E-Book, Deutsch, 340 Seiten
Tiedtke Zerreißproben
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7504-5498-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
und Gratwanderungen
E-Book, Deutsch, 340 Seiten
ISBN: 978-3-7504-5498-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Viele Jahrhunderte, einzelne Jahreszahlen Hat sich im Verlauf der Geschichte so viel geändert? Zeiten, Namen und Begriffe aus den Kurzgeschichten geben manchmal Auskunft: Um 375 v. Christus - Alexander der Große (in Babylon): Freundschaft, Krieg, Tote, Maßlosigkeit, Liebe, Verhöhnung. Um 1595 - Caravaggio (in Rom): Malergenie, Liebe, Haltlosigkeit, Vetternwirtschaft, Korruption, Flucht, Mord. Um 1770 - J.J. Winckelmann (in Rom): Genialität, Liebe, Verblendung, Korruption, Verfolgung, Mord. Um 1780 - Johann Wolfgang von Goethe (in Rom): Genialität, Freundschaft (Maler+ Dichter), Forschung. Um 1807: Königin Luise ( Berlin/ Königsberg): Schönheit, Krieg, Flucht, Frieden (mit Napoleon). Um 1938/39+ 1944/45 - Das III. Reich: Liebe, Flucht, Judenverfolgung, Mord, Krieg, Vernichtung, Frieden. XXI Jahrhundert 2004-2019 (Berlin/Hamburg): Liebe, Mord, Freundschaft, Minderheiten, Diskriminierung, Intoleranz, Korruption, Krieg, Flucht, Integration. Der unerhörte Spannungsbogen offenbart Eigenschaften der Menschen, ihre Handlungsstränge und deren Ziele. Liebe, Sehnsucht, Glück und Zerwürfnis bleiben immer Schwerpunkte. Mögen Sie Kurzgeschichten? In diesem Buch sind circa dreißig von ihnen vereint. Kurzgeschichten gehören einer besonderen literarischen Kategorie an. Ihre Kürze verleiht ihnen Übersicht. Meist sind die Inhalte komprimiert, viele aufregende, auch überraschende Ereignisse werden auf wenigen Seiten geschildert. Das Ende bleibt oft offen. Menschen bewegen sich oft auf schmalen Pfaden, ihr Tun wird zur Grat-wanderung. Ihr Schicksal steht oft am Scheideweg, dieser kann zur Zerreißprobe werden. Das Buch umfasst genau solche Erzählungen. Alle Kurzgeschichten enthalten viel Reales. Die Vorkommnisse sind tatsächlich passiert. Entweder hat sie der Autor erlebt oder sie sind von anderen Personen übernommen. Manche Erzählungen stellen Legenden dar. In ihnen gibt es immer Fixpunkte, die unangreifbar sind. Sie werden durch Legenden ergänzt, das können durchaus Träume sein. Wir alle werden oft von ihnen befal-len. Und weil niemand Gedanken und Träume anderer Leute sehen und hören kann, hilft dem Autor nur schöpferisches Gestalten.
Keine Angst, ich schreibe nicht zuviel. Man liest so etwas nicht gern. Was soll man schon mit den Daten anfangen? Seit meinem Ruhestand schreibe ich Romane, Kurzgeschichten, Erzählungen, Fabeln, Legenden und Märchen. Zwei E-Books finden Sie gleich hier bei mir. Ein weiteres Buch, ein Kinderbuch - Anna, bleib cool - ist im B&Z Verlag Leddin erschienen. Viele Kurzgeschichten sind in den Anthologien vom Novum Verlag und im Konkursbuchverlag veröffentlicht. Sie sehen, auch ältere Menschen können produktiv sein. Aber glauben Sie mir, um sich fit zu erhalten, muss man viel tun. Lernen, Sport betreiben, aktiv sein! Manchmal ist das zum Kotzen. Dennoch bleiben Falten nicht aus. Übrigens habe ich von einer Schönheitsoperation abgesehen. Ich war Pauker, das heißt Lehrer im Wirtschaftsgymnasium. Während dieser Zeit sind viel Schulbücher entstanden. Manche spannend, sicher einige auch langweilig, was an der Materie liegt. Da sind die Verlage Dr. Gabler, Dr. Gehlen, Ferdinand Schöningh, Europa-Lehrmittel, Winklers. 25 Jahre habe ich unterrichtet. Dann wurde ich Leiter des berufsbildenden Sektors des Staatlichen Studienseminars in Hamburg, kurz gesagt, ich war in der Lehrerausbildung. Vier Jahre wurde ich geschäftsführender Direktor des Instituts. Man muss wissen, hier, wie überall, wird auch nur mit Wasser gekocht. In diesem Sinn .... viel Spass beim Durchstöbern meiner Werke und ich würde mich freuen, wenn Ihnen eines meiner Bücher zusagt.
Autoren/Hrsg.
