Wessel | Das schmutzige Geschäft mit der Antike | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 184 Seiten

Reihe: Politik & Zeitgeschichte

Wessel Das schmutzige Geschäft mit der Antike

Der globale Handel mit illegalen Kulturgütern

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

Reihe: Politik & Zeitgeschichte

ISBN: 978-3-86284-311-4
Verlag: Links, Christoph, Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Geschäft mit geraubten Kulturgütern boomt. Im Schatten der politischen Erschütterungen im Nahen Osten und in Nordafrika kommt es zu beispiellosen Plünderungen antiker Stätten. Gleichzeitig werden Kunstgegenstände als Geldanlage international immer gefragter. Auch Terrorgruppen wie der IS finanzieren sich wohl durch geraubte Kulturgüter. Weltweit wird – so vermuten es Strafverfolger – nur mit Drogen und Waffen mehr illegales Geld gemacht. Günther Wessel hat sich in diesen "diskreten Markt" hineinbegeben.
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Einleitung
Der Handel mit illegalen Kulturgütern: Ein unseliger Boom
Alles beginnt mit dem Sammler, der zu einem Händler oder zu einer unsauberen Auktion geht, um ein Objekt zu kaufen. Er ist der Erste in der Reihe, der zahlt. Und alle anderen sind seine Komplizen: derjenige, der es außer Landes schmuggelt, der, der ausgräbt, und derjenige, der Kinder zum Ausgraben anheuert. Monica Hanna, Archäologin Es ist eine verschwiegene Szene. Eine, die nicht auffällt, die gediegen daherkommt, die kultiviert über ihre Stücke spricht, die vom Atem der Geschichte schwärmt, den Zeugnissen der Vergangenheit, von jahrtausendealter Kulturgeschichte, die so fassbar würde. Eine Szene, die sich für die Ästhetik ihrer Sammlerstücke begeistert, aber nur selten wissen will, dass an diesen manchmal Blut klebt, sie häufig illegal aus ihren Herkunftsländern ausgeführt wurden. Aus dunklem Hintergrund strahlen sie den Betrachter an: eine Isiskrone aus Ägypten, ein sabäisches Kalksteinidol, der späthellenistische bronzene Kopf eines Maultieres. Das Fragment eines hölzernen ägyptischen Sarkophages. Und 657 weitere Objekte, alle schön fotografiert. Ein Auktionskatalog. Mehr als 330 Seiten, Hochglanz, Schutzgebühr 15 Euro. Sehr edel, sehr aufwendig. Doch in einem Punkt sind die ansonsten sehr präzisen Beschreibungen im Katalog recht ungenau: bei der Herkunftsbezeichnung, der sogenannten Provenienz. »Seit 1982 in englischem Familienbesitz« heißt es beispielsweise bei einer römischen Marmormänade, die für 140 000 Euro verkauft wurde. Oder: »Aus US-amerikanischer Privatsammlung erworben vor 1983«. Das meiste Geld brachte ein Porträt Cäsars: 160 000 Euro zahlte jemand für den nasenlosen Marmorkopf. Insgesamt erlöste die Auktion an einem Frühsommertag im Jahr 2014 knapp 1,8 Millionen Euro. Es war nur eine von mehreren Antikenauktionen, die das angesehene deutsche Auktionshaus Gorny & Mosch jährlich durchführt. Auktionshäuser gibt es viele, auch solche, die wie Christie’s oder Bonhams in London noch weitaus teurere Stücke handeln. Das Museum von Northampton in England ließ im Juli 2014 trotz aller Proteste aus Großbritannien und Ägypten über das Auktionshaus Christie’s eine etwa 4500 Jahre alte Kalksteinstatue versteigern. Die 75 Zentimeter hohe Skulptur des Schreibers Sekhemka war einem ungenannten Bieter knapp 16 Millionen Pfund, etwa 20 Millionen Euro, wert. Ob die Statue noch einmal öffentlich gezeigt wird, ist fraglich. Der erzielte Preis reiht sich in Rekordsummen ein: 2007 brachte eine Artemis-Figur aus einem Museum in Buffalo (USA) bei einer Auktion in New York 28,6 Millionen US-Dollar und eine nur acht Zentimeter große mesopotamische Löwinnenfigur