Wawrzyn | Maxis Nächte | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 348 Seiten

Wawrzyn Maxis Nächte

Kriminalroman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8393-6137-5
Verlag: BeBra Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 348 Seiten

ISBN: 978-3-8393-6137-5
Verlag: BeBra Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine junge Krankenschwester wird Opfer eines brutalen Gewaltverbrechers. Die Obduktion ergibt, dass sie nicht an ihren Verletzungen starb, sondern an einer rätselhaften Lungenkrankheit. Als kurze Zeit später der mit dem Fall betraute Gerichtsmediziner tot zusammenbricht und die Behörden seinen Körper unter Verschluss halten, wird Kommissar Max Talheim misstrauisch. Sind die Todesfälle der Beginn einer geheimnisvollen Epidemie? Ins Visier der Ermittler gerät ein Berliner Pharmakonzern, für dessen Geschäfte sich auch der BND interessiert ...

Lienhard Wawrzyn, geboren 1951 in Berlin, studierte Philosophie, Germanistik und Psychologie. Nach seiner Promotion lehrte er an der TU Berlin, der Hochschule der Künste und der Universität Bremen. Er absolvierte eine Ausbildung an der Filmakademie DFFB und arbeitete als Regisseur und Drehbuchautor, u. a. für zahlreiche Tatort-Folgen. Er veröffentlichte bereits erfolgreich Bücher, so z.B. im Wagenbach Verlag und im Luchterhand Literaturverlag.
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3


Im Traum spürte Bianka einen gleißenden Lichtstrahl auf ihrem Gesicht. Eine Stimme sagte: »Aufwachen, Schätzchen, du hast Besuch!« Sie wollte weglaufen; es ging nicht, ihre Glieder waren stocksteif, ihr Kopf dröhnte. Was für ein Albtraum!

»Aufstehen, Liebling, wir machen einen kleinen Spaziergang. Los, los!«

Mein Gott, das war kein Traum. Das war ein Einbrecher. Er stand vor ihrem Bett und richtete einen Scheinwerfer auf ihr Gesicht. Sie war jetzt hellwach, aber sie rührte sich nicht. Dann nahm sie alle Kraft zusammen und trat mit beiden Beinen in die Richtung, aus der das Licht kam. Der Lichtstrahl sprang zurück, begleitet von einem höhnischen Lachen. Die Stehlampe fiel um. Glas splitterte und knirschte unter seinen Schuhen. Der Kerl unterdrückte einen Fluch.

»Üben, Mädchen, üben. Und jetzt steh auf. Hoch, hoch, hoch!«

Zusammengekrümmt lag sie da. Sie sah ihn nicht. Aber sie spürte seine Blicke über ihren Körper gleiten. In ihrem Kopf arbeitete es.

»Na, wird’s bald?«

Der Kerl knipste das Deckenlicht an und steckte, ohne den Blick von ihr zu lassen, seine Stablampe weg. Sie drehte nur den Kopf, sah ihn an. Durch die Sehschlitze seiner Skimaske funkelten seine blauen Augen. Sie erstarrte; plötzlich hielt er ein Butterflymesser in der Hand. Während es rasend schnell durch seine Finger wirbelte, klapperte es metallisch, als würde es nur darauf warten, in ihr Fleisch einzudringen.

»Du legst dich jetzt auf den Bauch. Und zwar sofort.«

Sie rührte sich nicht.

Bogumil schoss unterm Bett hervor und flitzte aus dem Zimmer. Als er an dem Kerl vorbeikam, versetzte der ihm blitzschnell einen Tritt. Der Kater flog in hohem Bogen schreiend in den Flur.

»Ich sag es nicht noch mal.«

Die Stimme klang jetzt wirklich böse. Was hatte er vor? Wollte er sie …? Sie wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Sie legte sich auf den Bauch.

Lieber Gott, hilf mir, mach, dass dieser Mann mir nichts tut. Bitte, lieber Gott, steh mir bei. Mach, dass dieser Albtraum vorübergeht. Bitte, bitte. Sei mir gnädig.

