E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Troi Alpen, Männer und andere Hindernisse
22001. Auflage 2022
ISBN: 978-3-492-98928-2
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman | Eine Alpenüberquerung mit dem Fahrrad, Liebe und anderen Verstrickungen
E-Book, Deutsch, 264 Seiten
ISBN: 978-3-492-98928-2
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Heidi Troi ist eine vielseitige Autorin, die sich nicht gern in Schubladen stecken lässt. Daher gibt es von ihr Krimis, Kinderbücher und Wohlfühlromane. Viele davon spielen dort, wo Heidi Troi aufgewachsen ist und jeden Stein kennt, nämlich in Südtirol. Aber nicht nur. Jedes ihrer Bücher ist einzigartig und sie liebt es, in ihren Geschichten den Menschen auf die Spur zu kommen, den Gründen ihres Handelns, ihren versteckten Ängsten und Wünschen. In ihren Büchern steckt immer eine Prise Humor, ein Quäntchen Wahrheit und ganz viel Liebe zu ihren Protagonisten und zu ihren Leser:innen.
Autoren/Hrsg.
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Geburtstag
Tina
Die Türglocke bimmelte. Tina rief aufgeregt: »Er kommt! Los!«
Alle verschwanden in irgendwelchen Verstecken, und Tina ließ ihren Blick zufrieden über das Wohnzimmer ihrer Eltern gleiten, wo traditionell alle Familienfeiern stattfanden. Normalerweise waren diese Feiern unspektakulär. Es gab Kaffee und Kuchen und natürlich Geschenke. Nichts deutete darauf hin, dass hier gleich eine etwas außergewöhnlichere Überraschungsparty stattfinden würde. Eine Überraschungsparty für Ulrich, ihren Freund und – ein verliebtes Lächeln stahl sich in ihr Gesicht – zukünftigen Ehemann.
Sie strich sich eine Haarsträhne zurück, atmete durch und ging in den Flur, um Ulrich die Tür zu öffnen. Max schob sich mit einem »Hey, Schwesterlein« an ihr vorbei, gleich nach ihm betrat Ulrich die Wohnung. Er war wie gewohnt penibel gestylt – kurzes Haar, dazu der Bart im Kanye-West-Stil, die Designerklamotten – und sah einfach gut aus, fand sie.
»Schnecke.« Zur Begrüßung küsste er sie leidenschaftlich.
Aus dem Augenwinkel sah Tina zwei weitere Gestalten. Schnell schob sie Ulrich weg. Liebesbezeugungen in der Öffentlichkeit mochte sie gar nicht, und er wusste das.
»Hallo, Tina.« Peter, Ulrichs Arbeitskollege, zwinkerte ihr zu. »Lasst euch nicht stören.«
Ihr Blick fiel auf den anderen Neuankömmling. Als sich seine schwarzen Augen kurz weiteten, wusste sie, dass auch er sie erkannte. Das war der Mann, der im Café neben ihnen gesessen hatte. Der Waldschrat … Aufmerksam ließ sie ihren Blick über sein aufpoliertes Erscheinungsbild gleiten. Der Bart war weg, der Mann steckte in frischen Klamotten … Trotzdem umgab ihn weiterhin diese leicht düstere Aura. Der Waldschrat war in das Kostüm eines Geschäftsmanns geschlüpft. Seine Miene zeigte leichte Verwirrung.
Ulrich legte ihm die Hand auf den Rücken und schob ihn in die Wohnung. »Das ist Vinz. Wir hatten heute ein Meeting.«
Als würde diese Information als Grund ausreichen, einen Fremden zu deiner Geburtstagsfeier mitzubringen, dachte Tina, aber dann rief sie sich selbst zur Ordnung. Ulrich wusste ja nichts von der Feier, die sie organisiert hatte, nur, dass sie einen Kuchen gebacken hatte.
Also streckte sie dem Fremden die Hand hin. »Ich bin Tina.«
Der Mann ergriff sie und drückte sie kurz. Es war ein warmer, fester Händedruck, begleitet von einem freundlich-distanzierten Lächeln.
»Gut. Auf zum Kuchenessen. Die Männer wollten nämlich noch was trinken gehen. Nach der Feier, die du sicher vorbereitet hast.« Ulrich zwinkerte ihr zu.
Tinas Lächeln gefror auf ihrem Gesicht. Wie hatte er das erraten? War sie so durchschaubar?
»Du hast echt was vorbereitet?« Ulrich legte den Kopf zurück und lachte schallend. »Das ist meine Schnecke.« Er legte seinen Arm besitzergreifend um ihre Schultern, grinste Vinz zu, und während er ins Haus trat, sagte er zu ihm: »Die Schuhe darfst du anbehalten.« Im Wohnzimmer angekommen, sah er sich um. »Nanu? Habe ich doch danebengelegen mit meiner Vermutung?«
Tina grinste. Dann stellte sie sich noch einmal auf die Zehenspitzen, küsste ihn auf den Mund und sagte: »Alles Gute zum Geburtstag, Schatz!«
Wie auf Kommando sprangen aus allen Ecken die Geburtstagsgäste hervor – Glückwünsche rufend, trötend und mit lachenden Gesichtern. Und so ging Tinas »Ich liebe dich« in dem allgemeinen Lärm unter. Ulrich nahm die Gratulationen grinsend entgegen, schüttelte Hände und erwiderte Umarmungen, und als ihr Bruder Max auch noch die vorbereitete Hintergrundmusik anwarf, lag sofort Partystimmung im Raum.
