E-Book, Deutsch, 80 Seiten
Villiam Die Zerufinaxt
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-347-67633-6
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fantasy-Novelle
E-Book, Deutsch, 80 Seiten
ISBN: 978-3-347-67633-6
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Asiope und Sieglinde werfen gemeinsam Runen, um den Verbleib des wertvollen Zerufins zu ergründen, das die Mauern ihrer Stadt Quedis dämonenfest macht. Das Ergebnis führt sie hinaus in die Nacht, in den Wald, in dem zwischen kahlen Bäumen düstere Gefahren warten. Brenzlig genug, doch Sieglinde zweifelt an Asiopes Liebe und Asiope an ihrer gemeinsamen Zukunft. Eine unwirkliche, poetische Reise zu sich selbst und anderen. Lesende erwartet: Runenmagie, Gemeinschaft, Humor, Streit & Versöhnung, Ausbruch aus Normen, queerautistic Pride
Iris Leander Villiam ist 1986 in Celle geboren, studierte in Dresden Psychologie und lebt, mittlerweile zurück im platten Niedersachsen, mit Mann und Kind ein turbulent-beschauliches Leben. Den Kopf in unendlichen Weiten, die Füße in festen Wanderschuhen. Das Herz überall und nirgends. In vielerlei Hinsicht 'questioning', die Weltsicht queerfeministisch, friedliebend und inklusiv. Weltenbau und Geschichten spiegeln all das wieder. Weitere Informationen: www.villiam.de
Autoren/Hrsg.
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Weg Es war kalt. Der Frühling ließ in diesem Jahr auf sich warten und während tagsüber die Sonne schon etwas Wärme mit sich brachte, waren die Nächte noch immer eisig. Gefrorenes Laub vom letzten Herbst knirschte unter unseren Füßen, weil Sieglinde auf Schleichwege bestand, die uns schneller in die richtige Richtung führen sollten. Nach Stunden waren sie für mich nicht mehr vom Wald zu unterscheiden. Ich sehnte mich nach Dämmerung, nach Morgensonne, nach Feuer, Tee und Schlaf. »Denkst du wirklich, dass Ilven schöner sind als Verge?«, fragte ich schließlich, vielleicht um mich von der Kälte in meinen Gliedern abzulenken. Vielleicht auch, weil der Gedanke in meinem Kopf seine Kreise drehte, seit wir losgewandert waren. »Das wäre ja albern«, antwortete sie, »so etwas pauschal zu behaupten.« »Hm.« Sie beschleunigte ihren Schritt, um schneller eine Anhöhe vor uns hinauf zu kommen. Ich fragte mich, ob sie von mir davon lief oder vielleicht doch den Weg suchte. Auf der Kuppel blieb sie allerdings stehen, sah sich zu mir um und meinte: »Ich denke, dass du schöner bist als ich.« Es hätte ein Kompliment sein können. »Ganz zufällig denkst du das.« »Schön«, erwiderte sie frustriert, »ich glaube, dass die meisten Leute Ilven schöner finden als Verge. Wenn du als Verg schön genug bist, zählst du schon fast wieder als Ilve, oder nicht?« »Hm. Und du denkst, dass ich zu diesen Leuten gehöre und dich nicht schön finde«, stellte ich fest. Wochen war es her, dass ich angemerkt hatte, ein Haarreif passe nicht zu ihren Ohren. Eine unvorsichtige Bemerkung, und sie nagte an ihr. Sieglinde deutete vor uns den Hang hinab: »Da ist die Straße, die wir gesucht haben.« »Gesucht?« Doch sie antwortete nicht, sondern machte sich daran, zwischen dunklen, kahlen Bäumen den besten Abstieg ausfindig zu machen. »Wir müssen nochmal über diese Schleichwege reden«, erklärte ich, als ich hinter ihr nach sicherem Tritt für meine Füße suchte. An der Straße angekommen, deutete Sieglinde nach rechts und erklärte: »Nach Risea.« Dann deutete sie zur anderen Seite. »Fuhrt über den Narwuf. Sag nicht, ich wüsste nicht, wo wir sind.« »Schon gut …«, begann ich. Doch da tauchten im Gestrüpp gegenüber der Straße grün leuchtende Dämonenaugen auf. Ich tippte Sieglinde auf die Schulter und nickte in die Richtung. Die Augen waren schon wieder verschwunden. »Wir sind nicht allein«, flüsterte ich und fühlte, wie sich meine Nackenhaare aufstellten. Ich zog langsam meinen Bogen vom Rucksack und legte einen Pfeil auf die Sehne. War der Dämon allein? Waren wir bereits umzingelt? Sieglinde zog ihr Messer. Ich hatte bereits erlebt, wie sie damit ohne mit der Wimper zu zucken einen widerspenstigen Dorn aus dem eigenen Bein operiert hatte. Doch nun konnte ich sehen, wie die Spitze der Klinge unstet zitterte. Sie war keine Kämpferin. Ich versuchte, ruhig zu atmen, während ich auf den Baum starrte, hinter dem ich die Augen vermutete. Ein Atemzug nach dem anderen. Nichts geschah. Kein Dämon stürzte auf uns zu. Ich bekam das unangenehme Gefühl, in einen Hinterhalt geraten zu sein. Als säße der Feind bereits in unserem Nacken. Als ich gerade schon den Bogen sinken lassen wollte, stürzte der Dämon hervor, mit weit ausgebreiteten, dunklen Schwingen, scharfen Krallen an seinen acht Gliedern und tausend blitzenden Zähnen in seinem widerlichen Gebiss. Ich schoss und traf, doch das hielt ihn nicht auf. Ich schoss erneut, während der Dämon mit ohrenbetäubendem Schreien einige Meter in die Luft stieg. Noch ein Schuss, der einen Flügel traf und ihn wenig beeindruckte. Er stürzte auf uns hinab. Ich fand mich zitternd und geduckt nah dem Waldboden wieder, als ein dumpfes Plock über mir den dämonischen Schrei verstummen ließ. Als ich aufsah, lag das Untier am Boden. Sieglinde schnitt ihm in einer raschen Bewegung die Kehle durch und rieb sich einen Moment über die offenbar schmerzenden Finger ihrer Faust. »Komm.