E-Book, Deutsch, 297 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Walz Einfach genial entscheiden im Falle einer Finanzkrise
2. aktualisierte und überarbeitete Auflage 2023
ISBN: 978-3-648-16961-2
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Konstruktive Crashgedanken
E-Book, Deutsch, 297 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-16961-2
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Hartmut Walz ist Verhaltensökonom und Entscheidungsexperte mit Schwerpunkt Finanzen und lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen a.Rh. Walz engagiert sich für den Verbraucherschutz rund um alle Geldthemen. Er ist wissenschaftlicher Beirat beim Bund der Versicherten e. V., Fellow der Bürgerbewegung Finanzwende e. V. und bei weiteren Verbraucherschutzvereinigungen ehrenamtlich aktiv. Er betreibt den unabhängigen, kosten- und werbefreien Hartmut Walz Finanzblog, einen YouTube-Kanal sowie einen Instagram-Account.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Wirtschaft: Sachbuch, Ratgeber
- Wirtschaftswissenschaften Volkswirtschaftslehre Finanzkrisen, Wirtschaftskrisen
- Wirtschaftswissenschaften Finanzsektor & Finanzdienstleistungen Anlagen & Wertpapiere
- Wirtschaftswissenschaften Finanzsektor & Finanzdienstleistungen Finanzkrisen
Weitere Infos & Material
2 Die Furcht vor dem Crash
2.1 Was ist ein Crash?
Definition von Crash und Unterscheidung von Crash-Arten
Interessanterweise gibt es unter Ökonomen keine einheitliche Definition des Begriffes »Crash«. Besonders merkwürdig mutet es an, wenn Crash-Autoren über hunderte von Seiten vor der angeblichen Unausweichlichkeit irgendwelcher Crashs warnen, ohne eine nähere Erläuterung zu geben, was sie darunter verstehen und wann überhaupt ein Crash vorliegt. Denn nicht jeder starke Preis- oder Kursrückgang eines Vermögensgegenstandes verdient gleich die Bezeichnung Crash. Und die inflationäre Verwendung des Begriffes verstellt den Blick darauf, dass sich sehr unterschiedlich schwere und folgenreiche Krisen dahinter verbergen können. Beispielsweise wurden mehrere starke kurzfristige Kursverluste, die jedoch innerhalb von ca. zehn (!) Minuten wieder (nahezu) ausgeglichen wurden, unter der Bezeichnung Flash-Crash bekannt. Solche extrem kurzfristigen – meist durch computergestützten Handel sowie Marktmanipulationen verursachten – Preisbewegungen müssen aber den Durchschnittsbürger nicht beunruhigen und werden ungeachtet der Wortgleichheit folglich in diesem Buch auch nicht als Crash verstanden.
Fragt man den viel zitierten »Mann auf der Straße«, so versteht dieser unter Crash mit höchster Wahrscheinlichkeit ganz einfach einen Börsencrash. Und mit Börse verbindet er »natürlich« die Aktienbörse. Also ist das übliche Verständnis von Crash für die meisten Menschen ein erheblicher Einbruch von Aktienkursen auf breiter Front, etwa der Wertverlust eines Leitindex um zwanzig oder mehr Prozent. Aber auch diesen Konsens bzw. diese Definition kann man kritisch hinterfragen. Nur wenige würden beispielsweise den Kursrücksetzer des Deutschen Aktienindex DAX im Jahr 2018 von 13.559 Indexpunkten auf 10.381 Indexpunkte als Crash bezeichnen – und das waren immerhin über 23 %. Die jedoch Ende 2019 angesichts eines Indexstandes von über 13.000 Punkten schon längst vergessen oder zumindest verdrängt waren. Hingegen hat sich der Begriff »Corona-Crash« für die Börsenereignisse im Frühjahr 2020 eingebürgert, obwohl die durch die Covid-Ängste ausgelösten Kursrückgänge an den Finanzmärkten nach wenigen Wochen schon wieder völlig ausgeglichen waren.
Daher sollten wir unser Verständnis von »Crash« viel weiter fassen. Könnte sich ein Crash nicht auch auf andere Anlageklassen wie z. B. Anleihen, Rohstoffe oder Immobilien beziehen?
Beispielsweise sind die weltweiten Anleihemärkte um mehr als das Doppelte größer als die weltweiten Aktienmärkte (auch wenn sie der Aufmerksamkeit der meisten Bürger völlig verborgen geblieben sind). Und viele Experten befürchten, dass der nächste Crash bei den Anleihen beginnen werde, und reden von einer noch nie dagewesenen Anleihe-Blase.
Ein Crash, der zweifelsfrei diese Bezeichnung verdient, ging in den Jahren 2008 und 2009 von der Anlageklasse Immobilien aus. Der rasche Preisverfall von Immobilien führte zum Ausfall von verbrieften Immobilienkrediten und löste damit einen Domino-Effekt aus, der schnell auf andere Anlageklassen und sogar die Realwirtschaft übergriff. Der Rest ist bekannt.
Es gibt zudem eine Vielzahl von Publikationen und Analysen, die sich mit Preiszusammenbrüchen einzelner, oft sogar randständiger Anlageklassen oder Güterarten, beschäftigen und diese als Crash bezeichnen. Schauen Sie z. B. auf die Google-Treffer, die bei den Suchbegriffen Gold-Crash, Silber-Crash, Ölpreis-Crash oder ganz allgemein Rohstoff-Crash erscheinen. Auch der Crash einzelner Krypto-Währungen gehört hierzu. Who cares???