im selben Jahr ebenfalls in New York gar 57 Millionen US-Dollar. Der Markt für Kunstgegenstände früherer Hochkulturen ist lukrativ, die Nachfrage groß und die Versuchung groß, diese nicht nur auf legalem Wege zu befriedigen. Mir war die Szene lange unbekannt. In Brüssel, wo ich mehrere Jahre lebte, finden sich in den Seitenstraßen des Grand Sablon, eines Platzes im Herzen der Stadt, nicht nur die schönsten und auch teuersten Schokoladen- und Pralinenläden der Erde, sondern auch einige sehr exquisite Geschäfte, die mit Antiquitäten und Antiken handeln. Die meisten haben nur kurze Geschäftszeiten, dafür wird eine Telefonnummer angegeben. Man muss anrufen, will man das Angebot, das durch die Scheiben schimmert, näher in Augenschein nehmen. So pressten wir die Nasen an die Schaufenster, wunderten uns kurz, woher die Fülle an ägyptischen Kanopen, Rollsiegeln aus Mesopotamien oder streng blickenden Idolen von den Kykladen stammte, gingen dann aber weiter, um bei Pierre Marcolini Schokoladenkunstwerke eher zu bestaunen als zu kaufen oder an der Bude vor der Kirche Notre-Dame de la Chapelle eine Portion Pommes frites zu verspeisen. 2003 dachte ich wieder an diese Läden. In diesem Frühjahr gingen die Bilder vom geplünderten Irakischen Nationalmuseum in Bagdad durch die Weltpresse. Innerhalb von zwei Tagen war das Museum ausgeraubt worden. Die Räuber rafften Zeugnisse aus 7000 Jahren Zivilisationsgeschichte zusammen. Sie zerschlugen Statuen und raubten deren Köpfe, zertrümmerten Vitrinen, stahlen, was ging. Keiner hinderte sie daran, kein Panzer stand vor dem Museum, um die Kultur zu schützen (vor dem Energieministerium hatten die Amerikaner Panzer auffahren lassen). Rund 15 000 Kunstwerke sollen entwendet worden sein – assyrische Plastiken aus Bronze, Goldarbeiten der Sumerer, zahlreiche Rollsiegel mit Keilschrifttexten. Was passierte mit dem Beutegut? Viersen, Sommer 2010: Die Polizei der Stadt am linken Niederrhein bekommt einen Tipp aus den nahen Niederlanden. Jahrtausendealte Kunstschätze aus Mesopotamien sollen verkauft werden. Ihr angeblicher Wert: 15 Millionen Euro. Die Polizei handelt schnell und schickt einen verdeckten Ermittler zu dem Kunstdeal, der in einer Viersener Spielhalle über die Bühne gehen soll. Vier Händler – zwei Iraker, zwei Deutsche (einer mit irakischen, einer mit türkischen Wurzeln) aus Viersen und den Nachbarstädten Krefeld und Mönchengladbach. Die potenziellen Käufer stammen aus der Türkei und waren über die Schweiz nach Viersen gereist. Doch der Deal platzt. Die Polizei sucht nun undercover den Kontakt zu den Händlern. Beamte geben sich als interessierte Käufer aus. Die Händler stimmen einem Treffen, wieder in der Spielhalle, zu und bieten eine Terrakottafigur aus der Isin-Larsa-Zeit (2. Jahrtausend v. Chr.) und vier Rollsiegel für 2,5 Millionen Euro an. Sie werden verhaftet, bei einer Hausdurchsuchung findet die Polizei weitere neun Artefakte, das älteste circa 5000 Jahre alt. Unter den Fundstücken ist auch ein Rollsiegel aus grünem Calcit, das noch 2003 im Irakischen Nationalmuseum ausgestellt war. Doch nur wenige Tage später sind die Dealer wieder auf freiem Fuß. Man konnte sie nicht belangen, da nicht beweisbar war, dass die Männer wissentlich mit Hehlerware gehandelt hatten. Brüssel, Sommer 2014: Der französische Archäologe Olivier Perdu spaziert durch das Antiquitätenviertel am Place Sablon. In der Auslage eines Händlers entdeckt er das Fragment einer ägyptischen Statue. Er ist verdutzt: Grüner Stein, knappe 15 Zentimeter hoch, erinnerte sie ihn an eine andere Statue, die er 1989 im Ägyptischen Museum in Kairo intensiv untersucht hatte. Das Brüsseler Stück