E-Book, Deutsch, Band 109, 64 Seiten
Reihe: Mythor
E-Book, Deutsch, Band 109, 64 Seiten
Reihe: Mythor
ISBN: 978-3-8453-9861-7
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
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1.
Es erhob sich der Herr der Finsternis und sprach: »Gekommen ist die Zeit, da sich unsere Macht entfalten wird. Fanale werden lodern, denn die Zeit der Taten ist gekommen, Taten, die den Boden der Welt werden erbeben lassen.« Die Runde derer, denen er gebot, verharrte schweigend. »Es liegen viele Schlachten hinter uns, gewaltige Auseinandersetzungen mit unseren Feinden. Nun haben wir uns gestärkt, wir sind bereit. Neue Kämpfe stehen uns bevor.« In den Runden der Zuhörer war ein Murmeln zu hören. »An vielen Orten liegen wir im Streit mit den Mächten des Lichtes, es wird der Schlachtfelder viele geben – aber wir sind gerüstet. Der Sieg wird unausweichlich unser sein.« »Gorgan?« Mehr als dieses eine Wort wagte der Frager nicht zu äußern. »Gorgan ist unbedeutend, ein Schlachtfeld von vielen. Überall und allenthalben wird gekämpft, rücken unsere Streiter vor und erringen Sieg auf Sieg. Gorgan ist nebensächlich – bisher. Aber es ist denkbar, dass dort dereinst die große, alles entscheidende Schlacht geschlagen werden wird. Und wir werden siegen, daran ist kein Zweifel statthaft.« Der Herr der Finsternis schwieg. Es geschah nicht sehr oft, dass er seine Untergebenen in die gewaltigen Pläne einweihte, die er ersonnen hatte, um den Mächten des Dunkels den immerwährenden Sieg über die Lichtstreiter zu verschaffen. »Ich habe große Pläne«, setzte er seine Erklärung fort. »Auch mit den kleinen, unwichtigen Sterblichen von Gorgan.« »Mythor?« Der Herr der Finsternis stieß ein Lachen aus, das dumpf in den Gemütern seiner Untergebenen hallte. »Fürwahr, ein Günstling des Geschicks«, sagte er. »Viel hat er erreicht in der kurzen Spanne seines Lebens. Viel mehr wird er nicht erreichen – nicht wider unseren Willen.« »Er wird sterben?« »Noch nicht«, sagte Darkon. »Nicht in diesem Augenblick. Auch mit ihm habe ich Pläne, denen er nichts entgegenzusetzen hat.« »Er soll weitermachen dürfen?« An der Reaktion der anderen war ersichtlich, dass die Meinung des Herrn der Finsternis nicht von jedermann geteilt wurde. Darkon wusste, dass die Dämonen den Sohn des Kometen fürchteten – er war ein gefährlicher Gegner. Niemand wusste das besser als Darkon selbst – er konnte es ersehen an der Zahl der Gedanken, die er auf diesen Sterblichen verwandte, an der Geschicklichkeit, die er aufbringen musste, um den Mann von Gorgan in ein unentwirrbares, unauflösliches Netz einzuspannen, in dem er sich fangen sollte. »Auch sein Schicksal wird sich erfüllen«, verhieß der Herr der Finsternis. »Er wird sein Ziel erreichen – jedenfalls wird er das glauben. Er wird sterben – oder uns auf immer verfallen, wenn er sich bewährt. Ich werde ihn zerbrechen.« Das Grollen in der Stimme des Herrn der Finsternis verriet denen, die ihm lauschten, was Darkon sich darunter vorstellte – ein Schicksal, das Uneingeweihte schaudern lassen musste. »Und seine Gefährten?« »Sie werden ihn begleiten. Aber sie werden das Ende des Weges niemals erreichen. Nacheinander werden sie auf dem Pfad in die Tiefe uns zufallen wie reife Früchte.« Darkon stieß einen Laut der Zuversicht aus. »Ihr Schicksal ist besiegelt.« * Fahle Nebel tanzten über kargem Land. Ein käsiger Mond, von Wolkenfetzen zerrissen, erleuchtete das Bild. Mythor schauderte. Kalt und frostig war es um ihn herum. Kein Laut war zu hören, auch nicht das Streichen des Windes, das an seinen Kleidern zerrte und ihn frösteln machte. Er konnte nur das Hämmern und Jagen des eigenen Herzens wahrnehmen, das leise Aufkeimen von Furcht. Wo befand er sich? Er wusste es nicht. Die Geschichte begann in diesem Augenblick, sie hatte keinen Anfang. Er war hier, an diesem Ort der Düsternis, und er wusste nicht, was er hier sollte. Die Hand hielt das Heft des Schwertes umklammert. In heftigen Stößen zerrte der Wind, wirbelte die Haare, ließ die Nackenhaare sich aufstellen. Mythor sah sich um. Das Auge fand keinen Halt. Nur karges Gestein, so weit der Blick reichte, übertanzt von weißen Schwaden, die sich drehten und krümmten, vom Mond zu gespenstischen Bildern beleuchtet. »Hallo!