E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Voltenauer / Feuz Tödliches Ultimatum
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98707-256-7
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
ISBN: 978-3-98707-256-7
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der gemeinsame Polit-Thriller der Bestsellerautoren Marc Voltenauer und Nicolas Feuz – rasant, atemberaubend und erschreckend aktuell.
Der Vergewaltigungsprozess gegen einen hochrangigen Armeeführer versetzt die Schweizer in Aufruhr. Als kurz vor Beginn die Klägerin ermordet wird, ist der Aufschrei gewaltig, doch dann erschüttert ein neuer Vorfall das Land: Während des beliebten Lichtspiels am Berner Bundesplatz erscheint ein Countdown am Bundeshaus. Terroristen fordern die Freilassung eines einflussreichen IS-Mitglieds, andernfalls wird die Schweiz mit Anschlägen überzogen. Ein atemloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der die Schicksale der beiden Ermittler Staatsanwalt Norbert Jemsen und Kommissar Andreas Auer unausweichlich miteinander verknüpft.
Weitere Infos & Material
Prolog »Jeder Mensch, möge er noch so gut sein, kann zum Mörder werden; denn dafür braucht es nur einen guten Grund und einen schlechten Tag.« Nadine hatte diesen Satz in einer Fernsehserie gehört, konnte sich aber an deren Titel nicht mehr erinnern. Ob das auch für den Weihnachtsmann galt? Sie verließ das Parkhaus in Richtung des Marktplatzes. Dicke Flocken fielen vom Himmel und bedeckten Montreux mit einem weißen Mantel. Trotz des Schnees wurde die Stadt an der Riviera des Genfersees dank des Spielcasinos, der Hotelpaläste, der Luxusboutiquen und einiger Palmen ihrem Ruf als das Schweizer Monte Carlo gerecht. Eine Art Monaco ohne Fürstentum, deren Regenten eher Miles Davis, Duke Ellington, Dexter Gordon, Ella Fitzgerald oder sogar Pink Floyd, The Doors oder Led Zeppelin hießen, denn die besten Rockmusiker der Welt waren hier bereits beim Jazzfestival aufgetreten. Montreux war zudem bekannt für den majestätischsten Weihnachtsmarkt der ganzen französischen Schweiz, auf dem man seine Geschenke kaufen konnte. Doch Nadine war aus einem anderen Grund hier. Zahlreiche Männer drehten sich mehr oder weniger diskret nach der hübschen Dreißigjährigen mit der weißen Daunenjacke und den Pumps um, was sie wie immer ignorierte. Ohne sie überhaupt wahrzunehmen, lief Nadine auf der Suche nach Robi an den Marktständen auf dem Quai entlang und versuchte dabei, die Menschenmenge zu umgehen, die sich um die sorgsam dekorierten und beleuchteten Holzhütten drängte, aus denen es nach Glühwein und Lebkuchen duftete. Nadine stellte sich unter das Vordach einer Hütte, an der Holzschnitzereien angeboten wurden, weil sie dort einen Spiegel bemerkt hatte. Im Schutz vor dem unaufhaltsam fallenden Schnee strich sie den weißen Flaum von ihrem kastanienbraunen Haar und fischte einen roten Lippenstift aus ihrer Handtasche, um die Konturen ihres Mundes nachzuziehen, bis sie im Spiegel einen Weihnachtsmann mit weißem Bart und roter Mütze bemerkte, der sie durch seine unechte Nickelbrille musterte. Beunruhigt durch den kalten Blick der blauen Augen drehte sich Nadine abrupt um, doch der Weihnachtsmann hatte sich bereits in Luft aufgelöst. Nadine warf einen Blick auf ihre Uhr, eine Cartier Panthère, deren goldenes Armband mehr ins Auge fiel als das diskrete Zifferblatt. Die Zeiger standen auf neunzehn Uhr, Robi sollte also eingetroffen sein. Vor einem pechschwarzen Himmel schwebte über ihr ein Weihnachtsmann in einem von Rentieren gezogenen Schlitten ein Stahlseil entlang, das