scheint ein Zwilling zu sein. Perdu sieht genauer hin und stellt fest: Es sieht dieser Statue nicht nur ähnlich, es ist ein Teil von ihr – die Antike wurde bei der Plünderung des Museums im Jahre 2011 zerschlagen und gestohlen, kam auf verschlungenen Wegen nach Brüssel und wurde nun als aus altem Besitz stammend ausgegeben. Inzwischen befindet sich das Objekt wieder in Kairo. Der Brüsseler Händler, der von der Herkunft des Artefakts angeblich nichts wusste, betreibt weiter sein Geschäft. Seit etwa 20 Jahren boomt das Geschäft mit geraubten Kulturgütern. Schon früher wurde in vielen Ländern illegal gegraben – auch in Deutschland –, schon früher wurden Grabungsfunde illegal ausgeführt. Im Jahre 1983 verabschiedete Ägypten sein aktuelles Antikengesetz: Seither ist der Handel mit ägyptischen Antiken sowohl innerhalb des Landes als auch deren Verkauf ins Ausland verboten. Ägypten gab sich erst spät solch ein Gesetz; aus Griechenland dürfen schon seit 1834 keine Antiken mehr ins Ausland verkauft werden, aus der Türkei und den anderen Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches wie dem Irak und Syrien seit 1869. Seit die Preise für Kunst steigen und der Nahe Osten und Nordafrika immer mehr von politischen Unruhen erschüttert werden, nehmen die Raubgrabungen zu, wie mir zahlreiche Archäologen vor Ort bestätigten. Noch in den 1990er Jahren nahmen Händler, Sammler und auch Museen an, dass der Handel mit Antiken weitgehend legal sei. Viele Antiken, die damals auf den Markt kamen, stammten wirklich aus alten Sammlungen. »Damals haben sich viele Leute mit Geld auf Antiken gestürzt«, sagt der Archäologe Michael Müller-Karpe vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz. »Aktien sind in ihrem Wert verfallen, auch Devisenspekulationen waren nicht mehr so lohnend. Damals kamen tatsächlich alte Schweizer Sammlungen zum Verkauf. Und diese Objekte waren gesucht, denn man konnte sicher sein, sie stammen nicht aus neuen Grabungen. Da gab es Dokumentationen, die lange zurückreichten.« Kam doch mal ein Stück aus einer neueren Raubgrabung – und Müller-Karpe beeilt sich zu versichern, dass die Objekte aus den alten Schweizer Sammlungen mitnichten unbedingt legal erworben wären – auf den Tisch eines Kunsthändlers oder Auktionshauses, so sprach man von einem Einzelfall, dem berühmten faulen Apfel in einem ansonsten gesunden Obstkorb. Doch irgendwann wurde deutlich, dass diese Annahme falsch war. Spätestens als der englische Journalist und Kulturhistoriker Peter Watson gemeinsam mit der italienischen Journalistin Cecilia Todeschini im Jahr 2006 das Buch »Die Medici-Verschwörung. Der Handel mit Kunstschätzen aus Plünderungen italienischer Gräber und Museen« vorlegte, war klar, dass ein großer Teil des Antikenhandels in illegale Aktivitäten verstrickt ist. So wurde damals bewiesen, dass Marion True, die zuständige Kuratorin das Getty-Museums in Malibu, Kalifornien, zahlreiche Stücke aus Raubgrabungen in Italien und Griechenland für die Sammlung erworben hatte. Trotzdem argumentieren viele Händler noch heute, dass der Handel für den Erhalt der Antiken wichtig sei. Nur der monetäre Mehrwert würde Bauern in irgendeinem Land dazu bringen, archäologische Zufallsfunde nicht wegzuwerfen. Ursula Kampmann, Sprecherin der...


Jahrgang 1959, Studium der Germanistik und Philosophie; seit mehr als 20 Jahren freier Journalist und Lektor; Verfasser zahlreicher Reiseführer und Biografien sowie Hörfunkfeatures für alle großen deutschen Rundfunkanstalten; von 1998 bis 2001 Journalist in Washington DC, von 2002 bis 2007 in Brüssel, seit September 2007 in Berlin.


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