Sie war nicht sehr religiös. Aber jetzt betete sie. Wenn Gott sie erhörte, wäre das eine Wende in ihrem Leben.

Der Maskenmann trat an ihr Bett. »Und jetzt: Hände auf den Rücken.«

Als sie sich nicht rührte, schob er sein Messer in ihre Pyjamahose. Ratsch, schnitt er den Gummi entzwei und zerfetzte den Stoff. Sie war wie gelähmt.

»Was ist? Hände auf den Rücken. Oder muss ich dir erst die Sehnen durchschneiden?«

Sie wusste, Gebete sind Anträge an Gott. Entweder sie werden angenommen oder abgeschmettert. Ihr Gesuch hatte Gott abgelehnt. Wahrscheinlich hatte er es nicht einmal selber bearbeitet. Ein Zittern lief durch ihren Körper. Sie legte die Hände auf den Rücken, fühlte, wie er ihre Handgelenke packte. Harte, glatte Fesseln schnitten in ihr Fleisch.

»Das tut weh! Das ist zu eng.«

Er zog sie an den Haaren hoch. »Komm jetzt, Schätzchen. Steh auf!«

»Wenn Sie Geld wollen, da drüben steht meine Handtasche.« Sie klammerte sich an diese Hoffnung. Aber sie hörte das triumphale Zittern in seiner Stimme, das nichts Gutes verhieß.

Er nahm ihre Handtasche, drehte sie um, zog die Scheine aus der Geldbörse und stopfte sie in seine Jacke. Auf dem Fußboden lag jetzt auch ihr Handy. Nur zwei Meter entfernt.

»So, und jetzt hoch!«

»Mehr ist hier nicht. Mehr Geld, meine ich.«

»Hoch, habe ich gesagt.«

»Aber meine Hose!« Sie stand auf. Ihre Hose rutschte runter.

»Die brauchst du nicht. Oder erwartest du noch Besuch?«

Der Dreckskerl schien die Situation zu genießen. Sie überlegte, was er vorhatte und wie sie ihm beikommen könnte. Die Hände auf dem Rücken gefesselt, würde ihre einzige Chance ein herzhafter Tritt in seine Hoden sein.

Er hielt Bianka am Unterarm fest und half ihr, aus der Hose zu steigen. Das Haus hatte Thermopenscheiben. Solange die Fenster geschlossen waren, würde niemand sie hören.

»Ich kriege keine Luft. Können wir nicht das Fenster aufmachen?« In diesem Augenblick merkte sie, dass ihr das Atmen tatsächlich schwerfiel. Er lachte höhnisch und ließ sein Butterflymesser durch die Finger fliegen. Dieses meckernde Lachen. Jetzt keine Angst zeigen, dachte sie, darauf wartete der nur. »Ich habe Asthma«, log sie.

»Schätzchen, du bist nackt da unten. Du willst doch nicht, dass dich jemand so sieht … Komm jetzt, sag mir, wo das Geld ist.«

Sie kannte Asthmakranke. Sie röchelte. Es klang wirklich bedrohlich.

»Hör auf damit!«

Sie sah ihn hilflos von der Seite an.

Er packte sie fester. »Hör auf damit, oder muss ich erst einen Luftröhrenschnitt machen?«

War er Mediziner? Feuerwehrmann? Sanitäter? Irgendwo hatte sie diese Augen schon mal gesehen. Es war ein Blau, das man nicht vergisst. Merkwürdig wässrig. Er ratschte mit der Klinge kurz in ihren Po. Aber Bianka hatte das Gefühl, dass er Blut vermeiden wollte.

»Sie Dreckhaufen!«, schrie sie und blieb stehen, spürte aber keinen Schmerz. Das war das Adrenalin. Sie kannte das von ihren Unfallpatienten. Er antwortete nicht und schob sie weiter. Was wollte das Schwein von ihr? Er hatte das Geld aus ihrer Börse achtlos weggesteckt, ohne es anzusehen. Wirklich interessiert am Geld schien er nicht zu sein. Also: Was wollte er wirklich?