Eine sinnvolle Unterscheidung von Crash sollte also nicht nur bei der Frage ansetzen, wie relevant die von Kursverlusten betroffene Anlageklasse ist, sondern auch, ob sich Preiszusammenbrüche auf eine einzige Anlageklasse beschränken oder mehrere Anlageklassen betreffen müssen, um von einem Crash zu sprechen.
ZUR BERUHIGUNG VORAB
Alle Anlageklassen gleichzeitig können nicht von einem Preisverfall betroffen sein. Wenn z. B. Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Immobilien gleichzeitig stark im Wert fallen würden, bedeutete dies nichts anderes, als dass die Anlageklasse »Cash«, also Bar- und Buchgeld (Näheres hierzu in Kapitel 5.3), im Vergleich hierzu ansteigt, also wertvoller wird. Denn nichts anderes bedeutet ja Deflation: Die Akteure erhalten bei Deflation mehr von den anderen Anlageklassen für die gleiche Menge Geldes.
Die folgende Abbildung 1 zu Dimensionen und Schwere möglicher Crashs verdeutlicht den Sachverhalt und macht verständlich, dass es zwischen Crash und Crash riesengroße Unterschiede gibt. Und dass wir uns über einen regionalen Aktien-Crash ebenso wenig Sorgen machen müssen wie über gelegentliche Flash-Crashs. Es sei denn, Sie sind Day-Trader oder Ultra-Speed-Trader. Aber dann lesen Sie gerade ohnehin im falschen Buch …
Abb. 1: Unterschiedliche Erscheinungsformen von Crashs nach Art und Schwere
Ein Crash kann sich rein auf die Finanzmärkte beschränken, z. B. wenn Aktien- und/ oder Anleihekurse auf breiter Front stark einbrechen (Stärke 1 bzw. 2 in der Abbildung). Jedoch kommt es schnell zur Übertragung von zunächst rein finanziellen Krisen auf die Realwirtschaft, also z. B. Konsumgüter-, Investitionsgüter- sowie Arbeitsmärkte (das ist in der Abbildung der Übergang von Stärke 2 auf 3). Allein die Phänomene Angstsparen und Konsumzurückhaltung bei Verbrauchern sowie Investitions- und Einstellungszurückhaltung bei Unternehmen übertragen geldwirtschaftliche Krisen schnell auf die Gütermärkte sowie den Arbeitsmarkt. Konjunktur wird eben in den Köpfen gemacht.
Womit man auch gleichzeitig bei der Frage nach der räumlichen Ausdehnung bzw. Begrenztheit einer krisenhaften Entwicklung wäre. Erfolgt die Beeinträchtigung lediglich lokal bzw. regional? Lassen sich die Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft bzw. einen Währungsraum begrenzen? Oder wirken die Effekte in spürbarer Weise über Währungsgrenzen hinweg – was bei einer globalisierten Wirtschaft sehr schnell der Fall sein kann (dies ist in der Abbildung der Übergang von Stärke 3 auf 4).
Ein wichtiger Hinweis auf die Schwere eines Crashs ist zudem die Frage, ob systemrelevante Institutionen (insbesondere große Banken, Versicherer, Bausparkassen oder Spezialkreditinstitute) bedroht sind (in der Abbildung der Übergang von Stärke 4 auf 5). Da ein großer Baum beim Stürzen meist noch ein paar andere mitreißt, die dann ihrerseits auch wieder andere mitreißen, sehen sich Staaten sehr schnell gezwungen, Institutionen zu retten, deren Insolvenz das (Finanz-)System insgesamt beeinträchtigen könnte. Beispielsweise kam es als Folge der Subprime-Krise von 2008/2009 zum Zusammenbruch systemrelevanter Institutionen (wie der Investment-Bank Lehman Brothers). Andere Institutionen mussten daraufhin mit öffentlichen Mitteln gestützt werden, damit sie ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen konnten – so. z. B. die beiden großen US-amerikanischen Kreditversicherer Freddie Mac und Fannie Mae oder die deutsche Commerzbank.
Bei großen Institutionen bzw. mehreren zu stützenden Institutionen und kleinen Staaten kann es hierdurch zu einer Überforderung des Staates mit der Gefahr eines Staatsbankrotts, also der Zahlungsunfähigkeit des gesamten Staatswesens, kommen (in der Abbildung der Übergang von Stärke 5 auf 6). So führte die staatliche Rettungsaktion der Anglo Irish Bank Corporation dazu, dass die Zahlungsfähigkeit des irischen Staates selbst lediglich durch eine Zentralbankintervention (Staatsfinanzierung durch die irische Zentralbank) gesichert werden konnte. Nach der Bank musste also der Staat »gerettet« werden.
Falls dies nicht gelingt und es zum Staatsbankrott kommt, kann ein Währungscrash die Folge sein. Das Vertrauen in die Währung ist zerstört und eine Flucht in andere Währungen oder Ersatzwährungen (»Zigarettenwährung«) ist die Folge. Bei einer Gemeinschaftswährung wie dem Euro sind massive Ausstrahlungseffekte auf die übrigen Mitgliedstaaten zu befürchten.1
Der singuläre Crash einer untergeordneten Währung kann ein begrenztes Problem bleiben. Ist jedoch das Vertrauen in mehrere...