Wahre Erlebnisse, die den Glauben stärken und Hoffnung schenken.
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-96122-584-2
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Désirée Wiktorski arbeitet als Lektorin bei Gerth Medien. Es ist ihre große Leidenschaft, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen und um die großen Fragen des Glaubens und des Lebens zu ringen. Das macht sie unter anderem in den Podcasts Zwischen 'Himmel und Herz' und 'Der Flügelverleih'. Sie ist Leiterin des Gebetshauses Wetzlar. © Foto: Sven-Helge Czichy
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DER ZUSAMMENBRUCH
Es war Sonntagabend. Vier Wochen Urlaub lagen hinter mir. Vier Wochen, in denen ich mich erholen und Antworten finden wollte. Vier Wochen, in denen ich nicht gewusst hatte, wohin mit mir selbst. Vier Wochen lagen hinter mir, und ich fühlte mich erschöpft, ausgelaugt und hatte mehr Fragen als Antworten gefunden. Und nun saß ich da in meinem WG-Wohnzimmer. Alleine. Morgen würde der normale Alltag wieder losgehen. Jeder würde erwarten, dass ich erholt und voller Elan nach einem tollen Sommer zurückkehre. Aber das war ich nicht: voller Elan. Ich war müde, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Mein Leben fühlte sich an wie eine Sackgasse. Ich sah keinen Ausweg, hatte einfach keine Idee, wie es weitergehen könnte.
Die Sommermonate vor meinem Urlaub waren voller Action gewesen. Mein Team und ich hatten fünf Jugendfreizeiten durchgeführt, fast 1000 Jugendliche mit unseren Freizeitprogrammen erreicht. Es waren die Monate, auf die wir das ganze Jahr hingearbeitet und -gefiebert hatten. Ich liebte meine Arbeit als Jugendreferentin in einem großen christlichen Freizeitwerk, die Möglichkeit, dass wir Jugendlichen auf moderne Art und Weise Jesus nahebringen konnten. Hier entstanden Beziehungen, wurden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ihren Gaben gefördert, konnten junge Menschen sich ausprobieren. Generell war ich gerne, wo ich war. Ich liebte, was ich tun durfte. Aber in den letzten Monaten war viel passiert, in mir, in meinem persönlichen Leben. Den Sommer hatte ich innerlich nur ausgehalten, mich von Pause zu Pause gehangelt. Ich wusste, dass ich so nicht mehr lange durchhalten würde. Die vier Wochen Urlaub waren mein Lichtblick gewesen, meine Hoffnung auf Erholung. Meine Hoffnung darauf, dass ich zurückkommen würde und sich bis dahin meine Fragen geklärt und meine Erschöpfung in neue Kraft verwandelt hätten.
All diese Hoffnung war nun verschwunden. So saß ich in meinem Sessel, stützte meinen Kopf in meine Hände, schloss meine Augen und wurde am Ende meines Urlaubs zum ersten Mal ehrlich zu mir selbst und vor Gott: „Jesus, ich kann nicht mehr! Jesus, ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, aber so will ich nicht mehr weitermachen. Bitte hilf mir!“
An diesem Abend traf ich eine Entscheidung: „Ich lasse los, Jesus. Ich vertraue darauf, dass du noch offene Türen für mich bereithältst, selbst wenn ich keinen Weg mehr sehe.“ Am nächsten Morgen ging ich zum Arzt.
DEINE SPUR IN MEINEM LEBEN
Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Gott-Vater, Jesus und der Heilige Geist waren immer Teil meines Lebens gewesen. Christliche Freizeiten waren die Zeiten, in denen mein Glaube immer wieder neu gewachsen ist. Mit 14 Jahren traf ich schließlich eine klare und persönliche Entscheidung für mich: Ich möchte Jesus lieben, ihm nachfolgen und mein ganzes Leben für ihn investieren.
So ließ ich mich taufen, und der Wunsch danach, vollzeitlich für die Sache Gottes zu arbeiten, wurde in mein Herz gesät. Soweit ich mich zurückerinnern kann, war Gott mir schon immer ein Anker und Halt im Leben gewesen. Für jeden Lebensabschnitt hatte er mir einen Vers geschenkt, der mich begleitete – und der mir zeigte, was er mich gerade lehren oder womit er mich ermutigen und trösten wollte. Und Trost und Ermutigung brauchte ich oft, denn ich war ein Angstkind. Ich hatte vor allem möglichen Angst. Nachts vor Einbrechern und Blitzeinschlägen, tagsüber vor Menschen, die mich überfallen könnten. Ich hatte Angst, mich zu zeigen, Angst, allein zu sein u. v. m. Bis auf wenige Ausnahmen schließe ich auch heute immer wieder meine Schlafzimmertür ab, sollte ich allein sein und mich nicht sicher fühlen. Warum das so war, weiß ich nicht.
Ich war außerdem ein richtiges Heimwehkind. So gern ich auf Freizeiten fuhr, so herausfordernd war es jedes Mal für meine Eltern, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und mich – denn ich weinte: vor der Freizeit, während der Freizeit und nach der Freizeit. Mein Herz schmerzte vor Angst im Vorhinein, vor Sehnsucht nach zu Hause während der Zeit, und war ich dann endlich zurück, fiel ich in ein „Freizeitloch“ und vermisste die Menschen, die ich während der gemeinsamen Zeit lieb gewonnen hatte. In diesem Lebensabschnitt brachte Gott mir die ersten zwei Verse des Psalms 91 nahe: (LU 1984).