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Unschuldig…schuldig…unschuldig… 16. November 2015. Zwanzig Uhr. Der Mann schließt leise die Tür zum Treppenhaus. Die Wohnung liegt im dritten Stock: Schillerstraße 6. Toppadresse. Das Gebäude strahlt mit seiner renovierten Gründerzeitfassade ungewohnte Atmosphäre ab. Er bleibt einen Augenblick im Treppenhaus stehen, horcht an der Wohnungstür. Verdächtige Geräusche? Fehlanzeige. Die Schlaftablette hatte gewirkt. Gottseidank. Thies Augen gleiten den runden, hölzernen Handlauf nach unten entlang. Die Stille überzeugt ihn. Kein Mensch wird ihn beobachten. Dennoch, man weiß nie… Dicht an die Wand gepresst nimmt er leise Stufe für Stufe. Niemand im Haus ahnt, was er nachts treibt. Im Grunde genommen ist es lächerlich, das zu verschweigen: Er besucht seine Geliebte, eine Frau, von der man woanders spricht: Gebildete Punkerin, rosa Haare, ausrasierter Nacken, verschwitztes Hemd, meistens jedenfalls. Stockkonservative Hausbewohner hatten Thies einmal mit ihr in einem Restaurant gesehen. Man schüttelte über den Rechtsanwalt empört den Kopf. Wie konnte er nur… Aber dann erkannte man, ein Rechtsvertreter muss sich oft mit den ausgefallensten Klienten herumschlagen. Gespräche in privatem Umfeld seien für Geständnisse nötig. Man beruhigte sich. Ein solches Weibsbild würde auch bloß Unfrieden stiften… Außerdem gilt: Nur, wenn Thies allein bleibt, kann er seine kranke Frau beschützen und versorgen. Das würde ihr Leben verlängern. Eindeutig. Wer seit Jahren mit Diabetes geschlagen ist wie sie, braucht Mitgefühl und Verständnis. Ihre körperliche Sehnsucht nach ihm war seit zwei Jahren erloschen. Diabetes und ihre sich langsam schließenden Bypässe, die vielen Tabletten, - Betablocker, Blutverdünner, Antagonisten – haben den Köper lustlos werden lassen. Anfänglich war Thies irritiert. Sein Arzt, Dr. Wölber, klärte ihn in einem Gespräch von Mann zu Mann auf. „Im Laufe von Diabetes-Jahren tritt eine Art Gefühlsveränderung auf. Begehren schaltet auf null. Männer mit Zuckerkrankheit müssen sogar lernen, ohne Erektionen auszukommen.“ „Gott verschone mich davor!“ gab Thies kopfschüttelnd von sich. Man kann sich seine Krankheiten nicht aussuchen, mahnte sein Doktor. Für Thies ist Magdalenas Leben das Gegenteil von seinem eigenen Dasein. Allein das gewagte Äußere. Was für ein Unterschied zu ihm. Er geschäftlich, hanseatisch, konservativ, sie ein Harlekin. Er liebt Sex wie eh und je, und wenn man so gesund ist wie er… Sollte man, konnte man darauf verzichten? Hatte ihm seine Frau nicht schon viele Monate lang einen Korb gegeben? Magdalena und er trafen sich rein zufällig bei Douglas. Ein Glücksfall für Thies. Er fing sofort Feuer, sie reagierte auf ihn verhaltener. Dreißig Jahre auseinander, wird das gut gehen? Sie ein Temperamentsbündel von zwanzig Jahren, er ein frustrierter Ehemann. Es ging sofort gut. Ihre gegenseitige Zuneigung ist nach einigen Wochen immer noch nicht erloschen. Sie genießen beide den Sex in vollen Zügen, und das mit vielen himmlischen Varianten, wie er findet. Magdalena hat sein verlorengegangenes Lebensgefühl mit Fantasie und Wucht schon nach mehreren Rangeleien wieder aus seiner Versenkung geholt, ihm sein Selbstwertgefühl zurückgegeben. Wie glücklich Thies darüber ist, kann er keinem anvertrauen, aber in seiner Kanzlei spricht man über seine erfrischende Haltung und sein wieder belebtes Lächeln hinter vorgehaltener Hand. Er hört sein Herz pochen, als er unten im Foyer anlangt. Was würde Juliette sagen, erführe sie von seinem Vergnügen? Ein Blick in den Spiegel könnte ihm eine Antwort geben. Erschreckte Augen, tiefe Augenränder, schwarz-blau, zwei Querfalten auf der Stirn… Warum? Als ob er etwas ausgefressen hätte und dabei ertappt worden ist, wie Kinder, die vor Weihnachten selbstgebackene Kekse der Mutter gestohlen hatten. Einfach unsinnig. Weg damit. Keine Vorwürfe. Natürlich nicht! Ein lebender Körper braucht Sex, oft sogar regelmäßig bis ins hohe Alter, sagt man. Thies beruhigt sich mit dieser Erkenntnis. Um achtzehn Uhr – nach seiner Arbeit - ist er in der Wohnung, als Juliette gerade von ihm träumte, wie sie sagt. Was für ein liebevoller, zärtlicher, behutsamer Ehemann! Erfreut wacht sie auf und blickt ihn dankbar an. Sie bewundert jeden