E-Book, Deutsch, Band 4, 168 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm
E-Book, Deutsch, Band 4, 168 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm
Reihe: Große Texte der Christenheit (GTCh)
ISBN: 978-3-374-05675-0
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
[Justification and New Being]
Justification and New Being are two main concepts in Paul Tillich’s theology. The concept of justification on the one side shows Tillich’s theology against the background of the Lutheran theological tradition – the new being on the other side includes the horizon of problems in modernity. This book presents with the early article 'Justification and Doubt' (1924) and the late essay 'The Importance of New Being for Christian Theology' (1955) two main works from Tillich with a close interpretation. Both texts make clear how Tillich works on a modern interpretation of the Christian faith and a modern theology.
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B
Erläuterungen
Zu »Rechtfertigung und Zweifel«
1. Zum Text Paul Tillichs Aufsatz Rechtfertigung und Zweifel wurde im Jahre 1924 in der Reihe Vorträge der theologischen Konferenz zu Gießen (39. Folge) im Verlag Alfred Töpelmann in Gießen publiziert. Ihm liegt ein Vortrag zugrunde, den er am 19. Juni 1924 auf der theologischen Konferenz in Gießen gehalten hatte. Neben dem Referat Tillichs enthält der Band den Vortrag des Gießener Neutestamentlers Karl Ludwig Schmidt zum Thema Die Stellung des Apostels Paulus im Urchristentum. Die Edition der Vorträge der Gießener Konferenz von 1924 bringt zunächst den Beitrag von Schmidt (3–17) und im Anschluss daran den von Tillich (19–32). Auf die Bedeutung des Gießener Vortrags für seinen intellektuellen Werdegang hat Tillich in seiner 1936 in den Vereinigten Staaten von Amerika publizierten Autobiographie On the Boundary ausdrücklich hingewiesen. In den nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland erschienenen Gesammelten Werken Paul Tillichs, die von Renate Albrecht herausgegeben wurden, ist der Gießener Vortrag in den Band acht aufgenommen, der den Titel Offenbarung und Glaube. Schriften zur Theologie II trägt und der 1970 im Evangelischen Verlagswerk in Stuttgart erschien (GW VIII, 85–100). Diese Edition weicht zum Teil von dem Erstdruck ab. Die Edition des Vortrags in dem Band sechs der Main Works, der von Gert Hummel verantwortet wurde und 1996 im Verlag Walter de Gruyter erschien (MW VI, 83– 97), gibt an, auf der Grundlage des Erstdrucks erstellt zu sein. Das ist aber auch hier nicht der Fall. Interpunktion und Schreibweisen wurden von dem Herausgeber eigenmächtig stillschweigend verändert. Einen textidentischen Abdruck der Fassung der Main Works bietet die Ausgabe Ausgewählte Texte aus dem Jahre 2008 (AT, 123–137). Der Edition von Rechtfertigung und Zweifel in diesem Band liegt der Erstdruck von 1924 zugrunde (vier textkritische Eingriffe wurden vorgenommen: ahierarchischea ED: hieranchische; bVorzeichenb ED: Vorzeigen; cwerdenc ED: wedren; dMöglichend ED: Mög). Im Nachlass Paul Tillichs, der in der Andover-Harvard Theological Library in Cambridge/Massachusetts aufbewahrt wird, sind zwei Vorarbeiten des Gießener Vortrags überliefert. Beide Texte liegen inzwischen publiziert in dem Band zehn der Ergänzungs- und Nachlaßbände zu den Gesammelten Werken Paul Tillichs vor (EW X, 433–453). 2. Zur Geschichte Das Thema von Paul Tillichs Vortrag Rechtfertigung und Zweifel ist das Problem einer Begründung der Theologie in der Moderne. Dafür stehen die beiden Titelstichwörter »Rechtfertigung« und »Zweifel«. Mit dem ersten knüpft er an die protestantische Lehrtradition an, mit dem zweiten wird der Bezug auf die gegenüber dem Protestantismus der Reformationszeit veränderte Lage der Religion in der Moderne hergestellt. Sowohl das Anliegen als auch die Fragestellung des Vortrags von 1924 sind im intellektuellen Werdegang Tillichs nicht neu. Fünf Jahre zuvor hatte er unter der gleichen Überschrift einen umfangreichen Text ausgearbeitet, der ebenfalls einer Grundlegung der Theologie galt (EW X, 128–230). Die Zusammenstellung der beiden Hauptbegriffe Rechtfertigung und Zweifel lässt sich jedoch bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs zurückverfolgen, wo das Thema in Briefen bereits anklingt. In einem Schreiben an Maria Klein vom 5. Dezember 1917 heißt es: Ich bin durch konsequentes Durchdenken des Rechtfertigungsgedankens schon lange zu der Paradoxie des »Glaubens ohne Gott« gekommen, dessen nähere Bestimmung und Entfaltung den Inhalt meines gegenwärtigen religionsphilosophischen Denkens bildet. (EW V, 121) Die paradoxen Formeln, mit denen der junge Tillich seiner Korrespondenzpartnerin den Inhalt seiner theologischen Arbeit erörtert, stellen Weiterentwicklungen seiner Theologie dar, deren Grundzüge er vor dem Ersten Weltkrieg ausgearbeitet hatte. Auch hier geht es um den Protestantismus und die Frage seiner theologischen Begründung vor dem Hintergrund der modernen Kultur. Der aus einem lutherischen Pfarrhaus stammende Tillich hatte von 1904 bis 1908 in Berlin, Tübingen, Halle und wieder in Berlin Theologie studiert. Seine akademische Ausbildung erhielt er vor allem in Tübingen und Halle durch Theologen, die der sogenannten modern-positiven Theologie