Wagener | Polizeiliche Berufsethik | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 222 Seiten

Wagener Polizeiliche Berufsethik

Ein Studienbuch

E-Book, Deutsch, 222 Seiten

ISBN: 978-3-8011-0762-8
Verlag: Deutsche Polizeiliteratur
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Aufgabe der Polizei ist es, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Dafür darf sie sogar Zwang anwenden und in die Grundrechte Einzelner eingreifen. Gleichzeitig muss die Polizei sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre staatsbürgerlichen Rechte wahrnehmen können. Somit gehört es von Beginn an zum polizeilichen Berufsalltag, gezielt und systematisch über das eigene berufliche Handeln und die ihm zugrunde liegenden Maßstäbe nachzudenken. Dies erfordert von den Polizeibeamtinnen und -beamten die Fähigkeit zur Reflexion und eine ausgebildete ethische Kompetenz. Ausgehend von Fallbeispielen will dieses Studienbuch zur ethischen Analyse polizeilicher Alltagspraxis und zur Reflexion des eigenen Berufsverständnisses anleiten. Im Einzelnen handelt die Autorin folgende Themen ab: Berufsbilder und Berufsmotivation der Diensteid als 'Hochleistungsversprechen'; Achtung und Schutz der Menschenwürde als polizeiliche Aufgabe; die neuere Diskussion um die Folter; Menschenwürde der Polizeibeamtin/des Polizeibeamten; die Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols; legitime und illegitime Gewalt; Umgang mit Opfern und Tätern bei häuslicher Gewalt; Verhältnis von Professionalität und Mitgefühl; Umgang mit Hinterbliebenen; Überbringen von Todesnachrichten; Verhältnis von Fürsorge und Selbstsorge; Umgang mit Stress und eigener Belastung Das Buch ist konzipiert für die polizeiliche Aus- und Fortbildung; insbesondere richtet es sich an Studierende im Bachelor-Studiengang für den gehobenen Polizeivollzugsdienst. Es vermittelt prüfungsrelevante Kompetenzen ethischen Denkens und Urteilens. Arbeitsaufgaben und Kontrollfragen ermöglichen es, den eigenen Lernfortschritt selbstständig zu überprüfen.

Dr. Ulrike Wagener, Professorin für Berufsethik an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg in Villingen Schwenningen.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einführung
Kapitel 1
Kein Beruf wie jeder andere!
Ein erster Zugang zu ethischen Herausforderungen der polizeilichen Arbeit
Kapitel 2
Unantastbar? Von wegen!
Achtung und Schutz der Menschenwürde als Fundament und ständige
Herausforderung polizeilicher Arbeit
Kapitel 3
Wir tragen Waffen und wenn es sein muss, benutzen wir sie auch.
Polizistinnen und Polizisten als Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols
Kapitel 4
Wir helfen den Opfern - aber manche sind selbst schuld!
Menschlichkeit, Mitgefühl und Professionalität
Kapitel 5
Wenn einem die Worte fehlen.
Polizeilicher Umgang mit Sterben, Tod und Trauer
Kapitel 6
Den Dingen auf den Grund gehen
Zum Theoriehintergrund des Faches Polizeiliche Berufsethik
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Personenverzeichnis
Stichwortverzeichnis