vom Schiffsanleger der Ausflugsdampfer bis zum Marktplatz gespannt war. Zur Freude der Kinder stieß der Schlitten dabei große Funkenregenwolken aus. Nadine schenkte dem kaum Beachtung. Aufgrund der Entfernung, der Dunkelheit und des Schneetreibens hätte sie unmöglich sagen können, ob es sich um denselben Mann handelte, der sie vorhin angestarrt hatte. Neben einer in den See hineinragenden Plattform reckte die Statue von Freddie Mercury eine Faust in die Luft und hielt in der anderen Hand einen Mikrofonständer, um mit dieser Pose an das legendäre Wembley-Konzert von 1986 zu erinnern. Direkt daneben glitzerte ein überdimensionaler goldener Hirsch. Weiter oben auf dem Marktplatz lud ein Riesenrad die Besucher dazu ein, das bunte Treiben von oben zu betrachten. Nadine ging über das rutschige Pflaster an einem Informationsstand vorbei, an dem sie jemand ansprach und ihr einen Prospekt reichte. Die Touristeninformation pries darin eine Fahrt mit der Zahnradbahn auf den Gipfel des Rochers de Naye oberhalb von Montreux an, wo angeblich der echte Weihnachtsmann auf über zweitausend Metern Höhe sein Quartier aufgeschlagen hatte. Sie verschwand im Treiben unter dem Dach der Markthalle, die »Rouvenaz« genannt wurde und unter Denkmalschutz stand. Ihre prächtige, den berühmten Markthallen von Paris nachempfundene Metallkonstruktion war 1892 in derselben Pariser Schmiede zusammengeschweißt worden, in der auch der Eiffelturm gebaut worden war. Nadine musste bei ihrem Anblick unwillkürlich an einen Kostümball zurückdenken, der die rauschende Stimmung der Belle Époque mit eleganten, langen, fließenden und spitzenbesetzten Kleidern, sorgfältig arrangierten Frisuren und graziösen Hüten heraufbeschworen hatte. Gepuderte Gesichter mit roten Lippen hatten eine Art zeitlosen Glanz ausgestrahlt, und die hochhackigen Schuhe waren das i-Tüpfelchen der Kostüme gewesen, die an eine Epoche erinnerten, die Eleganz zum Ideal erhoben hatte, auch wenn sich die anwesenden Herren an jenem Abend alles andere als kultiviert benommen hatten. Inmitten der Buden erblickte Nadine den Stand von Robi Caruso, dem Inhaber eines edlen Catering-Services in Brent. Bekannt für seine raffinierten Buffets auf der Basis lokaler Produkte organisierte er regelmäßig Gourmetevents für die Reichen und Schönen. Sie drängte sich durch das fröhliche Getümmel und machte sich mit erhobener Stimme bei dem jungen Mitarbeiter bemerkbar. »Ist Robi nicht hier?« »Nein, ich habe ihn heute noch nicht gesehen.« »Weißt du, wann er kommt?« »Keine Ahnung. Er hat mir nichts gesagt.« Mit entsprechender Mimik, hochgezogenen Schultern und einer schnellen Handbewegung entschuldigte sich der Verkäufer flüchtig und eilte zum nächsten Kunden. Nadine sah ein, dass sie hier nicht weiterkam. Am Ausgang der Markthalle fand sie neben einem Parkscheinautomaten, vor dem die Menschen Schlange standen, ein ruhiges Eckchen. Sie holte ihr Handy aus der Handtasche und versuchte, Robi anzurufen. Ohne Erfolg. Während sie ihr Telefon wieder verstaute, bemerkte sie jemanden in ihrer Nähe und schaute auf. Er stand nur wenige Meter von ihr entfernt und starrte sie an. Man hätte ihn für eine rot-weiße Statue halten können. Sie erkannte den Weihnachtsmann von eben wieder. Oder zumindest meinte sie, ihn wiederzuerkennen, auch wenn sein Blick oder seine Augenfarbe ein wenig anders waren. Nadine schauderte. Die Warteschlange vor dem Riesenrad reichte fast bis zu ihr hin. Instinktiv bewegte sich Nadine durch den kontinuierlich fallenden Schnee auf die Schaulustigen zu und mischte sich unter die dort