Wengler | Emotionales Erleben der mündlichen Fehlerkorrektur | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 29, 376 Seiten

Reihe: Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung

Wengler Emotionales Erleben der mündlichen Fehlerkorrektur

Eine Einschätzung von Lernenden im Französischunterricht

E-Book, Deutsch, Band 29, 376 Seiten

Reihe: Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung

ISBN: 978-3-8233-0497-5
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mündliche Fehlerkorrektur ist ein emotionsauslösender Faktor, darüber besteht Konsens. Jedoch wurde bisher kaum erforscht, welche Emotionen durch mündliche Fehlerkorrektur ausgelöst werden und welche Faktoren damit zusammenhängen. Dies verwundert, denn Emotionen haben nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Lernen und Leistung. Die Studie schließt diese Forschungslücke. Untersucht wurde das emotionale Erleben von über 450 Schüler:innen an Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien mittels eines mixed-methods-Forschungsdesigns bestehend aus einer quantitativ-qualitativen Fragebogenerhebung und Unterrichtsaudiographie. Die aus den Ergebnissen der Studie abgeleiteten Implikationen für die Praxis können zur Ausbildung eines emotional vorteilhaften Korrekturstils beitragen.

Dr. Jennifer Wengler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Didaktik der romanischen Sprachen an der Leibniz Universität Hannover.
Wengler Emotionales Erleben der mündlichen Fehlerkorrektur jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1.1 Fehler
1.1.1 Begriffsbestimmung
Umgangssprachlich wird ein Fehler verstanden als „etwas, was falsch ist, vom Richtigen abweicht“, eine „Unrichtigkeit“, eine „irrtümliche Entscheidung, Maßnahme“, eine „schlechte Eigenschaft, Mangel“ oder ein „Fehlgriff“ (Duden o. J.). „Das Wort ‚Fehler‘ leitet sich ab aus dem Verb ‚fehlen‘, das zunächst lediglich einen Mangel und erst im Nachgang dazu, im Sinne von Verfehlen, eine Abweichung zum Ausdruck bringt“ (Kobi 1994: 5). Fehler sind laut Kobi (1994: 6) per se intentionswidrig, sie unterliefen unbeabsichtigt. Gleichzeitig hängt die Eigenschaft des Fehlers vielmehr davon ab, ob er als solcher wahrgenommen wird. Weingardt (2004: 233) formuliert in dem Versuch einer transdisziplinären Fehlerdefinition vier definitorische Voraussetzungen für ein Fehlerurteil; diese sind Subjektivität, das Bestehen einer Alternative, Kontext und Verantwortlichkeit. Subjektivität bezieht sich darauf, dass das Fehlerurteil als ein sachbezogenes Urteil eines Subjektes (oder einer Gruppe von Subjekten) nach einem Wahrnehmungs-, Analyse- und Bewertungsvorgang abgegeben werde (ebd.). Zudem setze das Fehlerurteil das Vorhandensein von mindestens einer als günstiger beurteilten Alternative voraus (ebd.). Weiterhin hänge es vom spezifischen Kontext und den diversen Auswirkungen einer Variante in diesen Kontextbezügen ab (ebd.). Verantwortlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nur von einem Fehler gesprochen werden könne, wenn es dem Menschen gemäß der inneren und äußeren Situation möglich gewesen wäre, jene andere (als günstiger beurteilte) Alternative zu wählen oder anzustreben. Diese definitorischen Sätze haben auch für den fremdsprachlichen Kontext Bedeutung. Die Definition des Begriffs Fehler ist weiterhin abhängig vom zugrunde liegenden Erkenntnisinteresse (Kleppin 2010a: 224). Fehler im fremdsprachendidaktischen Kontext lassen sich z. B. nach Doff und Klippel (2007: 198) folgendermaßen definieren: Unter ‚Fehler‘ versteht man in der Fremdsprachendidaktik die Abweichung von