E-Book, Deutsch, 336 Seiten
Voosen Willa Wichtel
2. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-6339-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Jagd nach der Zauberglocke
E-Book, Deutsch, 336 Seiten
ISBN: 978-3-7597-6339-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tanja Voosen wurde 1989 in Köln geboren und schreibt seit einigen Jahren hauptberuflich Kinder - und Jugendbücher. Sie liebt Basteleien, Sticken und lustige Bücher. Wenn sie nicht gerade am Schreibtisch sitzt, spielt sie mit ihren beiden Katzen Elly und Lilly oder hält beim Spazieren im Wald nach magischen Wesen Ausschau. Sie selbst hat viele Male die Wichtelstadt Nissonia besucht und weiß daher ganz genau, wie die einzig wahre Geschichte der Wichteltüren aussieht - die Wichtel haben sie ihr selbst erzählt.
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Die Tür aus Moos und Magie
Mit einem lauten KRAWUSCH knallte der dicke Stein gegen die Fensterscheibe. Willa blieb erschrocken stehen. Oh, nein! Wieso hatte sie ihn nur so fest weggekickt?
Ein Fenster wurde geöffnet. »Hallo? Wer ist denn da?«
Willa erstarrte. »Das war keine Absicht! Es tut mir leid!«
Eine Frau sah sie verwundert an. »Oh! Du bist bestimmt Willa.«
»Ehm … ja. Dann sind Sie Frau Murmel?«, fragte sie.
Die Frau schmunzelte. »Genau. Du kannst mich gerne Ellie nennen.«
Willas Opa hatte Frau Murmel ein paarmal erwähnt, aber da die Häuser in der Gegend weit auseinanderlagen und durch Wald und Wiesen getrennt wurden, hatten die beiden nur hin und wieder miteinander zu tun. Willa schien es, als wäre ihr Opa lieber allein. Nun freute sie sich jedoch, dass sie bei all ihrer Grübelei zufällig den Weg hierher eingeschlagen hatte. Denn die Nachbarin strahlte etwas wunderbar Herzliches aus.
Ein Piepen ertönte und Frau Murmel wirbelte herum. »Oje, meine Plätzchen! Ich muss sie aus dem Ofen holen. Komm doch rein, wenn du magst. Die Tür ist offen.«
Schwups – war sie fort.
Willa zögerte. Zu Fremden ging man ja eigentlich nicht ins Haus. Allerdings war Frau Murmel ja Opa Fridolins Nachbarin und Willas Bauchgefühl schlug auch nicht Alarm.
In den ersten Tagen war Willa überall auf Erkundungstour herumgelaufen und hatte gehofft, ein paar Kinder in ihrem Alter zu treffen, aber absoluter Pustekuchen!
Dieses Dörfchen sollte nicht Burstein, sondern Schnarchlangweilhausen heißen, so schnarch-langweilig war es hier. Sie hätte so gerne etwas Abwechslung. Also gab sich Willa einen Ruck und ging zur bonbonpinken Haustür. Das runde Dach des Hauses war mit Moos bewachsen, und in den Beeten wuchsen noch einige Blumen, obwohl bereits alles andere unter einer dünnen Frostdecke lag.
Vielleicht war das ja echte Waldelfen-Magie?
»Frau Murmel? Wo sind Sie?«, rief Willa beim Betreten des Flurs.
»Hier hinten! Würdest du mir kurz helfen?«, kam die Antwort.
Willa fand die Nachbarin in der Küche. Ihre Schürze hatte sich am Ofen verhakt, und sie balancierte ein Blech voller Kekse in den Händen. Sofort machte Willa sich daran, die Schürzenschleife zu lösen, damit Frau Murmel das Blech auf dem Tisch abstellen konnte.
»Puh, das war knapp! Fast wären mir alle Kekse heruntergefallen.«
Willa rümpfte die Nase. Es roch nicht nur kokelig, die Plätzchen sahen auch leider etwas verbrannt aus. »Meine Mama sagt, Zuckerguss rettet so gut wie alles.«
Frau Murmel seufzte. »Irgendetwas geht bei mir immer schief.« Sie strich sich eine ihrer schwarzen Locken aus der Stirn und zwinkerte Willa zu. Da fiel Willa auch das erste Mal auf, dass Frau Murmel Augen hell wie Schneeflocken hatte. »Gut, dass ich jetzt eine Helferin habe, mit der ich die Plätzchen retten kann. Dann lass mich mal den Puderzucker holen. Zitronen habe ich auch noch im Kühlschrank.«
Ein paar Minuten später hatte Willa die Zutaten zu einer cremigen Masse verrührt. Es dauerte, bis alle Plätzchen mit Zuckerguss bestrichen waren, aber danach sah man die verkohlten Ränder nicht mehr. Willa war richtig stolz.
Frau Murmel machte für sich einen Tee und für Willa Kakao und die beiden setzen sich ins Wohnzimmer. Zwischen den flauschigen Sofakissen war es supergemütlich und Willa war froh, der Einladung gefolgt zu sein. Bei Frau Murmel fühlte sie sich wohl.
»Na, erzähl mal, was hat dich so wütend gemacht, dass du Steine durch die Gegend kickst?«, fragte Frau Murmel und biss in einen der Zuckerguss-Kekse. Etwas Zuckerguss blieb in ihrem Mundwinkel kleben und hob sich hell von ihrer Haut ab, die so dunkelbraun war wie die hübschen Eicheln, die Willa gerne im Wald sammelte.
»Das mit dem Fenster tut mir wirklich leid«, murmelte Willa.