« Der Klang der eigenen Stimme schreckte ihn. Von irgendwoher kam der Laut zurückgeflogen, seltsam verändert, hohl und unheilverkündend. Mythor bewegte sich. Er setzte einen Fuß vor den anderen, sorgfältig nach Spalten im Boden Ausschau haltend, sich immer wieder vergewissernd, dass er allein war in diesem Land ohne Leben. Das Totenreich? Kaum wahrscheinlich, denn er lebte. Er konnte sein Herz schlagen spüren, und als er nach seinem Gesicht griff, spürte er warme Haut unter den Fingerspitzen. »Bei allen Geistern der Finsternis, was hat das zu bedeuten?«, fragte er halblaut. Meckernd schallte das Echo zurück. Mythor schritt weiter. Er konnte die kleinen Steine unter seinen Füßen spüren, aber als er sie von sich stieß, gab es keinen Laut. Und hinter ihm war auch kein Schatten zu sehen, als einmal das Licht des Mondes voll auf ihn fiel. Ein Traum, stellte Mythor fest. Es war ein beängstigender Traum, und er erfüllte den einsamen Mann mit Schrecken. Bang fragte er sich, ob er jemals wieder erwachen würde. Vorwärts. Mythor schritt weiter aus. Wenn es etwas für ihn in dieser Welt gab, dann würde er es finden. Irgendwann einmal musste diese grässliche Einöde aufhören. Aus den Nebelschwaden stieg eine Felswand empor, zerklüftet und steil. Und dann nahm Mythor dumpfen Trommelschlag wahr, den harten Schritt von Kriegern. Einer nach dem anderen schälten sie sich aus dem Dunkel. Ihre Schwerter, Äxte und Messer waren schwarz, schienen das Licht gleichsam aufzusaugen. Die Gewänder, weit und wallend, waren gelb, die Gesichter wurden durch tief ins Gesicht herabhängende Kapuzen verhüllt. Unaufhaltsam strebte die Schar der Krieger der Felswand zu. Mythor folgte ihnen. Immer deutlicher schälten sich die Konturen aus dem verwaschenen Weißgrau des Nebels. Er konnte jetzt die Spitze des Zuges sehen, einige rotgekleidete Soldaten, einer im blauen Gewand an der Spitze. Sie versuchten die Wand zu ersteigen. Mythor wandte den Blick. Erst jetzt sah er zur Rechten und zur Linken die schneegekrönten Kämme eines Gebirgszuges. Die Grate zielten auf das obere Ende der Steilwand. Und plötzlich wusste Mythor, was er dort oben finden würde – ein großes Tal, Seen und Wälder, reich an Wild, von himmelhohen Bergen gegen alle Unbilden der Welt geschirmt. Er erreichte den Fuß der Felswand. Über sich sah er den ersten der Krieger, den Blaugekleideten. Er überstieg die letzten Meter, verschwand – im nächsten Augenblick sah Mythor einen Arm zurückfallen, die Hand zur Kralle geformt, und Mythor wusste, dass der Blaue gestorben sein musste. Geröll hatte sich am Fuß der Wand gesammelt, seltsame dunkelbraune Steine, wie glasiert, und sie sahen aus, als hätte jemand den Abdruck seiner Füße dort hinterlassen. Aus dem gleichen Material bestand auch die schmale Treppe, die steil hinaufführte zum Ende der Wand. Eingekeilt in die Schar der schweigenden Krieger stieg Mythor in die Höhe, Schritt um Schritt. Er zählte mit, sah ab und zu hinab in die Tiefe. Nach kurzer Zeit war der Boden vom Nebel verschluckt, und Mythor wusste, dass jeder noch so kleine Fehltritt ihm den Tod bringen musste. Es war sinnlos, die Stufen zu zählen, er machte sich damit nur selbst unsicher. Immer höher hinauf ging die lautlose Prozession. Vor sich eine Schar Krieger, hinter sich eine weitere Gruppe, so stieg Mythor an der Felswand empor. Was sich über ihm abspielte, konnte er nicht sehen. Alles, was seine Augen erfassen konnten, waren die glatten Stufen vor ihm und die schwarze zerklüftete Felswand neben ihm. Er hielt sich an ihr fest, während er Meter um Meter an Höhe gewann. Wenig später entdeckte er die Höhle. Sie lag einen halben Schritt neben den Stufen. Die Krieger marschierten an ihr vorbei. Mythor zögerte einen Augenblick lang, dann versuchte er, diese Höhle zu erreichen. Er spürte das harte Gestein unter seinen Händen, die Kante des Loches, in das er einsteigen wollte. Vom Boden war längst nichts mehr zu sehen, die Tiefe schien unendlich zu sein. Mit einem kraftvollen Schwung beförderte sich Mythor in die Höhlung hinein. Fahler Lichtschein umfing ihn. Mitten in der Höhle stand eine Gestalt. Hager und nicht sehr groß. Das Gesicht faltig, besonders in der Nähe der Augen, der Ausdruck pfiffig und spitz. Schneeweiß die Haut, die Haare hell und lockig. »Sadagar!«, stieß Mythor hervor. Die Augen des Steinmanns schienen Mythor zu fixieren, ihn förmlich zu durchdringen. »Sadagar!«, rief Mythor und machte einen Schritt auf den Freund zu. Sadagar rührte sich nicht, er wirkte wie versteinert. Langsam drehte er sich um seine Achse und kehrte Mythor den Rücken zu. Schmerzerfüllt schloss Mythor die Augen. * Sternenüberkrustet war der Himmel. Niemals zuvor hatte Mythor so viele Sterne...