zugehören, einer Richtung, die weniger an die lutherischen Bekenntnisschriften als an die biblischen Schriften anknüpfte. Deren wichtigste und für den jungen Tillich bestimmende Vertreter waren der in Tübingen lehrende Adolf Schlatter und der Hallenser Theologe Wilhelm Lütgert. Um 1900, als der junge Tillich mit dem Studium der Theologie begann, wurden die Folgen des gesellschaftlichen und kulturellen Modernisierungsprozesses zunehmend deutlicher. Die kulturellen Systeme differenzierten sich aus und standen gleichsam ohne eine sie integrierende Einheit nebeneinander. In den zeitgenössischen Debatten über die Rationalisierung der Gesellschaft sowie die Krise des Historismus wird nicht zufällig die Kultur zu einem zentralen Diskursfeld. Die kulturelle Ausdifferenzierung betraf auch die Theologie. Sie konkurrierte nun mit Religionswissenschaften, Soziologie und anderen akademischen Disziplinen, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als eigene Wissenschaften mit eigenen Methoden etabliert hatten, um die Deutungshoheit der (christlichen) Religion. Das erforderte einen Umbau der Theologie und ihrer Grundlegung als eigenständiger Wissenschaft. Mit den angedeuteten Problemen sah sich der junge Tillich schon während seines Studiums konfrontiert. Die Texte, die aus dieser Zeit erhalten sind, lassen erkennen, dass Grundlegungsfragen der Theologie im Fokus seines Interesses standen. Ihre Bearbeitung erfolgte in einer Weise, die signifikant auch für die modern-positive Theologie ist: ein produktiver Anschluss an die Philosophie des Deutschen Idealismus. In Halle, wo Tillich von 1905 bis 1907 vier Semester studierte, war es der Privatdozent der Philosophie Fritz Medicus, der ihn mit dem Denken Johann Gottlieb Fichtes vertraut machte. Fichte ist denn auch zunächst der philosophische Gewährsmann für eine Neubegründung einer modernegemäßen protestantischen Theologie. Diese zielt, und das ist ebenso charakteristisch für die modern-positive Theologie, auf ein universales Offenbarungsverständnis. Das bedeutet, die Rechtfertigungslehre als Prinzip des Protestantismus wird von ihrer Bindung an das Heil in Christus gelöst und erweitert. Gott, das ist die Intention, soll nicht nur in seiner Offenbarung in Jesus Christus zu erfahren sein, sondern gleichsam in der Schöpfung und der Kultur. Es ist dieses Interesse, der Vortrag von 1924 wird es wieder aufnehmen, an dem sich der junge Tillich zunächst im Anschluss an Fichte und ab 1909 an Schelling abarbeitet, um eine eigenständige Antwort auf die »Krisis des Historismus« (Ernst Troeltsch) zu geben. Sie besteht in einer neuen, geschichtsphilosophischen Begründung der Absolutheit des Christentums, die nicht mehr anhand von inhaltlichen Merkmalen der christlichen Religion, sondern auf eine reflexive Weise konstruiert wird. Mit dem Christentum tritt das Wissen um die Wandelbarkeit aller Wahrheiten und Normen in die Geschichte ein. Deshalb ist es die absolute Religion. Die Grundlagen seiner frühen Theologie hat Tillich im Rückgriff auf die Philosophie des späten Schelling ausgearbeitet, zunächst in seinen beiden Dissertationen, die er der spekulativen Religionsphilosophie des Leonberger Philosophen widmete, und sodann in einem eigenen Entwurf einer Systematischen Theologie, der im Jahre 1913 entstand. An der Grundstruktur des Religionsbegriffs, wie sie in den Texten aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg vorliegt, wird Tillich, aller Modifikationen ungeachtet, die er an deren prinzipientheoretischer Fundierung vornehmen wird, zeitlebens festhalten. Zwei Aspekte sind für die frühe Konstruktion wichtig: Zum einen behauptet Tillich mit Schelling den Gottesgedanken als Grundlage des Religionsbegriffs. Damit verbindet sich schon hier eine Ablehnung von vermögenstheoretischen Religionsbegriffen, die Religion auf eine Anlage oder ein Apriori im menschlichen Bewusstsein zurückführen. Bezugspunkt der Religion ist das Bewusstsein als solches. Tillichs universales Verständnis der Offenbarung knüpft hier an. Zum anderen unterscheidet er zwischen einem religiösen Prinzip und der Religion als geschichtlicher Wirklichkeit. Während ersteres die Grundlagenfunktion des Gottesgedankens bzw. des Absoluten für das Selbstverhältnis des Bewusstseins benennt, bezeichnet zweites die Realisierung des Grundlagenverhältnisses in der Geschichte als Religion. Das ist nur in und mit den theoretischen und praktischen Bewusstseinsvermögen möglich. Was bedeutet das für das Verständnis der Religion? Tillich gibt keine inhaltliche Bestimmung der Religion, sondern versteht sie als eine Weise von Reflexivität im Selbstverhältnis. Religion ist das Innewerden des Absoluten, das dem Bewusstsein zugrunde liegt. Das Kulturbewusstsein in seinen theoretischen, praktischen und emotionalen Akten wird zur Darstellung der Grundlagenfunktion des Absoluten im Bewusstsein. Dadurch erhalten die Kulturformen eine Brechung, die sie als religiöse kenntlich werden lässt. Schon die frühe Religionstheorie Tillichs zielt auf eine Erweiterung der überlieferten soteriologischen Religionsdeutung. Religion, so seine These, kann sich in allen Kulturformen verwirklichen. Eine besondere religiöse Sphäre in der Kultur gibt es somit nicht, da die Religion selbst auf keiner eigenen...