Wedershoven | Im Schatten der Kopfweiden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Johanna Brenner und Axel Holtz

Wedershoven Im Schatten der Kopfweiden

Niederrhein Krimi
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96041-687-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Niederrhein Krimi

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Johanna Brenner und Axel Holtz

ISBN: 978-3-96041-687-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Tour de Force am Niederrhein.

Kommissarin Johanna Brenner wird von Berlin an den Niederrhein versetzt. Sie hat ihre Koffer noch nicht ausgepackt, als in Geldern der Leichnam einer Kinderärztin gefunden wird. Die junge Frau wurde erdrosselt und an der Friedhofsmauer abgelegt. Ist ihr stalkender Ex-Freund diesmal zu weit gegangen? Oder wollte der Vater eines kleinen Patienten verhindern, dass die Ärztin ihm das Jugendamt auf den Hals hetzt? Auf der Suche nach dem Täter legt sich Johanna schon bald mit ihren neuen Kollegen an – und gerät bei ihrem Alleingang in größte Gefahr.

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Dienstag, 14. November
Axel blieb einen Augenblick an der geöffneten Wagentür stehen und biss in das trockene Brötchen, das er sich auf dem Weg zum rechtsmedizinischen Institut besorgt hatte. Ganz auf nüchternen Magen wollte er sich das da drin nicht antun. Anders als vielen seiner Kollegen machten ihm zwar die Gerüche im Sektionssaal weniger aus, dafür drohte ihm beim Geräusch der Knochensäge regelmäßig schlecht zu werden. Sieben Uhr fünfzehn. Mann, war er pünktlich heute. Er steckte den Rest des Brötchens zurück in die Tüte und warf sie auf den Beifahrersitz. »Guten Morgen, Herr Holtz.« Die Stimme des Staatsanwalts klang morgenmüde. Axel reichte ihm die Hand. »Morgen, Herr Wittkopf. Ganz schön kalt, was?« »Ich musste schon kratzen. Warten wir auf Ihre neue Kollegin?« Sie gingen nebeneinander die Stufen zum Institut hoch. »Nein, die soll schon vor der Dienstbesprechung in die Wohnung der Toten. Außerdem musste sie die halbe Nacht Bericht schreiben.« Wittkopf zog die Augenbrauen hoch. »Ich hab’s schon gehört. Ein Alleingang am ersten Tag. Darüber werden wir reden müssen.« Axel klingelte an der Tür des Instituts. Hoffentlich wurde die Sache nicht zu hoch gehängt. Tom hatte schon begonnen, Stimmung gegen Johanna zu machen. Hatte angefangen zu sticheln. Dass sie doch vermutlich »andersrum« sei. Ihre Stimme, ihre Klamotten, ihr Gang. »Die ist doch ’n halber Kerl.« So hätte er Ostermann gar nicht eingeschätzt. Und wenn das nur eine billige Retourkutsche war, war es auch nicht besser. »Nach Ihnen.« Er ließ Wittkopf den Vortritt, als der Pförtner die Tür aufdrückte. In der Forensik schmückten eine Girlande und ein Schild mit der Aufschrift »Herzlichen Glückwunsch« die Tür von Frau Dr. Dengendorf. Der Staatsanwalt klopfte. »Die ist schon im Sektionssaal«, rief ihnen ein Mann im Kittel zu. »Geburtstag?«, fragte Axel nach. »Bestandene Facharztprüfung. Gestern.« Im grell erleuchteten Sektionssaal lag der Leichnam von Yvonne Hendricks bereits entkleidet auf dem Obduktionstisch. Axel blieb auf der Türschwelle stehen. Irgendetwas ließ ihn zurückprallen. Ein toter Körper. Je älter er selbst wurde, desto weniger konnte er sich gegen die Frage wehren, ob sich der Unterschied zu einem Lebenden allein am Stillstand biologischer Funktionen festmachen ließ. Alles hat seinen ganz eigenen Rhythmus, sinnierte Axel. Nicht nur Musik, Geräusche, Menschen. Sondern auch ein Baum oder ein Apfel schwangen für ihn in einer bestimmten Frequenz. Nur beim Anblick eines toten Körpers empfand er vollkommene Stille. Kopfschüttelnd riss er sich von seinen Gedanken los und schloss sich dem Staatsanwalt bei der Gratulation zur Fachärztin an. Silvia Dengendorf, eine kleine, energische Ärztin, deren spröde Art ihn zuweilen vor den Kopf stieß, nickte zum Dank. »Das bedeutet, dass ich heute die Obduktion leiten werde.