einer verbindlichen Norm, das heißt einen Verstoß gegen sprachliche Richtigkeit, Regelhaftigkeit oder Angemessenheit, kurz: eine Form, die zu Missverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten führen kann. Fehler markieren „Unsicherheiten im gegenwärtigen Repertoire der Lerner“ (Macht 1998: 355) und sind „zwangsläufig auftretende Abweichungen vom normativen Sprachsystem“ (Nieweler 2005: 3). Ähnliche Definitionen liefert Kleppin (2000: 22): „Ein Fehler ist eine Abweichung von einem Sprachsystem“, „Ein Fehler ist eine Abweichung von der geltenden linguistischen Norm“ und „Ein Fehler ist ein Verstoß dagegen, wie man innerhalb einer Sprachgemeinschaft spricht und handelt“ (vgl. hierzu auch Kleppin 2010a). Die Begriffe „verbindliche Norm“ oder „normatives Sprachsystem“ sind relativ. Auch „Fehler“ ist insofern ein Relationsbegriff, als dass er von einem Bezugssystem bzw. Referenzrahmen abhängig ist (Kobi 1994: 6). Voraussetzung für Fehler ist das Vorhandensein eines locus of control, d. h. eine Kontrollinstanz, die die Normeinhaltung überwacht (ebd.). Im Unterricht steht in erster Linie die Lehrkraft für das normative Sprachsystem, an dem sich die Schüler*innen orientieren. Aber auch das genutzte Lehrwerk, eine (von einer Institution) herausgegebene Grammatik, ein (analoges oder digitales) Wörterbuch oder andere digitale Instanzen können eine sprachliche Norm für Lernende repräsentieren. Die Entscheidung darüber, ob es sich um einen Fehler handelt oder nicht, trifft im Allgemeinen jedoch die Lehrkraft. Diese wiederum ist im Regelfall kein*e Muttersprachler*in und begeht womöglich gemäß dem normativen Sprachsystem eines native speaker ebenfalls Fehler. Selbst unter Letzteren besteht mit Blick auf Sprachvarietäten keine Uniformität hinsichtlich des normativen Sprachsystems, obgleich Standardvarietäten in der Regel mit der Sprachnorm gleichgesetzt werden (Ammon 2016). Ammon (2016: 649) hält zur Analyse einer Sprachnorm die von Wright (1971) vorgeschlagenen Aspekte für wichtig: Inhalt (content, bezieht sich auf das, was vorgeschrieben oder zu befolgen ist) Modus (character, bezieht sich auf den Muss- oder Kann-Charakter einer Norm) Anwendungsbedingungen (condition of application, bezieht sich darauf, ob Normen kategorial oder hypothetisch sind und somit auf den sprachlichen oder außersprachlichen Kontext) Autoritäten (authority, bezieht sich auf diejenigen, die die Einhaltung überwachen) Situationen (occasions, in denen die Norm gültig ist) Sanktionen (sanctions, die bei Zuwiderhandlungen eintreten) Verbreitung einer Norm (bezieht sich auf das subject, welches individuellen oder kollektiven Normen folgt) Eine Autorität kann nach Ammon (2016: 649) die Lehrkraft darstellen, eine Situation, die in der Schule verwendete Sprache, die vom häuslichen Gebrauch abweicht, und eine Sanktion können schlechte Noten sein. Kleppin (2010b) weist darauf hin, dass der Begriff Sprachnorm kritisiert werden könne, weil ihm die Annahme zugrunde läge, dass es ein vom Individuum unabhängiges Regelsystem und eine allseits akzeptierte linguistische Norm einer Sprache gäbe. Für schwierig hält Ammon (2016) darüber hinaus die Unterscheidung von Sprachnorm und Regel, da diese bisweilen synonym verwendet würden. Zuweilen würden Regeln aber auch als Konventionen, psychische Strategien der normbefolgenden Individuen oder „nur als Konstrukte der Linguisten“ betrachtet (Ammon 2016: 648f.). Kleppin (2000: 20ff.) unterscheidet fünf Kriterien, anhand derer festgestellt werden kann, ob ein Fehler vorliegt (vgl. hierzu auch Kleppin 2010b). Dies sind die sprachliche