Thomas Gelbe Schatten
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-89581-293-4
Verlag: Alexander
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der 2. McCorkle-und-Padillo-Fall
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Reihe: Ross-Thomas-Edition
ISBN: 978-3-89581-293-4
Verlag: Alexander
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nachdem seine Bar in Bonn in die Luft gesprengt wurde, ist McCorkle mit seiner Frau Fredl in die USA zurückgekehrt und hat ?Mac's Place? in Washington neu eröffnet. Als sein Geschäftspartner Mike Padillo mit einem Messerstich von einem Schiff taumelt, löst sich der Traum von einem ruhigen Leben in Luft auf: Fredl wird von Entsandten eines südafrikanischen Landes entführt, die verlangen, daß Padillo ihren Premierminister ermordet und so die Bemühungen um Unabhängigkeit stärkt und die Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen verhindert. Mit Hilfe von zwielichtigen Doppelagenten und Washingtons Unterwelt unternehmen McCorkle und Padillo eine waghalsige Rettungsaktion, deren Gelingen nicht nur über Fredls Leben entscheidet ...
Ross Thomas (1926-1995) war ein amerikanischer Autor und Journalist. In den fünfziger Jahren richtete er das AFN-Büro in Bonn ein und arbeitete als Journalist, Gewerkschaftssprecher und PR- und Wahlkampfberater für Politiker in den USA. Seine Erfahrungen verarbeitete er in seinen Politthrillern, in denen er v. a. die Hintergründe des (amerikanischen) Politikbetriebs bloßstellt. Ihm wurde zweimal der Edgar Allan Poe Award und mehrmals der Deutsche Krimi Preis verliehen.
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1 Der Anruf kam, während ich den gescheiterten Kongreßabgeordneten zu überreden versuchte, seine Rechnung zu begleichen, bevor er seine American-Express-Karte verbrannte. Die Rechnung betrug achtzehn Dollar fünfunddreißig, und der Abgeordnete war betrunken und hatte seine Karten von Carte Blanche, Standard Oil und Diners Club bereits abgefackelt. Er hatte eine Menge Streichhölzer verbraucht, während er an der Bar saß, Scotch trank und die Karten in einem Aschenbecher verbrannte. »Zwei Stimmen pro Bezirk«, sagte er zum zwölften Mal. »Nur zwei lausige Stimmen pro Bezirk.« »Wenn man Sie zum Botschafter macht, brauchen Sie allen Kredit, den Sie kriegen können«, sagte ich, als Karl mir den Telefonhörer reichte. Der Abgeordnete dachte einen Moment darüber nach, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Er sagte wieder etwas von zwei Stimmen pro Bezirk und setzte die American-Express-Karte in Brand. Ich sagte hallo ins Telefon. »McCorkle?« Es war die Stimme eines Mannes. »Ja?« »Hier Hardman.« Es war eine weiche Baßstimme mit einer Menge Arme-Leute-Sauce und Grütze darin. Wie er Hardman aussprach, bestand der Name aus zwei getrennten Wörtern, einem Adjektiv und einem Substantiv, und beide hatten gleiches Gewicht. »Was kann ich für Sie tun?« »Reservieren Sie mir für morgen einen Tisch zum Lunch? So um viertel nach eins?« »Sie brauchen keine Reservierung.« »Wollte nur mal von mir hören lassen.« »Die Pferde hab ich aufgegeben«, sagte ich. »Ich hab seit zwei Tagen keine Wette abgeschlossen.« »So was hat man mir berichtet. Mann, versuchen Sie als Gewinner auszusteigen?« »Ich versuche nur auszusteigen. Was haben Sie auf dem Herzen?