Buch, Deutsch, 112 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 148 g
Buch, Deutsch, 112 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 148 g
ISBN: 978-3-96146-781-5
Verlag: Diplomica Verlag
Die Studie bietet eine auf der Analyse der besonderen Situation dieser auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt relativ chancenarmen Berufssuchenden basierende, von der offiziellen deutlich abweichende, Strategieempfehlung. Sie richtet sich einerseits an die Berufssuchenden selbst und enthält andererseits Hinweise auf für deren Umsetzung erforderliche Unterstützungsmaßnahmen von Lehrenden, Berater*innen und den Planer*innen von „berufswahlvorbereitendem“ Unterricht. Sie richtet sich vorrangig an die letztgenannten Gruppen, aber auch an Forscher*innen, die sich mit Übergängen im Lebenslauf, mit Berufswahl, mit langfristigen Projekten, mit Willenspsychologie, mit Auswirkungen von Emotionen und Selbstbewertungen auf das Handeln befassen. Methodisch stützt sich die Untersuchung auf eine Integration von Forschungsergebnissen verschiedener sozialwissenschaftlicher Disziplinen zu langfristigen, komplexen, mit gesellschaftlichen Erwartungen verbundenen, emotional beanspruchenden Entwicklungs- und Übergangsaufgaben.
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Textprobe:
Kapitel 2.7, Ansätze für realistischere Strategie-Empfehlungen für die Berufssuche von nicht privilegierten Schulabgängern:
Schon seit langem (z.B. Super, 1957) wird darauf hingewiesen, dass die berufliche Entwicklung mit der ersten Berufseinmündung noch keineswegs abgeschlossen ist, sondern in der konkreten Auseinandersetzung mit realen Arbeitsanforderungen und-umwelten eine neue Qualität gewinnt. Gottfredson hat speziell gezeigt, dass berufliche Prioritäten in der Regel zuerst wesentlich von Vorstellungen darüber bestimmt werden, was für Jungen und Mädchen jeweils angemessene Tätigkeiten sind, dass danach zusätzlich das Ansehen von Berufen besonders beachtet wird und erst zum Schluss die eigenen Fähigkeiten und Interessen relevante Gesichtspunkte für die Berufswahl werden, und dass diese beim Auftreten von Schwierigkeiten bei der Berufssuche zuerst geopfert werden ( zusammenfassend dargestellt in Gottfredson, 2002). Als Strategie-Empfehlung für die Berufssuche( insbesondere für Spätentwickler und Ressourcenschwächere) lässt sich aus dieser entwicklungspsychologischen bzw.-soziologischen Perspektive ableiten, sich nicht vorrangig auf die Frage zu konzentrieren, welche Berufe zu den momentanen Interessen und Fähigkeiten am besten passen, sondern vorrangig nach solchen (schulischen und/ oder beruflichen ) Möglichkeiten zu suchen, die auch bei Änderung der Lebenssituation und / oder der Wünsche und Interessen noch von Nutzen sind. Aus einer lernpsychologischen Perspektive kommt Krumboltz zu einer ähnlichen Empfehlung: die Berufssuche nicht mit der ersten beruflichen Einmündung einstellen, sondern Sich-offen-halten für und ständig Aktiv-suchen nach Gelegenheiten zur weiteren Annäherung an jeweils wichtige berufliche und persönliche Ziele (s. hierzu Sickendiek,2011) Von „ interaktionistischen“ und „systemischen“ Gesichtspunkten her wird besonders darauf hingewiesen, dass sich Berufswahl nicht im stillen Kämmerlein oder nur auf der Grundlage rationaler Informationen durch Experten vollzieht, sondern dass die Informationen, Ratschläge und Reaktionen von Eltern, Verwandten, Altersgenossen usw. oft wesentlicher sind für die Entscheidungsfindung als die der offiziellen Berater ( s. u.a. Beinke,2012) Dies dürfte zu einem wesentlichen Teil darauf beruhen, dass, ganz besonders für ressourcenschwächere Berufssuchende, emotionale Unterstützung im Prozess der Berufssuche von sehr großer Bedeutung ist. Aus dieser Perspektive ergibt sich als Strategie-Empfehlung insbesondere, sich bewusst und aktiv zu bemühen um ein Netzwerk von im Umgang mit Übergangsproblemen erfahrenen, oder in ähnlicher Lage