E-Book, Deutsch, Band 172, 100 Seiten
Reihe: Fürstenkrone
Fürstenkrone 172 - Adelsroman
E-Book, Deutsch, Band 172, 100 Seiten
Reihe: Fürstenkrone
ISBN: 978-3-7409-6164-0
Verlag: Kelter Media
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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»Das …, das glaub ich einfach nicht!« Heinrich, Graf von Falckenstein stand wie aus Stein gemeißelt da, blass, in seinem schmalen Gesicht bewegte sich kein Muskel. »Sie werden es glauben müssen!« Rechtsanwalt Meerbach gab dem Grafen das amtliche Schreiben. Der nahm es nur zögernd entgegen. »Heißt das, dass der …, dass unser Adelsbrief überhaupt nichts wert ist?« »Das würde ich so nicht sagen, Graf«, antwortete Meerbach, »aber wie es ausschaut, hat Herr …«, Meerbach räusperte sich, »hat Herr Lindting die älteren Rechte! Jedenfalls hat das Gericht so entschieden, und wenn wir keine neuen, beziehungsweise verwertbaren Urkunden vorlegen können …!« »Aber meine Familie lebt seit über vierhundert Jahren hier auf Falckenstein!« Graf Heinrich sah seinen Rechtsanwalt an, als könne der ihn aus seiner misslichen Lage befreien. Heinrich, Graf von Falckenstein war immer noch eine tadellose Erscheinung. Er war groß gewachsen, hatte eine fast asketische Figur, klare Gesichtszüge und wenn er auch schon Mitte sechzig war, wuchs sein Haar noch voll, wenn es jetzt auch begonnen hatte, an den Schläfen zu ergrauen. »Ich fürchte, Sie werden der amtlichen Anordnung Folge leisten und das Schloss räumen müssen!« Rechtsanwalt Meerbach sah zu Boden. Er konnte des Grafen gedemütigten Blick nicht ertragen. »Jetzt hören Sie mal zu!« Ein rundlich und eher klein wirkender Mann erhob sich und kam mit raschen Schritten näher. Er hatte bisher, ohne in die Unterhaltung einzugreifen, in einem Sessel der Empfangshalle des Schlosses gewartet. Graf Falckenstein und Rechtsanwalt Meerbach drehten sich nach ihm um. »Recht ist nun mal Recht«, sagte der kugelig Wirkende, »und niemand, auch Sie nicht … Graf, Sie schon mal gar nicht, werden daran was ändern!« Dann huschte ein Lächeln über sein verschwitztes Gesicht. »Ob Sie den Grafentitel behalten können, interessiert mich nicht, aber kümmern Sie sich lieber darum, dass man Ihnen wenigstens den belässt, als völlig sinnlos hinter längst verlorenen Besitztümern herzutrauern.« »Herr Lindting, bitte …!« Rechtsanwalt Meerbach sah den nun nervös Hin- und Herschreitenden vorwurfsvoll an. »Hören Sie auf mit dem Getue«, antwortete er, »außerdem sollten Sie schon mal üben, meinem Namen den Grafentitel voranzustellen, denn ich hab mich in dieser Sekunde entschlossen, auch um den Titel des Grafen Falckenstein zu kämpfen.« »Wir haben gehört, was Sie zu sagen hatten, Herr Lindting …«, antwortete Meerbach. Doch Julius Lindting unterbrach ihn sofort. »Ich war noch nicht fertig. Jetzt sagen Sie dem Herrn«, er deutete auf den wie versteinert dastehenden Graf Heinrich, »dass er binnen eines Monats hier zu verschwinden hat. Und vergessen Sie nicht, ihn darauf hinzuweisen, dass alles, was zum Inventar des Schlosses gehört, auch hierbleibt. Ich werde es anhand einer Inventarliste kontrollieren lassen, verlassen Sie sich darauf.