Tag von neuem Thies Gelassenheit, seine ruhige Hand. Kein Mensch faltet den Bauch so schonend wie er, setzt die Nadel auf den Kamm der Falte so sanft, dass sie den Einstich gar nicht spürt. Dabei wechselt er regelmäßig die Seiten, um Blutergüsse zu vermeiden. Inzwischen belächelt sie seine Sorgsamkeit. Eigentlich tut er zu viel des Guten. Da wird die Außenhülle der Spritze mit einem feuchten Brillentuch gesäubert, bevor er das Insulin injiziert, die Nadel jedes Mal erneuert und die Haut ringsum von Keimen befreit. Desinfektionsmittel gehören bei ihnen in die Hausapotheke. Juliette kann sogar die einzelnen Detailbewegungen seiner Hände beschreiben. Mehr noch, nachzeichnen. Sie sieht wie Daumen, Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand die Spritze halten, sie in den kleinen Fetthügel drücken, der durch die Finger der linken Hand aufgewölbt ist. Dann der Druck des rechten Daumens auf den Dreh-Mechanismus oberhalb des Schafts. Was für ein Geschenk, dass man dem geliebten Menschen blindlings vertrauen kann, wenn er ihr die Insulinspritze gibt, die Insulinmenge hat sie nach Berechnung der Broteinheiten zum Abendessen - nach der Messung mit einem Piek in die Fingerkuppe - selbst bestimmt. Wie immer. Komischerweise empfindet sie hierbei nie Schmerzen. Ausgemacht war vor Jahren, dass er ihr jeden Tag um achtzehn Uhr die Spritze vor dem Abendbrot verabreichen sollte, um 23 Uhr das Depotinsulin von Lantus, das allerdings in den Oberschenkel gespritzt wird. Gleich, als der Arzt sie von Tabletten auf Insulin umstellte, hatte sie die Bitte geäußert, sie wolle sich nicht selbst wehtun. Selbstverständlich, meinte Thies damals. „Und tagsüber“, sagte sie, „ gibt’s Hilfe.“ Der Gedanke an ihn lässt sie lächeln. Insulin machte ihr anfänglich nichts aus. Sie krochen beinahe täglich ins Bett. Juliette war begehrenswert und gleichzeitig einfallsreich. Sie hat ihn glücklich gemacht. Und er hat sie immer wissen lassen, dass es umgekehrt ebenso sei. Jedes Mal seufzte sie hinterher, dass sie ohne ihn nie leben könne und wolle, so wunderbar sei das Zusammensein. Das stimmte. Seit zwei Jahren hatte sich dieser Zustand geändert. Das Insulin wirkte leider nicht nur auf die Bauchspeicheldrüse. Es hatte den gesamten Körper in Mitleidenschaft gezogen. Bevor er in seinen Wagen steigt, lässt er noch einmal die beiden Stunden mit Juliette Revue passieren, weil heute irgendetwas anders ist, als es sonst war. Hat sie heute nicht gezuckt, als die Nadel in ihre Haut drang? Hat sie ihn nicht mit Blicken angefleht? Ist ihre hübsche Kleidung vielleicht ein besonderes Zeichen gewesen, das er nicht verstanden hat? Ist ihre Aufmachung – wie sie selbst äußerte – nur dazu da, sich selbst zu gefallen? Warum war sie ausgerechnet heute beim Frisör? Was wolle sie ihm mit all dem sagen? War er auf ihre sprachlosen Wünsche nur nicht eingegangen, weil Magdalena in seinem Kopf herumgeisterte? Sollte er nicht doch noch einmal nach dem Rechten schauen? Blödsinn! Er habe sich nichts vorzuwerfen, meinte er in Gedanken. Im Übrigen hätte seine Frau bisher immer geäußert, was sie dachte. Kaum draußen, ruft er seine Geliebte an, sagt ihr, sie solle alles vorbereiten. Bei diesen Gedanken huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Wow, war das ein Gerangel! Jetzt ab nach Hause. Das Schlafmittel wird noch wirken. Sie nimmt es täglich ein. Fast um Mitternacht kommt er in der Schillerstraße an. Ein Parkplatz direkt vorm Haus, ein Riesenglück! Merkwürdigerweise ist ihm mulmig zu Mute, obwohl das Vergnügen mit Magdalena mehr als aufregend war. Er läuft die Treppe hoch, nimmt jeweils zwei Stufen. Hatte er es wirklich so eilig? Eigentlich nicht, denn er ist pünktlich zurückgekommen. Thies schließt hastig die Tür auf. Nanu, das Flurlicht ausgeschaltet? Hatte er es vorhin nicht angelassen, damit sie sich gleich zurecht findet, sollte sie früher aufwachen? Seine ersten Schritte führen ihn in ihr Schlafzimmer. Wie sie ruhig daliegt. Wie schön! Wunderbare Tabletten, geht’s ihm durch den Kopf. Noch ein letzter Blick. Oje, atmet sie denn nicht? Er tritt ans Bett heran. Vorsichtig streicht er mit seinen Fingerkuppen über ihre Wangen. Sein Schrei hallt durch die Räume. Mein Gott… Wo ist ihre sonstige Wärme? Er legt sein Ohr auf die Brust. Nichts zu...