»Ach wo«, winkte Frau Murmel ab. »Die Schramme im Glas wird mich jetzt immer an unser Treffen erinnern. Da wird aus etwas Unschönem direkt etwas Schönes.«
»Das klingt toll«, sagte Willa. »Also … ich finds hier ziemlich langweilig.«
Frau Murmel legte den Kopf schräg. »In meinem Wohnzimmer?«
»Nein«, sagte Willa hastig. »Hier in Burstein.«
»Ah.« Frau Murmel klang überrascht. »Bei deinem Opa.«
Willa starrte in ihre halb volle Kakaotasse. »Er hat mich bei sich aufgenommen, weil meine Mama sich so doll das Bein gebrochen hat, dass sie viele Wochen in eine Rehaklinik muss, die ziemlich weit weg ist.«
»Oje, das mit deiner Mutter tut mir leid«, sagte Frau Murmel. »Es ist bestimmt nicht einfach, von ihr getrennt zu sein. Wie lange bist du denn schon hier?«
»Zwei Wochen«, antwortete Willa. Dass diese Wochen sich wie Monate anfühlten, verriet sie der Nachbarin jedoch nicht. Willa vermisste einfach alles von ihrem Zuhause. In ihrem eigenen Bett zu schlafen, ihre Mama beim Kochen Lieder summen zu hören oder das Geräusch von Regen, der in ihrem Zimmer auf das Fenster unter der Dachschräge trommelte. Aber da Willa erst zwölf war und Mama sie ›versorgt‹ wissen wollte (ihre Worte, nicht Willas), hatte Willa ihren Koffer packen müssen und lebte vorerst bei Opa Fridolin. Der hatte nur zwei Hobbys: meckern und schlafen.
Frau Murmel legte Willa eine Hand auf die Schulter. »Ich höre dir gerne zu.«
Eigentlich war es gar nicht Willas Art, so viel zu plappern, aber die Nachbarin strahlte eine solche Ruhe und Freundlichkeit aus, dass ihr Mund sich wie ferngesteuert bewegte. Und plötzlich hörte Willa sich sagen: »Opa kann mich überhaupt nicht leiden.«
Tränen schossen ihr in die Augen, und sie fühlte sich elend. Denn es stimmte: Ihr Opa sprach kaum mit Willa und schien sie gar nicht besser kennenlernen zu wollen.
Für einen Augenblick wurde es still, dann strich Frau Murmel Willa sanft über den Rücken. »Ich kenne deinen Opa ja ein wenig. Ich weiß, dass er sich wie ein grummeliger Gartenzwerg benimmt, aber wie könnte er dich denn nicht mögen? Wir haben uns heute erst getroffen, und ich mag dich jetzt schon sehr gerne. Wenn du bereits eine Weile bei deinem Opa wohnst, muss er dich unendlich lieb gewonnen haben. Manche Menschen können solche Gefühle nur nicht so gut zeigen. So etwas braucht oft Zeit.«
»Meinen Sie echt?«, fragte Willa hoffnungsvoll.
»Ganz sicher sogar!« Frau Murmel schien einen Augenblick nachzudenken, dann trat ein Funkeln in ihre hellen Augen. »Ich hole etwas von meinem Dachboden.«
Willa sah Frau Murmel verwundert hinterher. Sie bezweifelte, dass es auf ihrem Dachboden ein Mittel gegen Trübselige-Tränen-Tage gab, wartete aber geduldig.
»So!«, flötete die Nachbarin, als sie zurückkam. Sie trug einen schmalen Karton ohne Deckel in den Händen und setzte ihn auf dem Tisch vor Willa ab. »Tadaaaa!«
Willa beugte sich vor und spähte hinein. »Was ist das?«
»Magie!«, antwortete Frau Murmel munter.
Magie? Für Willa sah das Zeug eher nach irgendetwas aus, das sie bei einem der Spaziergänge finden konnte, die sie im Herbst so gerne mit ihrer Mama im Wald hinter ihrer Wohnsiedlung machte. Da waren kleine Zweige, getrocknete Blätter und viel Moos.
»Sie ist leider etwas kaputt, aber das kriegst du sicher hin.«
Willa verstand nur Bahnhof. Sie holte das Bündel aus Waldkrams heraus und bemerkte, dass die Sachen mit Schnüren zu etwas geformt waren. Sie kniff die Augen zusammen und überlegte. »Das sieht ja aus wie eine … Tür!«
Tatsächlich! Die Zweige bildeten den Rahmen, Blätter und Moos waren zu einer Tür geformt. Einer sehr löchrigen Tür, ohne Türklinke. Seltsame Bastelei!
»Das ist eine Wichteltür«, erklärte Frau Murmel.
Willa runzelte die Stirn. »Und die ist magisch?«
»Jede Wichteltür ist magisch.« Die Nachbarin klang ernst, als sie das sagte. »Es gibt eine Welt, die ganz anders ist als unsere. Voller Magie. Dort leben die Wichtel. Die Wichteltür ist wie eine Brücke, die ihre Welt mit der Menschenwelt verbindet.«
Willa starrte Frau Murmel verwundert an. »Davon habe ich noch nie gehört.«
»Inzwischen wissen nur noch sehr wenige von den Wichteln«, meinte Frau Murmel. »Man muss an sie glauben, um sie zu Gesicht zu bekommen. Früher einmal war es eine wunderschöne Tradition, am ersten Dezember eine solche Tür bei sich im Haus aufzustellen, um die Wichtel einzuladen. Doch die ist leider längst vergessen.«
Etwas von dem Moos bröselte in Willas Schoß hinunter.
Magisch sah diese Tür nun wirklich nicht aus …
Frau Murmel sah sie lange an. »Ich habe das Gefühl, dass du jemand bist, für den sich die Tür öffnen wird. Möchtest du es...