Kapitel 1 Kein Beruf wie jeder andere!
Ein erster Zugang zu ethischen Herausforderungen der polizeilichen Arbeit Im Dienstrecht heute ging es um die „volle Hingabe“. Müssen wir wirklich alles geben? Das hat doch Grenzen!? Ich hab erst mal eins von diesen „What my buddies think I do“-Postern rumgeschickt – echt witzig! Kennt ihr die? War der Lacher! Weißt du, Marc, worauf es als Allererstes ankommt? Dass du nach der Schicht heil nach Hause kommst. Und warum sollten wir eigentlich bessere Menschen als der Rest sein? Die Polizei ist doch einfach nur ein Querschnitt der Gesellschaft. Wir haben in Berufsethik einen Satz diskutiert, „polizeilicher Imperativ“ hieß der: „Verhalte dich so, als ob von dir ganz allein und ganz persönlich das Ansehen und die Wirksamkeit der Polizei abhinge.“ Da ist was dran: Ein einziger Kollege, der Mist baut – und sofort ist das Vertrauen in die gesamte Polizei beschädigt. Bearbeiten Sie die folgenden Aufgaben und verwenden Sie dabei die Materialien 1.1–1.7 sowie die weiterführende Literatur. 1. Analysieren Sie das Leitbild Ihrer eigenen Polizei (oder das Leitbild der Polizei Baden-Württembergs, Abb. 5 (s. S. 23)) mithilfe des Wertevierecks von Wieland ( Abb. 2 (s. S. 19)): Aus welchem Bereichen stammen die im jeweiligen Leitbild vertretenen Werte? 2. Vergleichen Sie das Leitbild Ihrer eigenen Polizei (oder das Leitbild der Polizei Baden-Württembergs, Abb. 5 (s. S. 23)) mit den Handlungsmustern der Polizistenkultur nach Rafael Behr (Tab. 3 (s. S. 25)). 3. Sofern Sie in Ihrer bisherigen Ausbildung schon Praxiserfahrung gesammelt haben: Welche der Handlungsmuster nach Rafael Behr haben Sie in der polizeilichen Praxis wiedergefunden? Werden diese von den Kolleginnen und Kollegen in „Reinform“ oder mit Modifikationen vertreten? 4. Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Eigenschaften eines guten Polizisten oder einer guten Polizistin? Vergleichen Sie Ihre Liste mit der Ihrer Mitstudierenden sowie mit der Liste positiver Eigenschaften in Tab. 4 (s. S. 26). 5. Mit welchem der in Kap. 1.6 dargestellten Berufsbilder können Sie sich am ehesten identifizieren, mit welchem am wenigsten? 6. Darf man einen Eid brechen? Diskutieren Sie in Ihrer Studiengruppe Pro und Contra. 7. Die polizeiliche Berufsausübung kann einzelne Beamtinnen oder Beamte manchmal in einen Gewissenskonflikt führen. Überlegen Sie, in welchen (Einsatz-)Situationen das der Fall sein kann. Was tut die Organisation Polizei dafür, um Gewissenskonflikte bei den Einzelnen möglichst zu vermeiden? 8. Steht im Fall eines Gewissenskonfliktes das Gewissen über oder unter dem Gesetz? Begründen Sie Ihre Meinung. 1.1 Die Bedeutung von Vertrauen und das Potenzial für Misstrauen im Polizeiberuf
Die Polizei genießt in der Bundesrepublik Deutschland ein hohes gesellschaftliches Vertrauen. Dies zeigt sich in den regelmäßig durchgeführten Umfragen zum Vertrauen der Bevölkerung in Institutionen. In der letzten Befragung von November 2014 gaben 79 % von 1610 Befragten ab 15 Jahren an, der Polizei eher zu vertrauen, und nur 17 %, ihr eher nicht zu vertrauen (TNS Infratest 2014). Eine Studie von 2012 mit 3480 Befragten ab 18 Jahren erbrachte das Ergebnis, dass insgesamt 70 % der deutschen Wohnbevölkerung der Polizei Vertrauen bzw. großes bis sehr großes Vertrauen entgegenbringen (TNS Infratest 2012). Im Vergleich mit anderen Institutionen belegt die Polizei in den Vertrauensumfragen seit Jahrzehnten einen der vorderen Ränge oder sogar den Spitzenplatz (vgl. Abb. 1). Abb. 1: Vertrauen in Institutionen in Deutschland. Quelle: Ipsos GmbH 2010 Bremer Einsatzerfahrungen 2011 „Ich war erschrocken über die Gewalt, die aus der Menschenmenge hervorging“, berichtete am Dienstag ein Polizist, der am Wochenende dabei war. „Nicht linkes Klientel hat den Ärger verursacht, der normale Bürger hat uns attackiert“, sagte der Beamte, seit 32 Jahren im Polizeidienst. „Wir wurden von Menschen bespuckt und beschimpft, die eigentlich mein Papa oder mein Opa hätten sein können“, zeigte sich eine junge Polizistin noch zwei Tage nach dem Einsatz betroffen. „Es war erschreckend zu sehen, dass uns normale Bürger von 17 bis 60 Jahren gezielt attackiert haben“, sagte ein Kollege. Gewalt gegen Polizei in Bremen,
