Taxis / Pfeifer | Josef Riedmann, Historische Beziehungsgeflechte | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 377, 928 Seiten

Reihe: Schlern-Schriften

Taxis / Pfeifer Josef Riedmann, Historische Beziehungsgeflechte

Fünfzig Aufsätze aus fünf Jahrzehnten

E-Book, Deutsch, Band 377, 928 Seiten

Reihe: Schlern-Schriften

ISBN: 978-3-7030-6650-4
Verlag: Wagner Innsbruck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Josef Riedmann prägte die Innsbrucker Mediävistik und Landesgeschichte der letzten Jahrzehnte in Forschung und Lehre. Dabei beschränkt sich sein Wirken keineswegs auf das akademische Umfeld, sondern ist weit in eine historisch interessierte Öffentlichkeit diffundiert. Die ganze Bandbreite seines wissenschaftlichen Oeuvres erschließt sich in erster Linie über seine zahlreichen Aufsätze, deren inhaltlicher Schwerpunkt im hohen und späten Mittelalter liegt, die aber auch zeitgeschichtlichen Detailfragen gewidmet sind. Beziehungsgeflechte und Austauschprozesse in ihren verschiedensten Facetten, namentlich in der Kontaktzone zwischen deutschem und italienischem Sprachraum, bilden dabei eine einigende Klammer. Der Band versammelt fünfzig ausgewählte, zwischen 1972 und 2018 publizierte Arbeiten und bietet einen Spiegel der wissenschaftlichen Lebensleistung des Innsbrucker Historikers.

