Reise in die Zeugenwelt
E-Book, Deutsch, 514 Seiten
ISBN: 978-3-86346-124-9
Verlag: Kuebler
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Jan Vanstina (Pseudonym), Jahrgang 1960, ist ein Kind der Nach-68er-Generation - die Generation der Zuschauer. Zur ewigen Vogelperspektive verdammt, kann er bei den politischen und familiären Auseinandersetzungen der frühen 70er Jahre nur zusehen. In den 80er Jahren wird er als letzter mit 'Karlheinz Köpcke' und drei Programmen in schwarzweiß sozialisiert. In den 90ern lernte er zu zappen und seine Welt mit der Fernbedienung zu modellieren. Zu jung für Woodstock, zu alt, um als 'digital native' andere Sorgen zu haben, verlegt sich der gut ausgebildete Babyboomer erst auf Geisteswissenschaften, Kreation und Kommunikation. Und schließlich - zur ewigen Vogelperspektive verdammt - auf die wenigstens theoretische Rettung der Welt in seinem Roman 'Ich bin Lukan'.
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Titelseite
Widmung
TEIL I
Prolog
Kapitel 1 - Immer geradeaus...
Kapitel 2 - Der Plan: Zu den Zeugen
Kapitel 3 - Die Tür schwingt hin und her...
Kapitel 4 - Die Ausbildung
Kapitel 5 - Vor dem Übergang
Kapitel 6 - Es ist soweit
TEIL II
Kapitel 7 - Die Ankunft
Kapitel 8 - Das Mädchen Cubona
Kapitel 9 - Mutter
Kapitel 10 - Paul der Bruder
Kapitel 11 - Gespräch über Väter
Kapitel 12 - Der Vater
Kapitel 13 - Aufklärung
Kapitel 14 - Was Lust mit Sinn und Zeit zu tun hat
Kapitel 15 - Menschen auf der Straße
Kapitel 16 - Der schlimme Traum
Kapitel 17 - Gleichheit und Verschiedenheit
Kapitel 18 - Das Gespräch der Eltern
Kapitel 19 - Pollinose
Kapitel 20 - Cubonas Trauer
Kapitel 21 - Die Erklärung
Kapitel 22 - Wozu man Väter braucht
Kapitel 23 - Wir haben es geschafft
Kapitel 24 - Brzcynski
Kapitel 25 - Am falschen Ort gesucht
Kapitel 26 - Der Plan für das Treffen
Kapitel 27 - Vorbereitungen
Kapitel 28 - Der Nachweis
Kapitel 29 - Aua!
Kapitel 30 - Onkel Levin
Kapitel 31 - Strategie für den Rat
Kapitel 32 - Der Genomtest
Kapitel 33 - Der Weg zum Rat
Kapitel 34 - Der Streit im Rat
Kapitel 35 - Eine interessante Diskussion
Kapitel 36 - Die Entlarvung
Kapitel 37 - Die Analyse
Kapitel 38 - Cubonas Plan
Kapitel 39 - Ein seltsames Gefühl
Kapitel 40 - Eine seltsame Handlung
Kapitel 41 - Gute Nacht
Kapitel 42 - Die Nacht
Kapitel 43 - Das Abenteuer
Kapitel 44 - Die letzte Nacht
Kapitel 45 - Guten Morgen
Kapitel 46 - Cubonas Brief
Kapitel 47 - Der Abschied
Kapitel 48 - Plop
Epilog
Kapitel 1
Der Tag, an dem alles anders wurde, war eigentlich ein Tag, der genau so war wie jeder andere vorher.
Ich ging damals unseren Weg. Der Weg von dem ich wusste, dass alle ihn gegangen waren im Lauf der Zeit. Links die Schienen der Stadtbahn, die - wie sie sagten - immer leiser und schneller geworden war. Rechts die Häuser und Villen des alten Viertels. Wenn man sie so sah, dachte ich wie alle vor mir, dann sollte man nicht meinen, dass etwas geschehen war. Sie lagen da wie früher. Klotzig schöne Villen, machtvoll teils, drunter auch kleinere EinTeamHäuser wie das, in dem ich selbst aufwuchs. Eckig und robust mit rundem Eingangsbogen, um den Rosen wuchsen. Rote Rosen, an denen sich jeder von uns mindestens einmal beim Heimkommen den linken Ärmel zerriss. Es war nicht zu vermeiden, das wussten wir. Also blickten wir nun schon auf ganze drei Phylogenasen aus je zwölf ontogenetischen Stadien zurück. Wir nahmen es gelassen: Das waren zwar einerseits 36 zerrissene Ärmel. Aber andererseits waren das ja immerhin auch 36 Zeichen dafür, wie sehr wir in uns ruhten. Im Unterschied zu Typen, die sich stärker wandelten, war unsere Struktur schon in den ersten ontogenetischen Stadien deutlich zu erkennen.
Ich biss in den grünen Apfel, den mir die Amme wie jeden Morgen mitgegeben hatte. Die Ammen wussten, dass wir morgens auf dem Weg zur Schule gern grüne Äpfel essen. Und so kaute ich auch an diesem Tag genüsslich das säuerliche Fleisch des Apfels, während ich mich wie jeden Morgen die lange Gerade entlang quälte. Wie immer versuchte ich, mich selbst von der Quälerei durch Gedankenspiele abzulenken: Drei komplette Phylogenasen lang waren wir den Weg schon lang gelaufen. Drei mal zwölf ontogenetische Stadien - ein ontogenetisches Stadium hat fünf Jahre - das sind 180 Jahre. Da wussten wir wenigstens schon vorher ganz genau, dass es jeden Morgen eine Quälerei sein würde, die lange Gerade hinter sich zu bringen. Und dadurch wussten wir auch präzise, dass wir die Qual durch einfache Hilfen wie zum Beispiel schöne saure grüne Äpfel ein wenig lindern konnten. 180 Jahre mal 365 Tage. In Äpfeln ausgedrückt wären das 65.700 Äpfel, die uns trösten konnten. Und ebenso viele Rechenexempel wie dieses, die uns manche Qual besser ertragen ließen. Jeden Tag. In jedem ontogenetischen Stadium. Und in jeder Phylogenase. Gut zu wissen. Der Schmerz ist kleiner, wenn wir ihn kennen, sagte mein Fünfziger oft. Und er hatte Recht.