf einen bleichen Totenschädel und beugte sich hinunter. Leere Augenhöhlen glotzten ihn an. Er konnte nicht schnell denken, er überlegte, ob dieser Schädel schon vorher hier gelegen hätte, aber dann hätte er ihn doch sehen müssen! Es war der Schädel eines Menschen. Und Blut war daran noch zu erkennen. Lucky wollte aufschreien. Er war fertig mit den Nerven. Er wollte schreien, flüchten, nur weg von hier! Doch er kam nicht zum Schrei und nicht zur Flucht. Jäh spürte er eine kalte Knochenhand im Nacken. Eine Klauenhand entriss ihm das Gewehr. Er stieß einen gurgelnden Laut aus. Er versuchte, sich zu wehren, doch der Unheimliche hatte entsetzliche und tierische Kraft. Die Knochenhand würgte ihn, umschloss seinen Hals. Vor Luckys Augen tanzten blutige Schleier. Er wurde zurück gerissen, über die Türschwelle geschleift. Er röchelte, griff mit zuckenden Händen umher, wurde mit erbarmungsloser Gewalt rücklings auf den Tisch gepresst. Ein teuflisches Gesicht war über...