« »Herr Lindting, ich bitte Sie nun wirklich, etwas mehr Benehmen zu zeigen, schließlich haben Sie meinem Mandanten schon genug angetan«, sagte Meerbach mit scharfer Stimme, »da müssen Sie ihn nicht auch noch des Diebstahls …!« Doch Lindting winkte ab. »Hören Sie mit Ihrem Trara auf. Er und seine Tochter dürfen nur ihre persönlichen Dinge mitnehmen, und damit basta.« Dann sah Lindting kurz Rechtsanwalt Meerbach und dann Graf Falckenstein an, dabei umspielte ein dünnes, äußerst überheblich wirkendes Lächeln seine Mundwinkel, dann nahm er seinen Hut, sagte »Guten Tag« und verschwand. Rechtsanwalt Meerbach atmete tief durch. »Ein äußerst unangenehmer Mann«, sagte er, dann zuckte er mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Ich …, ich versteh die Welt nicht mehr, dass ein …, ein unabhängiges bayerisches Gericht eine solche Entscheidung treffen konnte.« »Was soll ich denn jetzt machen?« Graf Falckenstein sah Meerbach fragend an. »Wo soll ich denn jetzt hin? Ich und Nina?« Vor zweieinhalb Jahren etwa war jener Herr Lindting auf Falckenstein aufgetaucht und hatte behauptet, der rechtmäßige Besitzer des Stammsitzes derer von Falckenstein zu sein und begründete dies mit einem Bündel Urkunden und notariellen Beglaubigungen. Graf Heinrich ließ den ungebetenen Besucher hinausbitten und vergaß die Sache. Erst als ihm ein paar Monate später ein amtliches Schreiben überstellt wurde, das ihn aufforderte, seine Besitzurkunden einsehen zu lassen, erinnerte er sich an die Begegnung. Er beauftragte seinen Rechtsanwalt mit der Angelegenheit und heute erhielt er nun die ihn völlig niederschmetternde Aufforderung, Falckenstein binnen vier Wochen zu verlassen. Da Graf Heinrich nie mit der Möglichkeit gerechnet hatte, dass man diesem Menschen Schloss Falckenstein übereignen würde, hatte er sich auch noch nicht damit befasst, wo er und seine Tochter nun unterkommen würden. Er sah Rechtsanwalt Meerbach hilflos an und zuckte mit den Schultern. »Was …, wo sollen wir denn nun hin?«, fragte er noch einmal. »Ich …, wir stehen auf der Straße. Alles ist doch an diesen …, diesen Fiesling gefallen. Der gesamte Falckensteiner Wald, alle Ländereien und …!« »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, Graf«, warf Meerbach ein, während er in dem amtlichen Schreiben blätterte, »aber das Gericht ist nicht in allen Punkten den Forderungen des …, dieses Herrn gefolgt und hat Burgbach, das ja zudem aus dem Besitz Ihrer verstorbenen Gattin stammt, und einen erheblichen Teil Ihres Waldbesitzes, und zwar den, der nicht unmittelbar mit Falckenstein in Verbindung gebracht werden konnte, von der Übereignung ausgenommen.« Graf Falckenstein sah Meerbach an. »Das hieße …?« »Sie könnten nach Burgbach umsiedeln …! Dort …, ich habe mir erlaubt, schon ein wenig vorzuarbeiten, erwartet man bereits voller Ungeduld Ihre Ankunft und freut sich …! Außerdem …, also, Sie sind nach wie vor ein unabhängiger Mann!« »Ein gedemütigter Mann, wollten Sie sicher sagen«, murmelte Graf Heinrich. »Hatten wir Burgbach nicht verpachtet?« Meerbach schüttelte den Kopf. »Seit dem vergangenen Jahr nicht mehr. Sie haben den Pachtvertrag mit den alten Pächtern nicht mehr verlängert …, weil …, na ja, weil wir mit dem nun eingetretenen Fall rechnen mussten. Damals ist Burgbach auch vollkommen renoviert worden!