Valla | Das Haus über dem Fjord | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Valla Das Haus über dem Fjord


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-86648-811-3
Verlag: mareverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-86648-811-3
Verlag: mareverlag
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Mit Anfang 30 kehrt Elin, die als Journalistin in Oslo arbeitet, in ihr nordnorwegisches Heimatdorf zurück, um nach dem Tod der Mutter ihr Elternhaus aufzulösen. Ihre Kindheit endete jäh, als sie mit zehn Jahren die beiden älteren Brüder und den Vater durch einen Erdrutsch verlor, der ein Stück der Küste ins Meer riss. Während ihres Aufenthaltes trifft Elin ihre Jugendliebe Ola wieder, den besten Freund ihres ältesten Bruders, der sie nach dem Unglück damals auffing und mit dem sie doch nie richtig zusammenfand. Und dann entdeckt sie beim Aufräumen Hinweise auf ein großes Geheimnis ihrer Eltern, das ein ungeahntes Licht auf das Verschwinden ihres Vaters wirft und Elin auf eine Spurensuche bis in ein französisches Dorf führt. Endlich eröffnet sich für Elin die Chance, sich mit ihrer Vergangenheit zu versöhnen und ihren eigenen Weg zu gehen.

Kristin Valla, aufgewachsen im norwegischen Nordland, ist Autorin, Journalistin und Lektorin und schreibt u.a. für das Dagbladet Magasinet und das Kulturmagazin K der Zeitung Aftenposten. Ihr Romandebüt »Muskat« erschien im Jahr 2000 und wurde in sieben Sprachen übersetzt. »Das Haus über dem Fjord« ist ihr dritter Roman.