Josef Riedmann, Dr. phil. MAS, ist emeritierter Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck.
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Adelige Sachkultur Tirols in der Zeit von 1290 bis 1330*
Es ist natürlich kein Zufall, dass auf diesem Kongress der adeligen Sachkultur in Tirol um das Jahr 1300 ein eigenes Referat zugestanden wurde. Nicht weil in diesem Land zu dieser Zeit die Gewohnheiten der Führungsschicht eine ganz besondere Ausprägung erfahren haben, wählten die Veranstalter dieses Thema. Man tat dies vielmehr deshalb, weil zu einem Zeitpunkt, zu dem ansonsten weit und breit in Mitteleuropa nur vereinzelt einschlägige Nachrichten zu dieser Fragestellung auf uns gekommen sind, im Land an der Etsch und im Gebirge, wie man das damals gerade entstehende Territorium meist bezeichnete, eine sehr reichlich fließende Quellengattung zur Verfügung steht, die eine Fülle von Hinweisen auf die Sachkultur im Allgemeinen und auf die der Tiroler Landesfürsten im Besonderen enthält. Diese singuläre Quellenüberlieferung sind die Rechnungs- oder Raitbücher aus der Tiroler landesfürstlichen Kanzlei, die seit dem Jahre 1288 bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts mit wechselnder Vollständigkeit erhalten sind. In den etwa zwei Dutzend Codices wurden die einzelnen Abrechnungen der Beamten Herzog Meinhards II. und seiner Söhne eingetragen, also sowohl detailliert die Einnahmen wie auch die Ausgaben der am Hof der Landesherren tätigen Beamten sowie die Raitungen der über das ganze Land verstreut tätigen Richter, Urbarsverwalter und anderer Funktionäre. Neben den Raitbüchern, der Hauptquelle für die folgenden Ausführungen, sind einige Inventare und Schatzverzeichnisse zu nennen, die bei bestimmten Anlässen, etwa beim Tode eines Fürsten oder bei Verpfändungen, erstellt wurden, und die ebenfalls in die Kanzleibücher eingetragen wurden. Schließlich gibt es auch in Tirol zufällige einschlägige Nachrichten, wie sie auch anderswo erhalten sind. Die bisherige historische Forschung ist an den Tiroler Raitbüchern keineswegs völlig vorbeigegangen. Immer wieder wurde auf die ganz besondere Bedeutung dieser Quelle in verwaltungs- und wirtschaftsgeschichtlicher Hinsicht hingewiesen. So hat etwa, um nur einen berühmten Namen zu nennen, der Geschichtsschreiber des mittelalterlichen Florenz, Robert Davidsohn, die Rechnungsbücher gewürdigt und ausgewertet.1 Auch die Landesgeschichtsforschung hat von ihnen in bemerkenswerter Weise Notiz genommen. Vor allem vermittelt Otto Stolz in seiner gedrängten Monografie „Der geschichtliche Inhalt der Rechnungsbücher der Tiroler Landesfürsten von 1288–1350“, erschienen 1957 als Band 175 der „Schlern-Schriften“, einen Überblick über Aufbau und Inhalt der Codices.2 Bereits um die Jahrhundertwende hat Michael Mayr-Adlwang unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt, nämlich dem kunstgeschichtlichen Gehalt der Eintragungen, Auszüge im Wortlaut ediert.3 Aber gerade der Mangel an einer vollständigen Edition stand und steht bis heute einer angemessenen Würdigung dieser einzigartigen Überlieferung im Wege. Diese Situation bedingt auch, dass es sich bei den folgenden Ausführungen nur um einen ersten Versuch, keineswegs aber um eine erschöpfende Darstellung des Themas „Sachkultur des Tiroler Adels um 1300“ handeln kann. Ferner erklärt die kurz skizzierte Quellenlage auch eine beinahe zwangsläufige Beschränkung der Schilderung auf die Lebensgewohnheiten der Tiroler Landesfürsten in diesem Zeitraum. Die analogen Verhältnisse des übrigen Tiroler Adels müssen hingegen in den Hintergrund treten. Generell liegt aber der Schluss nahe, und gerade die Raitbücher enthalten eine Reihe diesbezüglicher Hinweise, dass sich auch auf der Ebene der nachgeordneten Führungsschicht eine ähnliche Entwicklung – wenn auch in bescheidenerem Rahmen – vollzogen hat wie unter Meinhard II. und dessen Nachfolgern. Meinhard II., 1258–1295 Graf von Tirol und seit 1288 auch Herzog und Landsherr von Kärnten, gilt als der eigentliche Schöpfer des Landes Tirol. In langwierigen Auseinandersetzungen mit den Bischöfen von Trient und Brixen und gegen den alten Adel schuf er ein neues Territorium. Ein wesentliches Hilfsmittel für die erfolgreiche Politik Meinhards stellte das Geld dar, das diesem Fürsten offenbar reichlich zur Verfügung stand – nicht zuletzt auf Grund seiner vorbildlichen Verwaltung.4 Bald nach dem Tode Meinhards, unter der gemeinsamen Regierung seiner Söhne Otto, Ludwig und Heinrich, trat aber aus verschiedenen Gründen eine wesentliche Änderung