Inspiriert durch eine wahre Geschichte
E-Book, Deutsch, 376 Seiten
ISBN: 978-3-7597-0222-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Ausspruch, "du bist ein Träumer", ist selten als Lob gedacht. Doch für Uwe Wagner bedeutete es schon früh so etwas wie eine kleine Auszeichnung. Denn noch immer bereitet es ihm Spaß, das offene Ende einer Geschichte auf unterschiedlichste Weise weiterzuführen. Aber wer hat sich noch nie dabei ertappt, sich auszumalen, wie eine Situation ganz anders hätte verlaufen können, wenn doch nur ein winziges Detail geändert worden wäre? Dieser Gedanke, wie auch das Phänomen und die Paradoxa der Zeitreisen, fasziniert Uwe Wagner bereits seit seiner Jugend. Insbesondere die nahezu unendliche Zahl an Parallelwelten und die Idee, nun selbst einige davon zu gestalten, lässt ihn seitdem nicht mehr los. So ist es nicht verwunderlich, dass die Abenteuer seiner Protagonisten immer wieder eine neue Sicht auf diese Thematik eröffnen. Gerade nach Jahren des technischen Studiums, des wissenschaftlichen und rationellen Arbeitens, bietet sich für den Autor die grenzenlose Möglichkeit seinem Motto treu zu sein, das Albert Einstein so treffend formulierte: "Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt."
Autoren/Hrsg.
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Prolog
Omnia tempus habent. - Alles hat seine Zeit Berlin - 1862
„Ihre Majestät, Elisabeth, Kaiserin von Österreich!“, verkündet der Hofzeremonienmeister mit fester Stimme und stößt seinen Zeremonienstab dreimal kräftig auf den Marmorboden. Dann verneigt er sich ehrerbietig vor der jungen Kaiserin, die freudestrahlend den Raum betritt und ihre Schritte sogleich in Richtung des schlicht gehaltenen Stubenwagens lenkt, um den sich eine Schar Frauen drängt. Die Frauen blicken ihr erstaunt und doch auch ein wenig erwartungsvoll entgegen. „Welche Freude und große Ehre, liebste Sisi, dass du mir die Ehre erweist,“ begrüßt Victoria ihren hohen Gast. „Aber Vicky“, lässt sich Elisabeth nicht beirren und zieht ihre gute Freundin und entfernte Verwandte in eine herzliche Umarmung, währen die Hofdamen ehrerbietig ihre Knie beugen. „Dir kann ich ja anvertrauen, dass dieser Besuch bei dir mein wahres Anliegen war, auch wenn ich deinen Friedrich sehr zu schätzen weiß. Aber du weißt doch bestimmt wie ich diese Staatsempfänge verabscheue, vor allem seit mein Franzl von mir gegangen ist.“ „Welch schändlicher Anschlag und tragischer Verlust“, haucht Victoria ihr ins Ohr als sie die Umarmung erwidert. „Allein der Gedanke meinen Friedrich zu verlieren lässt mein Herz erfrieren. Ihn kenne und liebe ich schon mein halbes Leben und ohne ihn zu sein, nein das kann und will ich mir nicht vorstellen.“ „So ist es für mich“, gesteht Elisabeth ein, unterdrückt ein Schluchzen und erwidert gefasst: „Aber immerhin hat er noch die ersten Jahre seines Sohnes miterleben können.“ „Ein schwacher Trost. Dennoch hoffe ich, dass dir deine Kinder die Kraft geben, die du für dein schweres Amt brauchst.“ „Vielen Dank Vicky. Ja, das ist in der Tat so. Vor allem in Rudolf lebt er fort und Gisela hat ihre Frohnatur wiedergefunden. Dank jenes Doktor Virchow, den Franzl damals nach Wien geholt hat, konnte meine kleine Sophie schon vor einigen Jahren den Tod besiegen.“ „Was deiner Schwiegermutter nun nicht vergönnt war.“ „Das Schicksal ist manchmal launisch“, stimmt Elisabeth zu. „Tante Sophie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie es lieber gesehen hätten, wenn Nene an meiner Stelle wäre. Doch war sie mir in den wenigen Wochen, die ihr nach dem Tod von Franzl verblieben, eine gute Stütze, um meinen neuen Pflichten als Kaiserin nachzukommen. – Aber wie geht es dir?“, wechselt sie abrupt das Thema. „Den Vater so früh zu verlieren wäre ein schwerer Schlag für mich, zumal ich Onkel Albert wirklich sehr gemocht habe.“ „Noch immer ist es schwer vorstellbar für mich“, gibt Victoria zu, „auch wenn ich schon seit Jahren hier in Preußen, und damit so fern vom Buckingham Palast bin wie es in unserer Welt sein kann. – Doch reden wir nicht vom Tod.“ Sie richtet ihren Blick auf den Stubenwagen. „Das Leben geht weiter.“ Sofort hellt sich die Miene Elisabeths wieder auf. „Ein Thronfolger, wie ich hörte.“ Sie beugt sich vor, um einen Blick auf den Schlafenden Heinrich zu erhaschen. „Richtig süß der Kleine. Wie heißt er denn nun?“ „Heinrich, also Albert Wilhelm Heinrich heißt er mit vollem Namen und Charlotte ist ganz vernarrt in ihren kleinen Bruder.“ „Das kann ich mir gut vorstellen, ist es bei Gisela und Sophie nicht anders. Außerdem hat dein Friedrich nun endlich den langersehnten Thronfolger, nach der Tragödie von neunundfünfzig.