« Sie reichte mir eine Hand und ich ließ mich ungelenk hochziehen, während ich etwas fassungslos auf den Leichnam sah. Ich hatte bereits Dämonen mit meinem Bogen zur Strecke gebracht. So nah war nie einer gekommen. »Du hast …«, stammelte ich. »Ja, und bei dem Geschrei sind sicher bald mehr hier«, erwiderte sie. »Ich …« antwortete ich und ärgerte mich über meine zitternden Knie. Sieglinde fasste mich am Oberarm und zog mich weg von dem Wesen, dessen Augen nun nur noch schwarze Höhlen waren. Ich bildete mir ein, dass ein Flügel noch zuckte. Aber als ich mich das letzte Mal umsah, knitterten die dunklen Schwingen bereits. Dämonenleichen nahm der Wind, wenn ihm die Sonne nicht zuvorkam. Ich wandte mich ab und fand bald in den Rhythmus von Sieglindes Schritten, die stur weitergegangen war und mich mit ihrem festem Griff zum Weitergehen gezwungen hatte. Ihre Füße und ihr steter Atem beruhigten mich. Vor uns färbte sich der Himmel zögerlich blau und rosa. »Bis zum Narwuf?«, fragte ich. »Mittags kommen keine Dämonen und wir können schlafen.« »Ich habe nicht viel Sternenlicht gesehen heute Nacht«, meinte ich in Hinblick auf ihre Runenlogik. Sie antwortete nicht. Die Angst blieb. Immer wieder glaubte ich, grüne Augen zu sehen. Immer wieder glaubte ich, einen Schrei zu hören, sah Schwingen in den Schatten, bildete mir das Knirschen von Krallen und Zähnen ein. Erst als die Morgensonne endlich unsere Nasen berührte, fühlte ich mich langsam wieder sicherer. Trotz meiner Müdigkeit wurden meine Schritte beschwingter. Es war schließlich nur ein Dämon gewesen, und nicht unser erster. Wir erreichten die Fuhrt, aßen und schliefen wenige Stunden in der kleinen Schutzhütte, die dort am Wegesrand stand. Begleitet von der Abenddämmerung passierten wir den Narwuf und erreichten damit die Weiten Weiden von Krusan, ein hügeliges Land, in dem sich Wald und Wiesen großzügig gegenseitig Platz gaben. Die ganze Nacht wanderten wir, vorbei an Schafen, Pferden und Dörfern, und es hätte eine angenehme Wanderung sein können, hätte nicht die Nacht meine Angst zurückgebracht. Ich hielt mit wachsamem Blick Ausschau nach Dämonen. Aber sie waren nicht meine einzige Sorge. Da war auch das Gefühl, wenn ich nach Sieglindes Hand greifen wollte. Mittags in der Schutzhütte hatten wir so selbstverständlich beieinander gelegen. Ihr Kopf auf meiner Brust. Mein Arm um sie gelegt, die Hand in ihrem Haar. Manchmal machte es mich selig, ihren Atem zu spüren. Die ruhige Vertrautheit, die wir nach so kurzer Zeit schon miteinander hatten. Doch nun in der Dunkelheit fragte ich mich erneut, ob es reichte. Ob ich nicht mit ihr nur einen anderen Rausch erlebte. Ob ich genauso fliehen würde. Oder ob sie gehen würde, sich einen Verg suchen, wie man es eigentlich von ihr erwartete. Immer wieder liefen meine Gedanken zurück zu dem Moment, als sich ihre Augen mit Tränen gefüllt hatten. Immer wieder spannen sich Gedanken über eine Zukunft, in der sie andere Worte sagen würde. Ja, ich gehe. Und immer wieder schob ich diese Gedanken beiseite, dachte an den Weg und das Zerufin, das wir hoffentlich finden würden. Ich wollte glauben, dass es gut war zwischen uns. Unsere Füße fanden so selbstverständlich in einen gemeinsamen Rhythmus, als kennten wir uns schon ewig. Wenn Sieglinde unflätige Bemerkungen über die Form von Bäumen machte oder von der Bedeutung Drols erzählte, dann erschien alles so einfach. Weil ich jedes Wort aus ihrem Mund hören wollte, und weil sich meine Worte ins Gespräch flochten, ohne zu stören. Es musste gut sein. Und doch zehrten die Gedanken an mir. Sie blieben, als der nächste Morgen kam, als Sieglinde sich schlafend an mich drückte und als wir uns Äpfel und Kuchen teilten, die wir in einem Dorf erstanden hatten. Als wir die Weiten Weiden hinter uns ließen und an einem Nebenarm des Narwurf durch das Tal von Niva in die Nacht liefen. Aber ich fürchtete nicht nur unser Scheitern. Wenn ich Sieglinde ansah, neben mir, Füße und Atem in unserem gemeinsamen Wanderrhythmus, fühlte ich tief in meinem Innern dieses warme, kribbelnde Gefühl von Wollen und Geborgenheit, Vertrautheit und Wärme. Ein unbekanntes Gefühl, und beängstigend in seinem Ausmaß. Wie auch die anderen Ilven meiner Generation hatte ich die wahre, schicksalhafte Liebe mein Leben lang für einen Mythos gehalten. Und nun war da Sieglinde, und ich fühlte mich ganz, ohne dass ich vorher je das...