in der politischen Bedeutung wie auch in der finanziellen Potenz der Meinhardiner ein, und als dann 1310 der jüngste der Söhne, Heinrich, allein die Herrschaft über Tirol und Kärnten antrat, gestaltete sich die finanzielle und politische Lage dieses Fürsten immer katastrophaler. Indessen verdanken wir gerade dieser Situation eine Reihe von Aufzeichnungen über Verpfändungen, die für unsere Fragestellung ergiebig sind. Der bevorzugte Aufenthaltsort des Tiroler Adels um 1300 war selbstverständlich die Burg; bisweilen wohnten die Landesfürsten aber auch in ihren Häusern in verschiedenen Städten und Orten ihres Machtbereiches.5 Über das Aussehen der Burgen sind wir durch die Raitbücher in vielen Details informiert, beginnend mit dem die Anlage umgebenden Graben, der fallweise gesäubert werden musste,6 bis zum Dach des Turmes, wo die Schindeln mit scharnegel festgenagelt wurden.7 Zu den bekannten Hauptteilen der Burg, dem Turm (turris, seltener belfredum) sowie dem Pallas (palacium) treten eine Reihe von Nebengebäuden, die vor allem wirtschaftlichen Zwecken dienten, wie etwa canipa (Keller), coquina, pistrina, granarium, horreum, marstallum, stabulum, fons, puteus, cisterna.8 Diese Räume mögen zum Teil auch in die Hauptgebäude integriert gewesen sein, wie wohl auch die oftmals genannten capellae, stupae balneariae oder die priveta (Aborte). Die meistbenutzten Räume in der Burg waren gewiss die camerae oder stupae. Die Stube leitet schon über zum selten erwähnten estuarium – einem geheizten Aufenthaltsraum.9 Diese Wohnräume besaßen ein besonderes pavimentum, das von muratores gelegt wurde;10 sie waren offenbar mit Holz getäfelt11 und verfügten über Kamine oder Öfen, die ausdrücklich als Kachelöfen bezeugt sind.12 Balciones, terrasia und palusterium weisen auf Vorbauten hin. Die Mauern trugen Wehrgänge (propugnacula) und Zinnen; Fenster waren durch Eisenstäbe gesichert.13 Für die Verwendung von Glas ist kein zwingender Beleg zu finden. Die ianuae ferreae dienten nicht nur zum Schutz vor Eindringlingen sondern, wie einmal ausdrücklich betont wird, pro defensione ignis.14 Von den vielfältigen Angaben über den Bau und über Reparaturen an Burgen sei hervorgehoben, dass dabei offenbar meist nur eine kleine Zahl von Spezialarbeitern beschäftigt war, wie etwa zwei bis vier muratores, lapicidii und carpentarii – diese auch manchmal zimberman genannt.15 Als besondere Könner auf diesem Gebiet galten anscheinend die muratores latini, welche vom landesfürstlichen Richter von Glurns im oberen Vinschgau aus der Lombardei nach Tirol geholt wurden und die beim Bau der Burgen in Tirol, Gries bei Bozen, im Passeier und in St. Petersberg im Oberinntal bezeugt sind.16 Hinweise auf die Ausstattung der Burgen mit Möbeln und Gegenständen des täglichen Gebrauchs finden sich spärlicher. Tische und Bänke verstehen sich von selbst; sie sind – zumindest fallweise – mit mensalia (Tischtüchern) bedeckt, beziehungsweise gepolstert. An den Wänden waren wohl auch die mehrmals erwähnten Teppiche (tapetae) angebracht.17 Zur Aufbewahrung von Utensilien dienten scrinia oder cistae. In den Betten gab es Leintücher, Decken (oftmals golter genannt), aber auch schon Matratzen, Polster und Federbetten, wobei auch teure Stoffe, etwa aus Seide, Verwendung fanden.18 Andere Gegenstände des täglichen Lebens auf Tiroler Adelssitzen sind zwar in den Raitbüchern oft erwähnt (teils in lateinischer, teils in deutscher Form), sie beziehen sich aber meist nicht speziell auf den adeligen Haushalt im engeren Sinne, sondern auf die Bedürfnisse der Küche und der Gutsverwaltung. Hingewiesen sei noch auf die verschiedenen Bezeichnungen für Behälter aus Holz oder Metall sowie von Werkzeugen für diverse Zwecke.19 Mehr Interesse für unsere spezielle Fragestellung verdienen andere Verzeichnisse von Objekten in Tiroler Burgen. Als signifikantes Beispiel für dieses Genus sei das Inventar jener Gegenstände ausführlicher zitiert, die man nach dem Tode Herzog Ottos 1310 im Turm von Schloss Tirol vorgefunden hat:20 zwei Trinkgefäße (cyphi) aus Beryll mit silbernen, vergoldeten Füßen und vergoldeten Deckeln; fünf Trinkgefäße aus großen Nüssen mit silbernen, zum Teil vergoldeten Füßen; ein Trinkgefäß in Form einer Schale, aus Silber und...


Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Mag. Dr. phil. MAS, ist außerordentliche Professorin für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck.
Gustav Pfeifer, Mag. Dr. phil. MAS, ist Direktor des Südtiroler Landesarchivs in Bozen.


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