E-Book, Deutsch, Band 9, 192 Seiten
Reihe: Leitlinien der Ergotherapie
Leitlinien der Ergotherapie, Band 9
E-Book, Deutsch, Band 9, 192 Seiten
Reihe: Leitlinien der Ergotherapie
ISBN: 978-3-456-95785-2
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Praxis verbessern, Versorgungsqualität steigern, Kosten sparen und Zufriedenheit der Klienten erhöhen: Die Anforderungen an die therapeutischen Gesundheitsfachberufe sind hoch. Praxisleitlinien stellen Informationen und Interventionen bereit - systematisch und evidenzbasiert.
Band 9: Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma
Das Gehirn ist unsere Schaltzentrale: Durch externe Gewalteinwirkung entstehen dort Verletzungen großen Ausmaßes, die eine Reihe von Beeinträchtigungen nach sich ziehen: Kognition, Emotion und Verhalten sind gleichermaßen wie der Körper beeinflusst und beeinträchtigt.
Die Leitlinie umfasst:
- Gegenstandsbereich und Prozess der Ergotherapie
- Überblick zu Schädel-Hirn-Trauma
- Ergotherapeutischer Prozess
- Best Practice und Zusammenfassung der Evidenz
- Schlussfolgerungen für Praxis, Ausbildung, Forschung
- Evidenzbasierte Praxis und Übersicht zur Evidenz
- Glossar aus dem Occupational Therapy Practice Framework (OTPF, 2014) des AOTA in deutscher Sprache
Zielgruppe
Ergotherapeuten in Wissenschaft, Lehre, Forschung und Praxis
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Physiotherapie, Physikalische Therapie Rehabilitation
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Physiotherapie, Physikalische Therapie Ergotherapie, Kreativtherapie (z. B. Kunst, Musik, Theater)
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis, Danksagung und Geleitwort;7
2;1 Einführung;17
2.1;1.1 Zweck und Verwendung dieser Veröffentlichung;17
2.2;1.2 Gegenstandsbereich und Prozess der Ergotherapie;18
2.2.1;1.2.1 Gegenstandsbereich;18
2.2.2;1.2.2 Prozess;20
3;2 Zusammenfassung;21
3.1;2.1 Charakteristik eines Schädel-Hirn-Traumas;22
3.2;2.2 Ergotherapie für erwachsene Klienten mit SHT;22
3.3;2.3 Überblick über die Praxisleitlinien;22
3.4;2.4 Methodik;22
3.5;2.5 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse;23
3.5.1;2.5.1 Interventionen zum Erregungszustand und Bewusstseinsstatus;23
3.5.2;2.5.2 Interventionen zu motorischen Beeinträchtigungen;23
3.5.3;2.5.3 Interventionen zu kognitiven Beeinträchtigungen;23
3.5.4;2.5.4 Interventionen zu Beeinträchtigungen des Sehens und der visuellen Wahrnehmung;24
3.5.5;2.5.5 Interventionen zu psychosozialen, emotionalen Beeinträchtigungen und Verhaltensbeeinträchtigungen;24
3.5.6;2.5.6 Interventionen zu Aktivitäten des täglichen Lebens hinsichtlich Betätigung und sozialer Partizipation;25
3.6;2.6 Empfehlungen und Konsequenzen für die Praxis;25
3.7;2.7 Fazit;27
4;3 Überblick zu Schädel-Hirn-Trauma;29
4.1;3.1 Definition und Epidemiologie;29
4.2;3.2 Symptome und Beeinträchtigungen;29
4.3;3.3 Klassifikationen;30
4.4;3.4 Inzidenz bei Angehörigen der Streitkräfte;31
4.5;3.5 Sportbedingte Gehirnerschütterungen;31
4.6;3.6 Erkennung und Behandlung;32
5;4 Der ergotherapeutische Prozess bei Erwachsenen mit SHT;33
5.1;4.1 Phasen und Settings;33
5.1.1;4.1.1 Die Akutphase;38
5.1.2;4.1.2 Die Rehabilitationsphase;39
5.1.3;4.1.3 Die ambulante Phase und das kommunale Leben;39
5.2;4.2 Überweisung;41
5.3;4.3 Evaluation;41
5.3.1;4.3.1 Betätigungsprofil;41
5.3.2;4.3.2 Analyse der Betätigungsperformanz;48
5.3.3;4.3.3 Performanzfertigkeiten;49
5.3.4;4.3.4 Klientenfaktoren;49