Sie waren jetzt im Flur. Er öffnete die Tür zum Wohnzimmer, knipste Licht an, warf einen Blick hinein, dann die Tür zum Bad und schließlich zu ihrem ehemaligen Kinderzimmer, das jetzt voller Damenschuhe stand, rote, silberne, giftgrüne: Es waren Hunderte, die ihre Mutter über eBay verkaufte. Die kleinste Größe war 43, die Kunden waren Schwule, Transvestiten, Menschen, die ein Doppelleben führten. Ihre Mutter behauptete, sogar ein hoher Berliner Politiker hätte schon bei ihr bestellt.

Er führte sie zurück ins Schlafzimmer und stieß sie aufs Bett. Nein, er hatte kein Interesse am Geld. Er hatte vermutlich nur sehen wollen, ob jemand im Haus war, der ihn stören könnte. Er war vorsichtig, er war erfahren: Er machte das öfter. Die Art, wie er sie führte, immer einen Schritt hinter ihr, ließ ihr keine Chance für einen Angriff. Sie war Krankenschwester, sie war Stress gewohnt. Wenn er sie vergewaltigte, würde sie es über sich ergehen lassen. Den Gefallen, sich aufzubäumen und zu schreien und so seine Lust anzuheizen und ihr Unterwürfigkeit aufzuzwingen, würde sie ihm nicht tun. Und sie würde sich nicht noch selber fertigmachen. Sie brauchte ihre Energie, um sich jedes Detail einzuprägen. Sie würde ihn ertragen, wie die blutjunge, zwangsverheiratete Muslima, die heute ihre Patientin gewesen war, ihren Ehemann ertragen musste, der ihr zwei Rippen gebrochen und einen Schneidezahn ausgeschlagen hatte.

Irgendwie gut, dass er Gummihandschuhe trug, so blieben seine Berührungen auf ein Mindestmaß beschränkt. Sie war so matt heute. Plötzlich kam ihr das zugute. Bianka schloss die Augen und verwandelte sich in ein Stück lebloses Fleisch. Aber sollte er eine einzige falsche Bewegung machen, dann würde sie die Gelegenheit nutzen und ihm den Penis abbeißen.

Als alles vorbei war, führte er sie zum Bad. Im Flur blieb sie stehen und hoffte, dass sein Sperma auf den Teppich tropfte. Er stieß ihr seine Faust in die Nieren. Sie ging wie im Traum.

Sie musste unter die Dusche steigen. Dort nahm er ihr endlich die Fesseln ab. Schon hielt er wieder sein Messer in den Händen. Er drehte das Wasser auf. »Los, wasch dich!«

»Au! Das Wasser ist zu heiß.«

»Wirklich? Prima, dann isch esch genau richtig.«

Isch esch. Sein Akzent war der gleiche wie der von Jogi Löw, und der kam aus Baden. Einen winzigen Augenblick stand der Kerl in Reichweite für einen herzhaften Tritt. Als wenn er ihre Gedanken lesen könnte, machte er einen Schritt rückwärts, lehnte sich an die Badezimmertür und ließ das Messer klackernd durch die Finger seiner linken Hand gleiten.

»Können Sie nicht mit dieser albernen Spielerei aufhören?«

»Schnauze. Den Strahl richtig zwischen die Beine. Und nimm ordentlich Seife und da dösch Sagrotan. Das Sagrotan.«

Er hatte die ganze Zeit Hochdeutsch gesprochen. Jetzt merkte er seinen Fehler, sagte aber nichts. Sie legte die Seife weg.

»Habe ich gesagt, dass du fertig bist?«

Sie zuckte die Achseln und wusch sich weiter. Müdigkeit und...


Lienhard Wawrzyn, geboren 1951 in Berlin, studierte Philosophie, Germanistik und Psychologie. Nach seiner Promotion lehrte er an der TU Berlin, der Hochschule der Künste und der Universität Bremen. Er absolvierte eine Ausbildung an der Filmakademie DFFB und arbeitete als Regisseur und Drehbuchautor, u. a. für zahlreiche Tatort-Folgen. Er veröffentlichte bereits erfolgreich Bücher, so z.B. im Wagenbach Verlag und im Luchterhand Literaturverlag.



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