« »Also, ich hab drüben in Baltimore was laufen.« Er machte eine Pause. Ich wartete. Ich war auf langes Warten gefaßt. Hardman kam aus Alabama oder Mississippi oder Georgia oder einem dieser Staaten, wo sie alle ähnlich reden und ein langes Wochenende brauchen, um zur Sache zu kommen. »Sie haben in Baltimore was laufen, und Sie wollen morgen viertel nach eins einen Tisch reserviert haben, und Sie wollen wissen, warum ich seit zwei Tagen nicht mehr bei Ihnen gewettet habe. Sonst noch was?« »Tja, wir sollten in Baltimore was von ’nem Schiff abholen, und dabei hat’s ein bißchen Ärger gegeben, und dieser Weiße ist verletzt worden. Deshalb hat Mush – Sie kennen Mush?« Ich sagte ihm, daß ich Mush kannte. »Also, Mush wäre fast von so ’n paar Motherfuckern in die Mangel genommen worden, als sich dieser weiße Knabe einschaltet und Mush hilft – Sie verstehen?« »Vollkommen.« »Wie bitte?« »Weiter.« »Also, einer von den Typen hat ein Messer und ritzt den weißen Knaben ein bißchen, aber erst, als er eingegriffen und Mush geholfen hat – Sie verstehen?« »Warum rufen Sie mich an?« »Also, Mush hat den weißen Knaben mit nach Washington gebracht, weil er sich den Kopf gestoßen hat und blutet und weg ist und überhaupt.« »Und Sie brauchen heute nacht noch Blut?« Hardman kicherte, was übers Telefon wie Rumpeln klang. »Scheiße, Baby, Sie sind mir einer!« »Wieso ich?« »Also, der Knabe hatte nix bei sich. Kein Geld –« »Das hat Mush überprüft, würde ich sagen.« »Kein Gold, kein Ausweis, keine Brieftasche, nix. Bloß ein altes Stück Papier mit Ihrer Adresse drauf.« »Hat er eine Beschreibung, oder sehen alle Weißen gleich aus?« »Um die eins achtzig, vielleicht knapp drüber«, sagte Hard-man. »Vielleicht. Kurzes Haar, bißchen Grau drin. Dunkel für ’n Weißbrot. Ist wohl ziemlich viel in der Sonne gewesen. Ungefähr Ihr Alter, bloß dünner, aber, Teufel, wer ist das nicht?« Ich versuchte, meiner Stimme nichts anmerken zu lassen; keine Betonung, kein Interesse. »Wo habt ihr ihn?« »Wo ich jetzt bin, ’ne Bude an der Fairmont.« Er nannte mir die Adresse. »Meinen Sie, Sie kennen den? Er ist weggetreten.« »Kann sein«, sagte ich. »Ich komm vorbei. Habt ihr einen Arzt geholt?« »War da und ist wieder weg.« »Ich komme, sobald ich ein Taxi bekommen kann.« »Sie vergessen die Reservierung nicht?« »Ist schon notiert.« Ich hängte ein. Karl, der Barmann, den ich aus Deutschland importiert hatte, war in ein Gespräch mit dem Abgeordneten vertieft. Ich winkte ihn ans andere Ende der Bar. »Kümmern Sie sich um den Ehrenwerten«, sagte ich. »Bestellen Sie ihm ein Taxi – bei der Gesellschaft, die auf Betrunkene spezialisiert ist. Wenn er kein Geld hat, soll er die Rechnung abzeichnen, und wir schicken sie ihm dann.« »Er hat morgen um neun im Rayburn Building eine Ausschußsitzung«, sagte Karl. »Es geht um Aufforstung. Riesenmammutbäume. Ich hatte sowieso vor, mir das anzuhören, also hole ich ihn morgen früh ab, damit er auf jeden Fall hinkommt.