« »Dann werde ich wohl mit Nina nach Burgbach ziehen müssen«, murmelte Heinrich von Falckenstein. »Entschuldigen Sie, Graf«, sagte Rechtsanwalt Meerbach, »aber hat Ihr Sohn schon eine Ahnung davon, was …, was hier inzwischen passiert ist?« »Gero …?« Einen Moment sah es so aus, als würde Graf Falckenstein die Beherrschung verlieren, doch dann besann er sich. »Wie kann Gero davon etwas wissen, wenn ich mir erst in diesem Moment langsam selbst darüber klar werde, dass Falckenstein für uns wohl verloren ist.« »Sie sollten Ihren Sohn rasch von den neuen Verhältnissen verständigen, Graf«, antwortete Meerbach mit besorgter Miene, »immerhin hat Ihr Sohn ein Recht, von den veränderten Strukturen in seiner unmittelbaren Umgebung zu erfahren.« »Sie kennen Gero nicht«, murmelte Graf Heinrich, »der ist seit zwei Jahren nicht mehr zu Hause gewesen. Er jetsettet, wie man so schön sagt. Er lebt zwar von dem, was Falckenstein ihm vierteljährlich überweist, aber er kümmert sich nicht darum, wie es verdient wird. Auf Geros Hilfe …!« »Entschuldigen Sie, Graf, aber ich habe mich sicher nicht passend ausgedrückt«, sagte Meerbach, während er seinen Aktenkoffer nahm und sich erhob, »ich meinte, man müsse Ihren Sohn verständigen, weil er wissen sollte, dass dem ungehinderten Geldfluss ein Ende gesetzt wurde.« * Burgbach war ein Schlossgut, lag im östlichen Werdenfelser Land und war von Falckenstein etwa eine halbe Autostunde entfernt. Es war etwa zur gleichen Zeit wie Falckenstein erbaut worden, aber man hatte dem Gedanken Rechnung getragen, dass Burgbach ein land- und forstwirtschaftlicher Gutsbetrieb angegliedert war und nicht nur repräsentativen Zwecken zu dienen hatte. Als Nina von ihrem Vater mit der neuen Situation konfrontiert wurde, wirkte sie einen Moment erschrocken, lächelte dann aber ihren Vater an. »Wir siedeln um nach Burgbach?«, fragte sie. »Du weißt, wie gern ich immer dort gewesen bin, bevor es verpachtet wurde. In Burgbach wird es mir bestimmt gefallen!« Nina von Falckenstein glaubte, das Blut gefriere ihr in den Adern, als ihr Vater sie, als sie am Wochenende nach Hause kam, von den veränderten Umständen in Kenntnis setzte. Aber sie ließ sich nichts anmerken, schließlich wusste sie, wie sehr ihren Vater die veränderte Situation traf und demütigte. Nina war noch dreiundzwanzig Jahr alt, begeisterte Reiterin und hatte die schlanke Figur aller Falckensteins. Auch ihr schmales Gesicht war ein Erbe ihres Vaters, während sie ihr natürliches Lächeln und ihre unkomplizierte Art von ihrer Mutter mitbekommen hatte. Von der hatte sie auch ihre haselnussfarbenen Augen und dunkelbraunen Haare, die sie zum ersten Mal kurz trug, was ihr ausgesprochen gut stand. Nina hatte Pädagogik studiert und leistete gerade in einer Garmischer Schule für Lernbehinderte ein Praktikum ab. »Du willst mich schonen, Kind«, sagte ihr Vater, »aber ich bin in den letzten Wochen mit derart viel niederschmetternden Dingen konfrontiert worden, dass ich auch ertragen könnte, wenn du deinen Gefühlen freien Lauf ließest und in Tränen ausbrechen würdest.« »Ich freu mich nicht über die Geschichte«, antwortete Nina, »aber ich verzweifle auch nicht daran. Wenn man uns...