« Die Andeutung eines Lächelns erschien auf ihrem Gesicht. In der Tür tauchte Lars Oehmen leicht außer Atem mit zwei Sektionsassistenten auf. »Gut, dann können wir ja loslegen. Also, Kollege Oehmen und ich haben gestern schon die Kleidung asserviert und Abstriche gemacht«, erklärte Dengendorf und ging zu einem Tisch, auf dem die Asservate lagen. »Einige ihrer Theorien zur Auffindesituation können wir bestätigen.« Oehmen nahm die größte Plastiktüte und legte sie so auf den Tisch, dass man die Rückseite des darin aufbewahrten Mantels sehen konnte. »Erd- und Laubspuren stimmen mit denen vom Fundort überein. Unterm Mikroskop kann man erkennen, dass die Wollfasern des Mantels im unteren Bereich in eine Richtung gedrückt wurden. Unser Opfer wurde also wie vermutet von hinten unter den Achseln gepackt und neben die Müllcontainer geschleift.« »Fremde Faserspuren oder DNA?«, fragte Axel nach. »Untersuchung läuft.« Axels Handy vibrierte in der Hosentasche. David. Auch schon wach. Sein Sohn hatte am Vorabend mit Chips und Energydrinks auf dem Sofa gehockt, als er nach Hause kam. Die Sporttasche mit Klamotten mitten im Flur. Wehe, der ging heute nicht zur Schule. »Unterkunft gegen Schulbesuch«, lautete der Deal. Axel drückte das Gespräch weg. »Entschuldigung.« »Das Blut vom Poller stammt von der Toten«, fuhr Dr. Dengendorf fort. »Unter ihren Fingernägeln war ebenfalls ihr eigenes Blut.« »Dann muss sie nach dem Sturz noch bei Bewusstsein gewesen sein und sich an die Wunde gefasst haben«, überlegte Axel laut. Die Rechtsmedizinerin sah ihn spöttisch an. »Die Schlussfolgerungen überlasse ich wie immer Ihnen, Herr Holtz. Wie schwerwiegend die möglichen subduralen oder epiduralen Einblutungen waren, kann ich erst nach der inneren Leichenschau sagen. Aber …«, sie winkte ihn näher an den Obduktionstisch heran und wies auf die kleinen roten Punkte rund um die Augen und hinter den Ohren, »Ihre Kollegin war so aufmerksam, die Petechien im Leichenbefundbericht zu erwähnen. Sie finden sich auch in der Mundschleimhaut und«, sie nahm eine Pinzette und zog eines der Augenlider nach oben, »in den Augenbindehäuten.« Axel schluckte. Die Sache mit den Lidern sah brutal aus. »Wir haben keine Würgemale oder Drosselmarken finden können gestern.« »Lag vielleicht am Licht. Und an der Frische der Leiche.« Silvia Dengendorf richtete eine Lampe auf den Hals. Tatsächlich sah Axel jetzt eine nur schwach bräunliche, horizontal um den Hals verlaufende Verfärbung. »Die Drosselmarke ist sehr breit. Muss sich um ein weiches Drosselwerkzeug gehandelt haben.« »Vielleicht ein Schal? Sie trug keinen, als sie gefunden wurde.« »Ich kann dir auch sagen, wie er vermutlich aussieht«, schaltete sich Lars Oehmen ein. Er hielt eine Asservatentüte mit so geringfügigem Inhalt hoch, dass Axel sich darüberbeugen musste, um etwas flockiges Weißes zu erkennen. »Wir haben Faserspuren an der Strangmarke gefunden. Ein Wolle-Kaschmir-Gemisch.« »Dann suchen wir nach einem hellen Kaschmirschal. Hat sie sich gewehrt?« Die Rechtsmedizinerin verneinte. »Keinerlei Eigenverletzungen am Hals. Der Täter hat wahrscheinlich schnell und fest von hinten zugezogen. Dafür sprechen auch die geringen Stauungszeichen oberhalb der Drosselmarke.« »Vielleicht war sie zu dem Zeitpunkt bereits durch die Kopfverletzung beeinträchtigt«, warf der Staatsanwalt von hinten ein. »Das sehen wir, wenn wir jetzt aufmachen.