« Manche Leute lungern in Polizeirevieren rum. Karl lungerte im Kongreß herum. Er war noch kein Jahr in den Staaten, aber er konnte die Namen der hundert Senatoren und der vierhundertfünfunddreißig Abgeordneten des Repräsentantenhauses in alphabetischer Reihenfolge aufsagen. Er wußte, wie sie bei jeder Abstimmung ihr Votum abgegeben hatten. Er wußte, wo und wann Ausschüsse tagten und ob ihre Sitzungen öffentlich oder geheim waren. Er konnte einem den Status jeder wichtigen Gesetzesvorlage sowohl im Senat wie im Abgeordnetenhaus nennen und mit neunzig bis fünfundneunzig Prozent Sicherheit voraussagen, welche Chancen sie hatten, angenommen zu werden. Er las gewissenhaft die Protokolle des Kongresses und kicherte dabei. Er hatte früher für mich in einem Lokal gearbeitet, das mir in Bonn gehört hatte, aber der Bundestag hatte ihn nie amüsiert. Den Kongreß fand er zum Totlachen. »Nur, daß er nach Hause kommt«, sagte ich, »obwohl er so aussieht, als ob er noch vorm Schließen umkippt.« Der Abgeordnete hing ein bißchen über seinem Glas. Karl warf ihm einen abschätzenden Blick zu. »Zwei kann er noch vertragen, und dann gebe ich ihm Kaffee. Er wird es schon schaffen.« Ich sagte Karl, er solle abschließen, nickte einer Handvoll Stammgästen und ein paar Kellnern zu, ging nach Osten zur Connecticut Avenue und dann nach rechts zum Mayflower Hotel. Am Stand vor dem Hotel wartete ein Taxi. Ich stieg hinten ein und nannte dem Fahrer die Adresse. Er drehte sich um und sah mich an. »Nach Mitternacht fahre ich da nie hin«, sagte er. »Sagen Sie das nicht mir. Sagen Sie das der Zulassungsstelle für Taxifahrer.« »Mein Leben ist mehr wert als achtzig Cents.« »Von mir bekommen Sie einen runden Dollar.« Auf dem Weg zur Fairmont Street mußte ich mir einen Vortrag darüber anhören, warum George Wallace Präsident sein sollte. Es war ein ziemlich neues Apartmenthaus, flankiert von vierzig bis fünfzig Jahre alten Reihenhäusern. Ich bezahlte den Fahrer und sagte ihm, er brauche nicht zu warten. Er schnaubte, verriegelte schnell alle Türen und raste davon. Im Haus fand ich die Tür mit der Apartmentnummer und läutete. Drinnen konnte ich die Klingel hören. Hardman öffnete. »Treten Sie ein in dieses Haus«, sagte er. Ich trat ein. Von irgendwoher rief eine Frauenstimme: »Sag ihm, er soll die Schuhe ausziehen, hörst du?« Ich blickte zu Boden. Ich stand auf einem tiefen Wollteppich von reinstem Weiß. »Sie will nicht, daß ihr weißer Teppich versaut wird«, sagte Hardman und zeigte auf seine unbeschuhten Füße. Ich kniete nieder und zog mir die Schuhe aus. Als ich aufstand, reichte Hardman mir einen Drink. »Scotch mit Wasser, okay?« »Prima.« Ich sah mich im Wohnraum um. Er war L-förmig, hatte eine orangefarbene Couch und Sessel in Teak und Leder, einen Eßtisch, ebenfalls Teak, und eine Menge knallbunter Kissen, die sorgfältig hier und da verteilt waren, um es lässig aussehen zu lassen. An den Wänden hingen ein paar schrille Drucke. Jemand hatte sich eine Menge Gedanken über den Raum gemacht, und insgesamt wirkte er ganz gelungen und gerade noch nicht protzig. Ein großes braunes Mädchen in roten Hosen kam mit wiegendem Gang ins Zimmer und klopfte ein Fieberthermometer herunter. »Kennen Sie Betty?« fragte Hardman. Ich sagte nein. »Hallo, Betty.« »Sie sind McCorkle.« Ich nickte. »Der Mann ist krank«, sagte sie, »zwecklos, jetzt mit ihm reden zu wollen. Der ist mindestens noch ’ne Stunde bewußtlos, sagt Dr. Lambert. Der sagt auch, daß er transportiert werden kann, wenn er wach wird. Wenn das also ein Freund von Ihnen ist, schaffen Sie ihn bitte fort, wenn er aufwacht? Er liegt in meinem Bett, und ich hab nicht vor, auf ’ner Couch zu schlafen. Das wird Hard machen.« »Aber, Honey –« »Nenn mich...