Korrektheit, die Verständlichkeit, die Situationsangemessenheit, unterrichtsabhängige Kriterien sowie Flexibilität und Lernerbezogenheit. Gemäß dem Kriterium Korrektheit wird ein Fehler als eine Abweichung vom Sprachsystem oder von einer geltenden linguistischen Norm verstanden (ebd.: 20). Definitionen wie „Ein Fehler ist das, was ein Kommunikationspartner nicht versteht“ oder „Ein Fehler ist das, was ein Muttersprachler nicht versteht“ nehmen Bezug auf die Verständlichkeit einer Äußerung (ebd.). Die Situationsangemessenheit bezieht sich auf das, „was ein Muttersprachler in einer bestimmten Situation nicht sagen oder tun würde“ (ebd.: 21), d. h. Verstöße gegen eine sozio-kulturelle, pragmatische Norm und Verhaltenserwartungen wie Regeln der Höflichkeit (Kleppin 2010b: 1061). Die benannten Kriterien eignen sich für den unterrichtlichen Kontext nur bedingt, weswegen unterrichtsabhängige Kriterien einbezogen werden können. Gemäß diesen Kriterien kann u. a. ein Fehler das sein, „was gegen Regeln in Lehrwerken und Grammatiken verstößt“ (Kleppin 2000: 21). Die Beurteilung von (mündlichen) Schüler*innenfehlern hängt in erster Linie aber von verinnerlichten Regeln bzw. vom normativen Sprachsystem der Lehrperson ab: „Ein Fehler ist das, was ein Lehrer als Fehler bezeichnet“ und „Ein Fehler ist das, was gegen die Norm im Kopf des Lehrers verstößt“ (Kleppin 2000: 21) und somit wäre ein „Fehler […] dann existent, wenn gegen diese Norm verstoßen wird und der Lehrer dies bemerkt“ (Kleppin 2010b: 1061, vgl. auch Havranek 2002: 24). Edmondson (1986: 11ff.) unterscheidet dementsprechend zwischen U- und T-errors. U-errors beziehen sich auf Normabweichungen in Hinblick auf die Zielsprache, T-errors wiederum ergeben sich durch die Einschätzung der Lehrkraft, wobei mit Überschneidungen zu rechnen ist. Auch Lernende selbst können (eigene und fremde) Fehler markieren. Gemäß dem Kriterium der Flexibilität und Lernerbezogenheit wird ein Fehler als relativ verstanden; „was in einer Lerngruppe in einer bestimmten Unterrichtsphase als Fehler gilt, wird bei einer anderen in einer anderen Phase toleriert“ (Kleppin 2000: 22). Hierbei wird „[j]e nach Situation […] entschieden, ob, bei wem und unter welchen Umständen ein Fehler zu ignorieren, zu tolerieren oder zu korrigieren, wie er zu gewichten und zu bewerten ist“ (Kleppin 2010b: 1061f.). Dabei wird der individuelle Lernstand der Lernenden berücksichtigt und „[e]s interessiert demnach nicht mehr allein, ob ein Fehler objektiv feststellbar ist“ (ebd.: 1062). Je nach Unterrichtskontext und Lernziel(en) kommen unterschiedliche Kriterien bei der Fehlerbeurteilung im Unterricht zu tragen (vgl. Kleppin 2000: 22). Für die vorliegende Arbeit werden sprachliche Fehler nach Kleppin und Königs (1991: 16) verstanden als wahrgenommene […] und/oder bezeichnete […] Abweichungen vom Sprachsystem oder von einer erwarteten Äußerung oder Äußerungssequenz. Diese Wahrnehmung oder ‚Bezeichnung‘ kann durch alle Unterrichtsaktanten erfolgen […]. Kriterium für die Bezeichnung einer sprachlichen Äußerung als Fehler ist nicht mehr das Sprachsystem oder der Sprachgebrauch allein, sondern die sprachliche Äußerung, durch die Brille eines oder mehrerer der genannten Aktanten gesehen. Kleppin (2000: 22ff.) geht davon aus, dass vor der Korrektur eines Fehlers zunächst eine Fehleridentifizierung, Fehlerbeschreibung, Fehlererklärung und Fehlerbewertung stattfinden, bevor eine Fehlertherapie eingeleitet werden kann. Ihre Annahme deckt sich mit der Aussage Weingardts, dass ein falscher mündlicher oder...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.