5.3.5;4.3.5 Performanzmuster;50
5.3.6;4.3.6 Kontext und Umwelt;50
5.3.7;4.3.7 Aktivitäts- und Betätigungsanforderungen;51
5.3.8;4.3.8 Überlegungen zu Assessments;52
5.4;4.4 Intervention;53
5.4.1;4.4.1 Interventionsplan;53
5.4.2;4.4.2 Implementierung der Intervention;53
5.4.3;4.4.3 Überprüfung der Intervention;54
5.5;4.5 Ergebnis und Ergebniskontrolle;54
5.6;4.6 Abschluss, Entlassungsplanung und Nachsorge;54
6;5 Best Practice und Zusammenfassung der Evidenz;69
6.1;5.1 Interventionen zum Erregungszustand und Bewusstseinsstatus;70
6.1.1;5.1.1 Multimodale Stimulation;70
6.1.2;5.1.2 Unimodale Stimulation;71
6.1.3;5.1.3 Nervenstimulation;71
6.2;5.2 Interventionen bei motorischen Beeinträchtigungen;71
6.2.1;5.2.1 Multidisziplinäre Rehabilitationsprogramme;72
6.2.2;5.2.2 Trainingsprogramme für Bewegung;72
6.2.3;5.2.3 Computergestützte Interventionen;72
6.3;5.3 Interventionen bei kognitiven Beeinträchtigungen;73
6.3.1;5.3.1 Probleme der exekutiven Funktionen, Aufmerksamkeit und/oder Selbstwahrnehmung;73
6.3.2;5.3.2 Gedächtnisprobleme;74
6.3.3;5.3.3 Allgemeine Kompensationsstrategien für multiple kognitive Bereiche;75
6.3.4;5.3.4 Wiederherstellende computergestützte Interventionen;75
6.4;5.4 Interventionen bei Beeinträchtigungen des Sehvermögens und der visuellen Wahrnehmung;75
6.4.1;5.4.1 Kognitive Interventionen;75
6.4.2;5.4.2 Adaptive Strategien;76
6.4.3;5.4.3 Scannen;76
6.4.4;5.4.4 Sehtraining;76
6.5;5.5 Interventionen bei psychosozialen, emotionalen Beeinträchtigungen oder bei Verhaltensbeeinträchtigungen;77
6.5.1;5.5.1 Beratung;77
6.5.2;5.5.2 Peer Mentoring;78
6.5.3;5.5.3 Zielmanagement und Kompetenzen dazu;78
6.5.4;5.5.4 Sportliche Betätigung;78
6.5.5;5.5.5 Training von Kompetenzen;78
6.5.6;5.5.6 Kognitive Verhaltenstherapie (CBT);80
6.6;5.6 Interventionen für tägliche Aktivitäten und soziale Partizipation/Teilhabe;81
6.6.1;5.6.1 Klientenzentrierte Ziele und relevanter Kontext;81
6.6.2;5.6.2 Gemeindebasierte Rehabilitationsprogramme;81
6.6.3;5.6.3 Multidisziplinäre und interdisziplinäre Behandlungsmaßnahmen;82
6.6.4;5.6.4 Interventionen zur Mobilität in der Öffentlichkeit;82
6.6.5;5.6.5 Training sozialer Kompetenzen und Peer Mentoring;83
7;6 Schlussfolgerungen für Praxis, Ausbildung und Forschung;85
7.1;6.1 Schlussfolgerungen für die Praxis;85
7.2;6.2 Schlussfolgerung für die Ausbildung;89
7.3;6.3 Schlussfolgerung für die Forschung;90
7.4;6.4 Fazit;91
8;7 Anhänge;93
8.1;A Vorbereitung und Qualifikationen von Ergotherapeuten und Ergotherapie-Assistenten;93
8.2;B Selected CTPTM Codes for Occupational Therapy Evaluations and Interventions;95
8.3;C Constraint-Induced Movement Therapie (CIMT) und zusätzliche Interventionen;98
8.4;D Evidenzbasierte Praxis;101
8.5;E Übersicht zur Evidenz;106
9;Literatur;163
10;Sachwortverzeichnis, Glossar, Herausgeberin und Übersetzerinnen;191
3 Überblick zu Schädel-Hirn-Trauma
3.1 Definition und Epidemiologie
Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist ein komplexer Zustand, der mit variierenden Schweregraden durch Beeinträchtigungen im kognitiven, physischen, psychologischen, emotionalen und verhaltensbezogenen Bereichen charakterisiert wird. Die Vereinigung Schädel- Hirn-Trauma der USA (Brain Injury Association of America, BIAA; 2012a) definiert ein Schädel-Hirn- Trauma als eine Veränderung von Gehirnfunktionen oder anderen Hinweisen auf pathologische Veränderungen im Gehirn, die durch eine externe Ursache entstanden ist.