« Einer der Sektionsassistenten griff zum Skalpell. Aufmachen. Axel zog sich ins hintere Drittel des Raumes zurück und tastete nach den Ohrstöpseln in seiner Jackentasche. Auch Wittkopf sah etwas angespannt aus. »Haben Sie nicht was vergessen, Herr Kommissar?« Dr. Dengendorf sah ihn auffordernd an. »Oder sind Sie in Gedanken schon bei Ihrem Auftritt am Samstag?« Woher wusste sie das jetzt schon wieder? Sie war schon mal im Jazzkeller aufgetaucht. Vielleicht stand sie auf Jazz. Warum hatte er dann immer das Gefühl, sie machte sich über ihn lustig? »Sie wollen, dass ich sie offiziell identifiziere?« Kein Problem. Das Foto von den Eltern der Toten hatte er dabei. Aber er war sich auch so sicher. »Das meine ich nicht.« Sie warf einen prüfenden Blick auf den Assistenten, der gerade die Haut oberhalb des Haaransatzes eröffnete. »Sonst wollen Sie den Todeszeitpunkt am liebsten schon wissen, bevor ich Ihre Toten überhaupt auf dem Tisch habe.« »Frau Dr. Dengendorf. Da bin ich diesmal ganz entspannt. Wir haben eine Zeugenaussage, die –« »Na, wenn Sie sich lieber auf eine Zeugenaussage verlassen …« Sie drehte sich zu der Toten um und setzte die Knochensäge so rasch an, dass das durchdringende Kreischen Axel kalt erwischte. Hastig stopfte er sich die Schaumstoffstöpsel in die Ohrmuschel. Das war doch Absicht gewesen! Das Geräusch würde er heute so schnell nicht mehr los. Während die Sektion ihren Lauf nahm, stimmte Axel zur Gegenwehr innerlich ein Duett mit Nina Simone an: It’s a new dawn, it’s a new day, it’s a new love, for me, and I’m feeling – aber nein, er fühlte sich nicht gut. *** Der Traum ist vertraut. Die Fratze von Nowak, wütend, hasserfüllt. Sein Gesicht kommt näher, sie zieht ihre Waffe, kann nicht abdrücken. Er kommt näher und näher, aber sie steht wie erstarrt. – Dann liegt sie auf dem Rücken, eine gesichtslose Gestalt kniet auf ihrem Brustkorb und drückt ihr die Kehle zu. Sie bekommt keine Luft mehr, die Enge zieht ihre Lungenflügel zusammen, sie presst den Lauf der Waffe nutzlos in die Seite des Peinigers. Du musst schießen, weiß sie. Du wirst sterben, wenn du nicht schießt. Johanna rang nach Atem und tastete nach dem Lichtschalter. Für einen Augenblick fühlte sie sich orientierungslos. Im Zimmer war es stickig und viel zu warm. Die Bettdecke war zu zwei Dritteln auf den Boden gerutscht. Shit, sie war in ihren Klamotten eingeschlafen letzte Nacht. Während sie sich aus dem Bett kämpfte und das Dachfenster kippte, versuchte sie, die Traumreste loszuwerden. Nowak suchte sie öfter heim. Aber dass jemand sie würgte, war neu. Johanna beugte sich so weit wie möglich aus dem Fenster in die kalte Luft hinaus. Der Himmel war immer noch klar. In der gerade über dem Horizont aufgehenden Herbstsonne glitzerte etwas in den Furchen der umgepflügten Äcker. Hatte es gefroren? Ein Meisenpärchen saß aufgeplustert in der Kopfweide gleich hinter dem Haus, und am Horizont konnte sie den Rhein sehen. Niederrhein-Idylle. Wäre da nicht das schmerzhafte Pochen in ihrem Schädel. Wie spät war es eigentlich? Sieben Uhr fünfzig. Johanna fluchte. Zu spät, um noch pünktlich im...


Anja Wedershoven, 1968 in Rheydt geboren, wuchs mit Schnibbelskuchen, Hanns-Dieter Hüsch und dem Schimanski-Tatort auf. Sie studierte Kulturwissenschaften und Literatur und ist als Autorin dem Niederrhein treu geblieben. Am Kriminalroman faszinieren sie die Auseinandersetzung mit Menschen in Ausnahmesituationen und die Frage, welche Vorgeschichte Gewalttaten haben.



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