“ „Tragödie, wie wahr“, seufzt Victoria. „Aber die Ärzte konnten ihn nicht retten.“ „Die Ärzte? Nun, ich will nicht vorschnell urteilen, aber ohne sie wäre dein Wilhelm noch am Leben.“ Niedergeschlagen nickt Victoria. „Das habe ich mich auch schon oft gefragt.“ „Manchmal soll es nicht sein.“ „Scheint so zu sein. Dabei hatten wir doch schon Pläne wie Wilhelm und Rudolf gemeinsam die Zukunft verbringen, waren sie doch gerade einmal drei Monate auseinander.“ „Nun sind es eben vier Jahre für unsere Buben, Jahre, die immer bedeutungsloser werden, je weiter die Geschichte voranschreitet. Die drei Jahre, die uns zwei trennen sind doch schon heute nichts und ich bin gerade dabei mein Vierteljahrhundert zu vollenden.“ „Wie wahr“, lacht Victoria wie von einer Last befreit, „und wer weiß, was uns noch bevorsteht, jetzt, da Friedrich König von Preußen ist.“ „So hat er sich doch dazu durchringen können, das Amt vorzeitig anzutreten?“ „Mein Schwiegervater war nie sonderlich erbaut die Würde und Bürde des Königs auf sich zu nehmen. Doch was blieb ihm übrig, da sein Bruder keine Nachkommen hatte?“ „Aber hat Friedrich ihm nicht dringlich davon abgeraten abzudanken?“, forscht Elisabeth beharrlich nach. „Sehr sogar. Friedrich war der Meinung, dass es dem Königtum zum Schaden sei, wenn das Abgeordnetenhaus… Aber das weißt du ja alles“, seufzt Victoria. „Jedenfalls blieb mein Schwiegervater unbeirrbar und seitdem spricht meine Schwiegermutter kein Wort mehr mit mir.“ Da Elisabeth sie nur fragend ansieht erklärt sie: „Sie gibt mir und meinen Eltern die Schuld daran, weil sie mit ihrer liberalen Gesinnung und dem guten Rat, Preußen in eine konstitutionelle Monarchie zu wandeln, das Volk zur Rebellion aufgestachelt haben.“ „Das ist doch Unsinn!“, schnaubt Elisabeth. „Ich weiß, aber das ist ihr anscheinend egal.“ „Und welche Reaktionen gibt es sonst auf diesen Schritt?“ „Sehr geteilt. Das Volk – und natürlich meine Mutter – ist begeistert und wir erhalten viel Zuspruch, vor allem weil Friedrich diesen verknöcherten Junker eben nicht zum Ministerpräsidenten ernannt hat, wie es mein Schwiegervater und der Thronrat gefordert haben.“ „Wen?“ „Ach, ein Otto von Bismarck. Nicht weiter wichtig. – Jetzt müssen wir herausfinden, wem wir noch vertrauen können.“ „Ist es so schlimm?“ Echte Besorgnis schwingt in der Stimme Elisabeths mit. „Ja.“, bestätigt Victoria. „Dann wird Friedrich am besten sofort nur Getreue um sich scharen müssen.“ „Das wird er. Aber er muss vorsichtig sein, damit es keinen Staatsstreich gibt, denn einige haben offen verkündet, es bedürfe auch in Preußen eines Oliver Cromwells um den Staat zu retten.“ „Das ist ja noch größerer Unsinn und eine bodenlose Unverschämtheit!“, echauffiert sich Elisabeth und ballt ihre Hand zur Faust. „Das ist ja schlimmer als eine Revolution.“ „Deshalb will er vorsichtig vorgehen, um zu ergründen, wer loyal zu ihm steht.“ „Sehr weise.“ Elisabeth seufzt ergeben. „Und ich dachte, wir könnten nun bald noch einmal über den Plan von Schwarzenbergs reden, den er neunundvierzig vorgestellt hat.“ „Ach, die Sache mit Großösterreich?“ „So wurde es damals genannt“, bestätigt Elisabeth, „nur dass ich mich sogar eher für einen anderen Namen erwärmen könnte…“ Der irritierte Blick Victorias lässt sie innehalten. „Du weißt doch wie sehr ich für die Weite Ungarns und die lebensfrohen Menschen dort schwärme.“ „Gewiss. Worauf willst du hinaus? Etwa Großungarn?“ „Nein“, lacht Elisabeth belustigt, „nein, das wäre mir viel zu klein.“ „Zu klein?“ Victorias Verwirrung ist perfekt. „Mir schwebt da etwas vor, das den Namen Europa in sich trägt und bei dem die vielen Völker im Reichsgebiet und dem Herrschaftsgebiet von Preußen und Österreich gleichberechtigt dazugehören.“ „Aha. So was wie ein Bund von Mitteleuropa?“ „Oder Vereinigte Staaten von Mitteleuropa.“ „Etwa eine Republik?“ Victoria ist nun doch entsetzt. „Nein Vicky, soweit würde ich nicht gehen, aber die Idee deines Vaters, die finde ich schon sehr spannend.“ „Also eine konstitutionelle Monarchie?“ „Genau. Vielleicht sogar nach dem Vorbild in deinem Heimatland, aber als Kaisertum.“ „Und wer sollte dann die Krone tragen, du Sisi? Immerhin stehst du auf der höchsten Stufe des Adels und trägst bereits diesen Titel.“ Schlagartig ist Elisabeth ernst. „Nein Vicky, Kaiserin von Österreich zu sein ist mir Bürde mehr als genug und für Rudolf, vertrau mir, für ihn wäre es eine Qual.“ „Aber wer dann?“, kann sich Victoria nicht zurückhalten zu fragen. „Friedrich.“ Victoria wird blass. „Aber…“ Der schockierende Gedanke schnürt ihr die Kehle zu. „Oh ja. Friedrich wird sie nach und nach alle dafür begeistern können....