Und so las ich diese Verse, immer und immer wieder, und sah diese Bilder vor meinem inneren Auge: einen bunten Regenschirm, unter dem ich leben und tanzen konnte. Eine Burg, in die ich mich verkriechen konnte und wo ich sicher war, weil Gott in ihr wohnte. Und auch den Mitarbeiterteams der Freizeiten gab meine Mutter den Tipp mit, diesen Psalm mit mir zu lesen, wenn ich wieder einmal traurig sein sollte. So saß ich immer mal wieder exklusiv im Mitarbeiterraum, las mit einer Mitarbeiterin diese Verse und betete gemeinsam mit ihr. Auf diese Weise wurde ich getröstet und schaffte es, mein schmerzendes Herz zu Gott zu bringen und weiter an den Freizeiten teilzunehmen.
Ein paar Jahre vor meinem Zusammenbruch hatte Gott mir einen sehr herausfordernden Vers nahegebracht. Damals war ich die Jugendreferentin einer großen Gemeinde. Regelmäßig traf ich mich mit einem Ehepaar im Alter meiner Eltern und wir arbeiteten das Buch von Lawrence J. Crabb „Von innen nach außen“ gemeinsam durch. Sie begleiteten mich geistlich und seelsorgerlich und ich liebte diese wohltuenden, aber auch herausfordernden Zeiten. An diesem Vers hatte ich allerdings etwas zu knabbern: Jeremia 2,13:
Damals verstand ich nicht, was dieser Vers mit meinem Leben zu tun haben sollte. Ich hatte Gott doch nicht verlassen. Ich arbeitete als Jugendreferentin, ich betete, predigte, las in der Bibel, suchte ihn. Ich wusste, dass er die Quelle ist. Und was das Bild mit den rissigen Zisternen, aus denen all das selbst aufgefangene Wasser wieder herausfloss, mit mir zu tun hatte, erschloss sich mir auch nur ansatzweise. Generell merkte ich in dieser Zeit, dass Gott mich mit Themen konfrontierte, die ich noch nicht verstand. So sprach ich mit meinem Mentoren-Ehepaar über Schutzmauern, die ich aufgebaut hatte – doch ich konnte sie nicht erkennen. Und was man nicht erkennt, kann man schwer verändern. Zumindest noch nicht.
DIE OFFENE TÜR
Da saß ich nun nach vier Wochen Urlaub vor meinem Hausarzt und erzählte aus meinem Leben: Was die letzten Monate in mir los gewesen war und wie ich mich jetzt fühlte. Er durchblickte meine Situation und schrieb mich für zwei Wochen krank. In mir stieg großer innerer Stress auf. Zwei Wochen, in denen ich entscheiden sollte, wie es weitergehen soll. Das hatte ich doch die letzten vier Wochen schon probiert!
Der Arzt empfahl mir eine Therapeutin, bei der ich sogar direkt einen Termin bekam. Wenn ich heute in meinem Tagebuch zurückblättere und mir die Einträge aus dieser Zeit anschaue, kann ich von all den Ideen lesen, die ich damals hatte: Wo ich arbeiten könnte, was sich ändern müsste, was ich bräuchte, damit es mir endlich besser gehen würde. In meinem Kopf kreisten die Gedanken darum, eine Lösung für mein Leben zu finden. Doch in mir drin war eine große Leere. Ich spürte eine große Orientierungslosigkeit und Müdigkeit. Der Satz eines damaligen Freundes, den er zu mir sagte, blieb mir hängen und bewegte mich: „Du brauchst eine Lebensschule. Wenn deine Seele gesund werden soll, dann muss sie sich zurücknehmen.“ Ich hatte damals den Eindruck, dass er etwas Wichtiges ansprach. Etwas, das ich nicht verstand, das ich nicht erkennen konnte. Aber eine Lebensschule? Ich war 33 Jahre alt – war ich dafür nicht schon zu alt? Und was ist das überhaupt? Gibt es so etwas denn?
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, was ich brauchte. Aber Gott wusste es, und er sollte mir noch eine offene Tür zeigen – zu genau so einem Raum, wo ich meine Seele einmal zurücknehmen und heilen lassen durfte.
Ich suchte also das Internet nach Lebensschulen, Auszeithäusern und Lebensgemeinschaften ab, schrieb eine Einrichtung nach der anderen an. Nur ein einziges Auszeithaus konnte mir kurzfristig einen Platz für zwei Wochen anbieten. Ich hatte Angst, fühlte mich unsicher und irgendwie fremd. Das passte doch alles nicht zu mir! Aber die Not in mir war unglaublich groß. Da waren zwei ganz unterschiedliche Anteile in mir: meine freiheitsliebende Seite, die Angst vor zu viel Nähe, Verbindlichkeit und Enge hatte. Für diesen Anteil war der Gedanke an eine christliche Lebensgemeinschaft grauenhaft. Ich brauchte meine Freiheit, keine starren und spießigen Formen, an die ich mich halten musste. So stellte sich dieser Teil in mir das Leben in einem Auszeithaus zumindest vor.
Aber da war auch ein erschöpfter, sehnsüchtiger Anteil, der sich Unterstützung, Hilfe und eine neue Perspektive erhoffte. Der Anteil in mir, der einfach nicht mehr konnte und sich nichts sehnlicher wünschte, als Antworten auf all die Fragen, die in mir waren, und der dringend eine Lösung für mein Leben brauchte. Und letztlich war dieser Anteil der stärkere. Der Platz in diesem Auszeithaus war wie ein Strohhalm, an den ich mich klammerte. Ich hatte ja nichts zu verlieren, beruhigte ich mich selbst. Und zur Not würde ich ja einfach wieder heimfahren können. So wurde meine Krankschreibung...