Hamburger Abendblatt 6.9. 2011 Dies ist für die meisten Polizistinnen und Polizisten ein überraschender Befund. Denn das persönliche Erleben scheint eher für einen zunehmenden Autoritätsverlust der Polizei und für ein immenses gesellschaftliches Misstrauen zu sprechen. Doch auch innerhalb der polizeilichen Arbeit findet sich eine vergleichbare Spannung, nämlich die zwischen einem „professionellen“ Misstrauen im Hinblick auf das „polizeiliche Gegenüber“ und dem grundsätzlich sehr hohen Vertrauen in das „polizeiliche Miteinander“, d.h. in die Kolleginnen und Kollegen. Eine weitere Vertrauensebene ist schließlich das Selbstvertrauen, das für die persönliche Berufsausübung und Lebensführung wichtig ist. Grundsätzlich scheint es ohne Vertrauen unter Menschen nicht zu gehen: „Menschliches Leben ist, wenn es nicht von Vertrauen getragen ist, schwer zu ertragen und kaum zu meistern.“ (Köhl 2001, S. 115) 1.1.1 Bedeutung von Vertrauen für die Polizeiarbeit Vertrauen ist eine Möglichkeit, mit der Unkontrollierbarkeit anderer Menschen, den Bedingungen um uns herum oder einem Zustand in uns selbst umzugehen. Derartige Unsicherheitsfaktoren können z.B. unsichere und/oder unvollständige Informationen sein, Unklarheiten über die Rahmenbedingungen des eigenen Handelns, aber auch Unsicherheiten in Bezug auf das eigene Können. Positiv kann man sagen: „Vertrauen kann ganz allgemein als ein Mittel zum Umgang mit der Freiheit anderer definiert werden.“ (Gambetta 2001, S. 213) Die Entwicklungspsychologie sieht in der grundlegenden menschlichen Hilfsbedürftigkeit in den ersten Jahren unseres Lebens die Ausgangsbasis unserer Fähigkeit zu vertrauen (vgl. Erikson 1973, S. 62–75; Krampen 2002, S. 704f). Die Fähigkeit, anderen und sich selbst vertrauen zu können, scheint so tief mit unserem Selbstverständnis verbunden zu sein, dass eine grundlegende Erschütterung dieses Vertrauens traumatisierend sein kann (Janoff-Bulman 1992, S. 18). Vertrauen und Misstrauen haben ihren Platz vorrangig in Interaktionen bzw. in Kooperationsbeziehungen. Die jeweils benötigte Unterstützung kann sich beziehen auf 1. Leistungen, d.h., mein Gegenüber besitzt ein Wissen und/oder Können, das ich brauche, aber selber nicht besitze (der eingeforderte Wert ist in diesem Fall Unterstützung); 2. Entgegenkommen, bei konkurrierenden Interessen oder im Falle eines Konflikts (eingeforderter Wert: Wohlwollen); 3. Abstimmung zur gemeinsamen Handlungskoordination bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele (eingeforderter Wert: Rücksichtnahme). Diese drei Aspekte bestimmen auf vielfache Weise die Polizeiarbeit. Was bedeutet Vertrauen? „Einer Person zu vertrauen bedeutet zu glauben, dass sie sich nicht in einer uns schädlichen Art und Weise verhalten wird, wenn sich ihr die Gelegenheit dazu bietet.“ Gambetta 2001, S. 214 Leistungserwartung Die Gesellschaft erwartet Leistungen von der Polizei in den Bereichen Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und Prävention, weil weder der oder die Einzelne noch die Gesellschaft als ganze solche Leistungen erbringen können. Nur Angehörige einer Organisation mit entsprechenden Befugnissen, ausreichender Legitimität (gesellschaftlicher Anerkennung), ausgebildetem Personal und genügend materiellen Ressourcen sind in der Lage, solche Leistungen in ausreichendem Umfang sowie mit hoher Verlässlichkeit und Qualität zu erbringen. Hier gibt es dementsprechend ein Vertrauen der Gesellschaft in die Polizei, diese Leistungen von ihr in einem gewünschten Umfang und einer gewünschten Qualität zur Verfügung gestellt zu bekommen. Die Polizei erwartet wiederum Leistungen von der Gesellschaft, da die genannten Ressourcen, Legitimität und Befugnisse nicht von der Polizei selbst bereitgestellt werden können, sondern von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden. Hier ist wiederum ein Vertrauen der Polizei in die Gesellschaft unumgänglich. Entgegenkommen Die Polizei erwartet Entgegenkommen bei der ihr übertragenen Aufgabe der gesellschaftlichen Pazifizierung und Konfliktschlichtung von Seiten der Gesellschaft. Dazu gehört, dass...


Dr. Ulrike Wagener, Professorin für Berufsethik an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg in Villingen Schwenningen.


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