Alle waren zu Ulrichs vierzigstem Geburtstag gekommen. Tinas Familie natürlich, ihre Eltern, ihre Großmutter, Ulrichs Sekretärin Melanie und ein paar Kollegen von den Pedalos, dem Amateur-Radsport-Verein, dem auch Ulrich angehörte und bei dem Max, Peter und Ulrich eine Mannschaft bildeten: das Treter-Trio.
Tina gab ihrer Mutter ein Zeichen, und sie verschwanden zusammen in der Küche, wo all die Köstlichkeiten warteten, die sie vorbereitet hatten. Italienische Antipasti, edler Rotwein, Oliven, eingelegtes Gemüse – alles stand unter dem Motto Italien. Mit gutem Grund. Tinas Herz hüpfte, wenn sie an ihr Geburtstagsgeschenk für Ulrich dachte. Doch noch war es nicht so weit. Sie packte zwei Servierplatten und ging damit ins Wohnzimmer, wo sie sie auf dem Couchtisch abstellte. Ihre Mutter hatte ihre Last bereits auf dem Esszimmertisch deponiert, und Tina notierte zufrieden, dass Max sich um die Getränke gekümmert hatte, denn alle Gäste waren bereits mit Sektflöten versorgt und in ausgelassene Diskussionen vertieft. Es war alles so, wie es sein sollte.
Da fiel ihr Blick auf den Mann, den Ulrich mitgebracht hatte. Er stand als Einziger allein im Raum, hielt sich an seinem Sektglas fest und beobachtete die Gesellschaft, als würde er nicht dazugehören. Als hätte er einen Bannkreis um sich gezogen, den kein anderer betreten konnte. Weil Ulrich in ein Gespräch mit seinen Arbeitskollegen vertieft war, beschloss Tina, sich seines Begleiters anzunehmen. Sie nahm eine der Platten in die Hand, ging auf ihn zu und bot ihm die Häppchen an.
»Sie arbeiten mit Ulrich?«, fragte sie, um mit einem belanglosen Thema zu beginnen.
Er nickte. »Könnte man so sagen.«
»Und? Gefällt es Ihnen in der Firma?« Er sah sie seltsam an. Dann nickte er. »Und was machen Sie so?«
»Restrukturierung.«
»Oh, das ist sicher interessant. Was haben Sie da studiert? Denkmalpflege?«
Der Kerl sah aus, als wollte er etwas erwidern, dann runzelte er die Stirn und meinte zögernd: »Wirtschaft.«
Tina lächelte bewundernd. »Da hat Ihr Leben wohl eine ziemlich unerwartete Wendung genommen – von der Kunst zur Wirtschaft, das ist … ungewöhnlich, oder? Wissen Sie, solche Leute bewundere ich. Nicht, dass ich selbst unzufrieden wäre in meinem Job – ich bin Bibliothekarin, wissen Sie –, aber ich kann mir schon vorstellen, dass ich irgendwann einmal raus möchte aus dem immer gleichen Trott. Ich finde es fantastisch, dass Sie den Schritt gewagt haben.« Er gab ein Grunzen von sich, das genauso eine Zustimmung wie eine Ablehnung sein könnte. »Und wie haben Sie Ulrich kennengelernt?«, fragte Tina, um das Gespräch weiter in Gang zu halten.
»In der Firma«, war die Antwort.
Tina war kurz verwirrt. Musste Ulrich etwas umbauen? Davon hatte er ihr gar nichts erzählt. Doch bevor sie nachfragen konnte, wurde es um ihren Freund herum laut.
»Bescherung! Bescherung!«, riefen die Geburtstagsgäste.
Ulrich durfte auf dem Lieblingssessel von Tinas Vater Platz nehmen, und auf dem Couchtisch vor ihm türmten sich die Geschenke.
Kurz zögerte Tina. Eigentlich hatte sie Ulrich ihr Geburtstagsgeschenk später geben wollen, wenn sie allein waren. Doch plötzlich fand sie es seltsam, als Einzige kein Geschenk für ihn zu haben. Also ließ sie den Eigenbrötler stehen und rannte in ihr altes Kinderzimmer, um das Kuvert zu holen.
Vinz
Vinz hatte sie auf den ersten Blick erkannt, und sein Körper hatte gleich auf sie reagiert – wie vor ein paar Tagen in dem Café, als sie mit dieser Rothaarigen so begeistert über irgendeine Reise gesprochen hatte. Als sie die Augen geschlossen hatte mit diesem sehnsüchtigen Ausdruck im Gesicht. Ohne es zu wollen, hatte er damals das Gespräch mit angehört und den Glückspilz beneidet, dem sie einen Heiratsantrag machen wollte. Das war eine Frau, die ihren Mann wirklich liebte. Hoffentlich erwidert der Kerl diese Liebe auch, hatte er sich gedacht.
Dass es sich bei dem Glücklichen ausgerechnet um Ulrich handelte, versetzte ihn in Unbehagen. Warum das so war, konnte er sich nicht erklären. Es konnte ihm völlig egal sein, wen Ulrich heiratete oder auch nicht. Nach dem Restrukturierungsprozess würde er weder Tina noch Ulrich jemals wiedersehen. Doch es wurmte ihn. Er hatte das Bedürfnis, Tina von ihrem Beinahe-Verlobten...