anstehenden Menschen. Von Zeit zu Zeit drehte sie sich zu dem seltsamen Weihnachtsmann um. Einmal, zweimal. Regungslos starrte er sie an. Beim dritten Mal war er verschwunden, als hätte er sich durch einen Zaubertrick in Luft aufgelöst. Unbewusst hatte sie sich mit der Warteschlange weiterbewegt und stand nun plötzlich vor der Kasse des Riesenrads. Eine junge Frau hielt ihr ein Ticket hin, Nadine zahlte und nahm in einer frei werdenden Gondel Platz, die sie über die Dächer der Stadt schweben ließ, weit weg vom Lärm der Menge. Von oben beobachtete Nadine, wie sich unter ihr im warmen Licht und im Getümmel des Marktes eine menschliche Ameisenstraße den Quai entlangschob. Dahinter nichts als Dunkelheit. Die Lichter der französischen Städte auf der gegenüberliegenden Seite des Sees waren nur verschwommen zu sehen. Als die Gondel schaukelnd am höchsten Punkt stehen blieb, merkte Nadine, dass ihr Handy vibrierte. »Robi, wo steckst du, verdammt noch mal?« »Ich möchte heute Abend nicht runter in die Stadt fahren. Komm du zu mir.« Nadine nahm eine gewisse Furcht in seiner Stimme wahr. »Das war so nicht vereinbart«, antwortete sie. »Ausgeschlossen, ich kreuze ganz sicher nicht bei dir auf.« »Warum nicht?« Sie zögerte. »Ich … ich glaube, dass mich jemand verfolgt.« »Wer?« »Keine Ahnung. Bitte komm du her. Jetzt!« »Okay. Wo sollen wir uns treffen?«, fragte Robi nach kurzem Schweigen. »Ich warte in der Nähe der Freddie-Mercury-Statue.« Als sie das Gespräch beendete, hatte sich das Riesenrad weitergedreht, und die Gondel war wieder unten angekommen. Sie ließ sich von der Menschenmenge in Richtung des Seeufers treiben. Sie hielt abrupt inne. Der Weihnachtsmann war da und stand still nur ein paar Meter von ihr entfernt. Es schien, als wolle er ihr den Weg versperren. Instinktiv drehte sie sich um und hastete zurück zum Eingang der Markthalle. Ihr Puls raste, und ihr Atem ging stoßweise. Ab und zu drehte sie sich nach dem verkleideten Mann um, konnte ihn aber in der wogenden Menge nicht mehr entdecken. Als sie die Markthalle betreten wollte, stand er wieder vor ihr. Panisch änderte sie die Richtung. Vor lauter Stress konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie wollte nur noch weg, in ihr Auto springen und Montreux so schnell wie möglich verlassen. Hektisch durchwühlte sie ihre Tasche, fand ihr Parkticket und holte das Portemonnaie raus. Ihre Hände zitterten vor Angst und vor Kälte. Die Kreditkarte fiel ihr hinunter, und eine gute Seele hob sie auf und gab sie ihr lächelnd zurück. Fast ohne sich zu entschuldigen, schob sie eine Frau zur Seite, die gerade bezahlen wollte, und drängte sich vor an den Parkautomaten. Danach hastete sie zum Eingang des Parkhauses und eilte die Treppe hinunter. Eine Etage, noch eine. Eine orangefarbene Metalltür. Das zweite Untergeschoss wurde von weißlichem Neonlicht erhellt. Eine Neonröhre flackerte nur noch schwach und beschien die verlassene Ebene wie eine Stroboskoplampe mit kurzen Blitzen. Keine Menschenseele weit und breit. Nadine bemerkte ihren Fehler. Sie wäre besser in der Menschenmenge geblieben. Nun war es zu spät, um umzukehren. Sie spürte, wie sie Panik übermannte. Ihr Auto stand nur wenige Meter entfernt. Die Schlüssel fielen ihr aus der Hand. Sie zitterte wie Espenlaub. Sie bückte sich und schrak zusammen. Vor ihr beziehungsweise zwischen ihr und ihrem Auto stand der Weihnachtsmann. Sie stieß einen Angstschrei aus, fuhr herum und stand vor einem zweiten Weihnachtsmann. Ungläubig schaute sie ihm in die Augen, drehte sich wieder zum ersten um und dann wieder zum zweiten....