befindlichen, Personen, die bereit und in der Lage sind, emotionale Unterstützung und Anerkennung zu geben (s.hierzu insbesondere Ahmed u.a., 2013 ). Von verschiedenen Autoren ( u.a.Kahsnitz ,1996; Schober,1997; Meier,2002) ist darauf hingewiesen worden, dass Berufssuche Teil der Identitätssuche ist (die ja von Erikson, 1959 als zentrale Entwicklungsaufgabe des Jugendalters bezeichnet wurde) und dass der in der traditionellen Berufsorientierung und-beratung übliche Schwerpunkt auf Informationen über Berufe, insbesondere die darin ausgeübten Tätigkeiten und die daraus resultierenden Anforderungen, an den wirklichen Informations- und Beratungsbedürfnissen vieler Ratsuchender (insbesondere vieler ressourcenschwächerer Ratsuchender ) vorbeigehen, die sich nicht primär auf die Klärung der Frage richten, „was will ich werden“?, sondern „ wie will ich später leben“? (Schudy, 2002,S.12) bzw. „was soll mir der Beruf ermöglichen?“ (Schober,1997). Vom wissenschaftlichen Beirat des Programms Schule, Wirtschaft ,Arbeitsleben (im Folgenden als „swa-Programm“ bezeichnet) wurde schließlich 2008 ein entsprechender „Paradigmenwechsel“ für die Berufsorientierung vorgeschlagen: weg von Berufskunde, hin zu berufsbezogener Selbstklärung (Deeken/ Butz,2010) bzw. hin zu Persönlichkeits-und Kompetenzentwicklung (Famulla 2008,S.181). Dieser Vorschlag ist sicherlich nicht nur für die schulische Berufsorientierung sondern auch für die Berufsberatung relevant, wie die Begründung für die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels erkennen lässt (zunehmende Unsicherheit und Brüchigkeit von Berufslaufbahnen, entsprechend erhöhte Anforderungen an Fähigkeit zu individueller Gestaltung des Berufswegs; Notwendigkeit lebenslangen Lernens und Umlernens). Welche Strategieempfehlungen für Berufssuchende sich aus diesem Paradigmenwechsel ableiten lassen ist m.W. noch nicht explizit und detailliert ausgeführt worden, sondern lediglich in den daraus abgeleiteten Zielen der (schulischen) Berufsorientierung implizit enthalten. Danach sollen die Schüler nicht vorrangig zu einer Entscheidung für eine bestimmte Ausbildung angeleitet werden, sondern vorrangig in ihrer Fähigkeit zur Gestaltung der eigenen Berufsbiografie gefördert werden (s. Butz, 2008, S46) bzw. in der Entwicklung beruflicher Handlungsfähigkeit (Famulla, 2008). Dies sind natürlich noch sehr allgemeine Strategieempfehlungen, mit denen insbesondere ressourcenschwächere Berufssuchende wahrscheinlich nicht viel anfangen können. Wichtig ist aber der Hinweis, dass Berufssuche und- entwicklung letztlich aus einer Kette von Handlungen besteht ( das hatte schon Tenbruck,1962; Hoppe ,1980; Schneider/Traut 1992 zu der Forderung veranlasst, die Berufsorientierung auf handlungswissenschaftliche Erkenntnisse zu begründen). Jedenfalls verspricht die Weiterverfolgung dieser Spur m.E. durchaus Chancen für die Präzisierung dieser und auch der aus anderen Ansätzen abzuleitenden Empfehlungen, die ja auch recht allgemein und nicht ohne weiteres miteinander vereinbar sind. Da es sich bei der Berufssuche um eine zeitlich für viele Menschen unter heutigen Bedingungen sich lange hinziehende bzw. mehrmals im Leben auftretende komplexe Folge von Planungen, Handlungen, Bewertungen der Ergebnisse, Korrekturen, handelt und um eine Aufgabe, die bei Nichterfolg große negative Auswirkungen hat, also bedeutsam und entsprechend emotional belastend ist, sind m.E. insbesondere handlungswissenschaftliche Forschungsergebnisse zu langfristigen, komplexen und emotional bedeutsamen Aufgaben möglicherweise übertragbar auf die Anforderungen der Berufssuche. In den folgenden Abschnitten soll der Frage nachgegangen werden, ob, und wenn ja wie, handlungswissenschaftlich orientierte sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu derartigen Aufgaben zu realistischeren, konkreteren und widerspruchsfreieren Empfehlungen für ressourcenschwächere Berufssuchende beitragen können.