In den USA sind jährlich schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen von einem SHT betroffen und es ist eine der häufigstenUrsachen, die zum Tod oder zu einer Behinderung führen. Meistens wird ein SHT durch Stürze, Kraftfahrzeugunfälle, Stöße durch oder gegen einen Gegenstand ausgelöst. Zwar kann ein SHT jeden Menschen in jeder Altersstufe treffen, aber es tritt häufiger bei Kindern bis vier Jahren, Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen (15–19 Jahren) und Erwachsenen ab 65 Jahren und älter auf. Männer aller Altersgruppen sind häufiger als Frauen betroffen (Centers for Disease Control and Prevention CDC, 2015a; Cuthbert et al 2015). Die jährliche Todesrate durch ein SHT, vor allem bei Menschen bis 44 Jahren, konnte durch den Fortschritt in der Medizin, erhöhte Sicherheitsvorkehrungen sowie Präventionsprogramme (z. B. Automobilsicherheit, Sturzpräventionsstrategien, mehr Sicherheit bei Sport- und Freizeit, Gewaltvermeidung) um 8,2 % gesenkt werden (CDC; 2011). Auf der anderen Seite aber führt diese Reduzierung auch dazu, dass es einen dramatischen Anstieg bei Menschen gibt, die mit den chronischen Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas leben müssen.
3.2 Symptome und Beeinträchtigungen
Die kognitiven, motorischen, sensorischen und emotionalen Beeinträchtigungen können die Fähigkeit erheblich einschränken, dass ein Mensch selbstständig seiner Arbeit und seinen Freizeitaktivitäten nachgeht. Die üblichen Symptome, die mit einem SHT in Verbindung gebracht werden, variieren je nach Schweregrad und können das Leben des betroffenen Menschen beeinträchtigen. Diese Symptome beinhalten Beeinträchtigungen der Denkfähigkeit (z. B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Urteilsfähigkeit, Planungsfähigkeit, Wahrnehmung, exekutive Funktionen, Selbstwahrnehmung), der Sinnesempfindungen (Berührung, Geschmack, Geruch, Sehen, Hören), der Sprache (Kommunikation, sich ausdrücken, verstehen) und psychologische Probleme sowie Verhaltensbeeinträchtigungen (z. B. Depression, Angst, Veränderungen der Persönlichkeit, Aggression, unangemessenes Verhalten; BIAA, 2012b; CDC, 2015a). Eine der häufigsten kognitiven Einschränkung, die mit einem schweren SHT einhergeht, ist die Anosognosie, die psychologische Unwissenheit über die eigenen Beeinträchtigungen. (Sherer, Bergloff, Boake, High & Levin 1998). Zusätzlich können Menschen nach einen SHT unter chronischen Komplikationen leiden, wie Mobilitätsbeeinträchtigungen (z. B. Spastik, Hemiplegie, Dystonie, verringertes Gleichgewicht, verminderte Kraft, Osteoporose), neurologische Probleme (z. B. Epilepsie, Kopfschmerz, Schmerzen), Stoffwechselprobleme, Schluckbeeinträchtigungen, Darmprobleme, Inkontinenz, Schlafbeeinträchtigungen, sensorische Beeinträchtigungen, Gefäßschäden (Murphy & Carmine, 2012; Reed 2014) und vestibuläre Beeinträchtigungen (Basford et al., 2003). Es kann eine lebenslange Herausforderung sein, mit diesen körperlichen Beeinträchtigungen zurechtzukommen, da sich zu erwartende Verbesserungen sechs Monate nach dem Ereignis verlangsamen (Walker & Pickett, 2007). Klienten zeigen häufig Beeinträchtigungen im Gangbild, der posturalen Kontrolle und Gleichgewichtsprobleme. Diese können dann wiederum dazu führen, dass sie in ihrer Fähigkeit limitiert sind, ihrer Arbeit, der Schule und Freizeitaktivitäten nachzukommen (Perry, Woollard, Little & Shroyer, 2014). Für zusätzliche Beispiele hinsichtlich der Beeinträchtigungen nach einem Schädel- Hirn-Trauma siehe auch Tabelle 3-1.
3.3 Klassifikationen
Es gibt zwei Hauptklassifikationen des SHT: (1) gedeckte Schädel-Hirn-Verletzungen und (2) offene Schädel-Hirn-Verletzungen. Bei gedeckten Schädel- Hirn-Verletzungen entsteht durch die einwirkende Kraft keine Fraktur am Schädel, wohingegen eine offene Schädel-Hirn-Verletzung durch eine Fraktur des Schädels gekennzeichnet ist. Das SHT ist auch zeitlich klassifiziert in primär oder sekundär, je nachdem, ob die Verletzung aus dem eigentlichen Unfall entstanden ist oder ob die Ereignisse, die im Gehirn entstanden sind, eine sekundäre Folgeerscheinung des Unfalls sind. Der Grad der ursprünglich neurologischen Verletzung wird in leicht, mittelschwer und schwer eingeteilt (BIAA, 2012a).