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Wir hatten es schon länger knallen hören. Seit einigen Wochen wurde unten am Sørfjord gearbeitet, abends wurde gesprengt, tagsüber gegraben, gewaltige Maschinen, die die Steinmassen zum Ende des Strandes beförderten. Nach und nach hatten wir uns daran gewöhnt. Schliefen meistens sogar dabei ein. Die E6 sollte nicht mehr durch den Ort führen, wie sie es immer getan hatte, vorbei an Geschäften und Postamt und dem Bahnhof, wo zweimal am Tag die Nordlandsbahn hielt, jetzt sollte ein Tunnel quer durch das Gebirge führen, das würde Zeit sparen. Acht Minuten, hatte ich gehört. Sie seien jetzt fast fertig, sagte Mama, sie hatte unten bei Seljelids angerufen, um sich zu vergewissern, dass die alte E6 noch immer offen war, eine letzte Sprengladung, dann wären sie durch. Sie stand auf der Veranda und hielt Ausschau nach Papa, mit der Hand schirmte sie die Sonne ab, sie wirkte besorgter als sonst, fast ängstlich. Ich verstand nicht, was sie so nervös machte. Er verspätete sich nicht zum ersten Mal. Sicher redete er noch mit irgendwem, das passierte ihm häufiger, er blieb sozusagen an den Leuten hängen. Sie stellte uns immer Aufgaben, wenn sie in dieser Stimmung war. Vegard stand im Flur und bügelte sein Hemd, Thomas machte Ordnung im Spielzimmer, sammelte alles vom Boden auf und stopfte es in die Kisten, bis sich die Deckel nicht mehr schließen ließen. Es war sinnlos, jetzt damit anzufangen, fand ich, wir wollten doch los. Mich hatte Mama in die Badewanne gesteckt. Ich sollte mir die Haare waschen, das war meine Aufgabe. Nicht dass sie schmutzig gewesen wären, ich hatte sie schon am Vorabend gewaschen und gekämmt, es war wegen des Festes. Das Sommerfest war das gleiche wie im letzten Jahr und auch im vorletzten Jahr, Papas Vetter in Bjerka lud ein, in seinem Garten wimmelte es unter den Birken von Verwandtschaft. Ich klatschte mir einen dicken Schaumklecks mitten auf den Kopf und grinste Vegard an, der in der Badezimmertür stand. »Du siehst total bescheuert aus«, sagte er. »Selber bescheuert«, sagte ich. Mama kam herein und nahm die Handbrause, sie trug noch immer ihren Morgenrock, hatte immer Angst, nass zu werden. Sie richtete den Strahl auf meinen Kopf, wie üblich hatte sie vergessen, eine Hand ins Wasser zu halten. »Au, das brennt!« »Ist es jetzt besser?« »Kälter.« »So?« Als ich kleiner war, hatte ich immer geschrien, weil sie an meinen Haaren ziepte, aber daran hatte ich mich jetzt gewöhnt. Sie schaffte es einfach nicht anders. »Thomas? Bist du angezogen?«, rief sie in den Flur hinaus. »Du hast gesagt, ich soll aufräumen.« »Dazu haben wir keine Zeit. Du musst dich waschen und dich anziehen.« »Dann sag doch nicht, dass ich aufräumen soll. Herrgott noch mal!« Thomas kam herein und spritzte sich Wasser auf die Brust. Er nahm Deo, es roch wie das, was Vegard benutzte. Mama besorgte die Deos bei Sara im Laden, bei Sachen, die für uns bestimmt waren, kam es nicht so drauf an. Für sich selbst kaufte sie dort nie irgendetwas. Ich zog den Stöpsel aus der Badewanne und stand auf. Mama trocknete mich mit steifen Bewegungen ab. »Eine halbe Stunde, dann fahren wir«, sagte sie. »Aber Papa ist noch nicht da«, sagte ich. Mama seufzte. »Wir müssen es noch mal im Büro probieren.« Sie hatte wie immer für alle Sachen zum Anziehen herausgelegt. Hemd und Hose für Vegard und Thomas, ein Kleid für mich. Vegard und Thomas durften etwas anderes tragen, wenn ihnen das Bereitgelegte nicht gefiel, für sie kaufte Mama nichts mehr, ohne vorher zu fragen. Bei mir war das anders. »Das da?«, fragte ich und zeigte auf das Kleid, das am Schrank hing. »Stimmt damit etwas nicht?« »Das ist für Babys.« »Ist es nicht. Schau her. Größe: zehn Jahre. Und wenn mich nicht alles täuscht, bist du zehn.« »Muss ich ein Kleid anziehen? Kann ich nicht in Hose und Hemd gehen, wie Vegard und Thomas?« »Wir wollen auf ein Fest.« »Auf ein Sommerfest. Da wollen wir doch spielen.« »Du ziehst ein Kleid an.« Zehn Minuten später sah ich das Auto in der Auffahrt. Papa stellte den Kombi dicht vor der Gartenmauer ab, nahm den Diplomatenkoffer vom Beifahrersitz und schaute zum Fenster im ersten Stock hoch. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich dort sah. Vielleicht blendete die Sonne zu stark. Vom Treppenabsatz aus konnte ich beobachten, wie die Haustür geöffnet und wie der Diplomatenkoffer in den Flur gestellt wurde. Papa lächelte Mama an, als sie die Treppe hinunterkam, wobei ihre Hand auf dem leicht abgerundeten Geländer ruhte. Sie war fertig geschminkt und hatte sich die Haare zu Locken gedreht. Blonde, leichte Wellen fielen auf ihre Schultern. »Ich hab im Büro angerufen«, sagte sie. »Da hieß es, du seist vor vierzig Minuten gefahren.« »Bin ich auch«, sagte Papa. Mehr sagte er erst, als Mama zu ihm ging und sich an ihn lehnte, sein Mund lag dicht an ihrem Ohr, während sie redeten. Ich hörte nicht, was sie sagten, duckte mich jetzt hinter das Treppengeländer, wollte eigentlich nicht von ihnen gesehen werden. Papa legte die Arme um Mama. Für einen kurzen Augenblick durchlief ein Zittern Mamas Körper. So standen die beiden eine Weile da, die Köpfe aneinandergelegt, sie hatten sich nicht wie sonst mit einem Kuss begrüßt. Dann löste sich die Umarmung auf. »Da sitzt du also, Elin?«, fragte Papa und zwinkerte mir zu. »Du kommst aber spät«, sagte ich und lief zu ihm nach unten. »Ich weiß«, sagte er. »Machen wir also, dass wir fertig werden, damit wir losfahren können?« Das Kleid war in London gekauft worden, und es war mit blauen Blümchen und Sternchen bestickt. Unten am Rocksaum gab es eine dunkelblaue Kante, in der Mitte saß ein Gürtel, der sollte um die Taille gebunden werden, obwohl alle wussten, dass ich keine Taille hatte. Mama musste sich ein anderes Mädchen vorgestellt haben, als sie im Laden stand. »Das passt nicht«, sagte ich. »Tut es wohl«, sagte sie. »Das zieh ich nicht an.« »Tust du wohl.« »Aber es ist zu kalt.« »Dazu gehört eine Strickjacke. Schau mal.« Ich streifte mir das Kleid über den Kopf, konnte den Reißverschluss mit eigener Hand bis fast nach ganz oben hochziehen. Am Ende zog ich die Strickjacke über, und dann betrachtete ich mich. Das Kleid hatte schön ausgesehen, als es auf dem Bett lag, aber jetzt, als ich es anhatte, war es nicht mehr schön. Das Kleid machte mich ganz plump. Ich stand da und schwoll förmlich vor dem Spiegel an. Mama musste begreifen, dass ich so nicht herumlaufen könnte, wie eine Puppe, die niemand anfassen durfte. Ich lief in ihr Schlafzimmer und warf die Strickjacke aufs Bett. »Hier. Nimm das blöde Ding.« »Was soll das denn heißen, Elin?« Papa stand in der Tür zur Ankleidekammer. Er trug eine helle Baumwollhose, auf dem Bett lag ein Pullover, der war für später, falls es kalt würde. »Sie schmollt, weil ich ihr ein reizendes Kleid gekauft habe, das sie jetzt anziehen muss«, sagte Mama. »Ich zieh das nicht an«, sagte ich. »Das tust du wohl.« »Nein.« »Was willst du denn anziehen, Elin?«, fragte Papa. »Das Gleiche wie Vegard und Thomas. Hose und Hemd.« »Du hast aber keine schöne Hose«, sagte Mama. »Hab ich wohl.« »Wenn du auf das Fest gehen willst, dann ziehst du das Kleid an, und dabei bleibt’s.« »Dann bleib ich eben zu Hause, du blöde Kuh.« Mamas Augen sprangen auf wie zwei Deckel, sie konnte nicht einmal reagieren, da stand schon Papa vor mir, packte meinen Arm und drückte zu. »So redest du nicht mit deiner Mutter. Ist das klar?« »Okay.« Etwas musste in letzter Zeit mit seiner Hand passiert sein, das merkte ich jetzt. Sie war schwächer, weniger gefährlich. Oder vielleicht war ich einfach größer und stärker geworden. »Bitte Mama um Entschuldigung.« »Entschuldigung.« »Elin! Ernsthaft...


Kristin Valla, aufgewachsen im norwegischen Nordland, ist Autorin, Journalistin und Lektorin und schreibt u.a. für das Dagbladet Magasinet und das Kulturmagazin K der Zeitung Aftenposten. Ihr Romandebüt »Muskat« erschien im Jahr 2000 und wurde in sieben Sprachen übersetzt. »Das Haus über dem Fjord« ist ihr dritter Roman.



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