E-Book, Deutsch, Band 1, 216 Seiten
Reihe: Familie Flickenteppich
Taschinski Familie Flickenteppich 1. Wir ziehen ein
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96052-147-1
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Warmherziges und einfühlsames Kinderbuch ab 8 Jahren über modernes Patchwork-Familienleben
E-Book, Deutsch, Band 1, 216 Seiten
Reihe: Familie Flickenteppich
ISBN: 978-3-96052-147-1
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Emma und ihre Familie sind die Neuen in der Nummer 11! Aber viel spannender wäre es doch, wenn alle Nachbarn zusammen eine große Familie wären – wie bei einem Flickenteppich. Gesagt, getan! So wird aus der alten Frau Becker einfach Oma Becker und Emmas Papa wird zum Papa für alle Kinder im Haus. Nur ein Nachbar will bei Familie Flickenteppich nicht mitmachen: der mysteriöse Graf aus dem Erdgeschoss! Aber es wäre doch gelacht, wenn Familie Flickenteppich dem Geheimnis des unsichtbaren Nachbarn nicht gemeinsam auf die Spur kommen würde!
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Kapitel 2 Meine zwei Glücksdaumen
»Wir fangen im Erdgeschoss an«, brummt Ben, und ohne meine Antwort abzuwarten, poltert er die Stufen hinunter. Ich würde ja viel lieber bei der Wohnung direkt gegenüber klingeln. Erstens wäre Papa dann ein bisschen näher, und zweitens bin ich neugierig, wer in der Wohnung mit der himmelblauen Sternchenfußmatte wohnt. Aber große Brüder müssen eben immer den Ton angeben. Vor allem, wenn sie erschöpft und ausgehungert sind. Also sage ich nichts, sondern flitze Ben nach. Unten auf dem Klingelschild steht »C.v. Freudenhain«. Freudenhain, was für ein schöner Name! Und wie die silberne Briefklappe in der Tür schimmert. Als wäre sie frisch poliert! Ich bin schon kribbelig, wer die Tür aufmachen wird. »Emma«, sagt Ben. »Ben?«, sage ich. »Klingelst du jetzt endlich, oder sollen wir hier versteinern?« »Muss ich? Aber ich dachte, du klingelst und wir fragen zusammen.« Ben schüttelt den Kopf. »Du hast unsere Eier geschrottet. Du fragst. Ich hab keine Lust, fremde Leute anzubetteln.« »Wir betteln gar nicht«, stelle ich klar. »Wir wollen uns nur etwas leihen.« Dann atme ich ein und drücke die Klingel. Durch die Tür hören wir ein leises Läuten. Nichts rührt sich. Ich klingle noch einmal. »Da ist niemand«, sage ich. Aber auf der anderen Seite habe ich mehr Glück. Denn noch bevor ich überhaupt klingeln kann, geht die Tür auf. Vor uns steht eine Frau mit roten Stachelhaaren und Doppelkinn. »Aha«, sagt sie. »Seid ihr also doch noch gekommen, um euch vorzustellen, wie es sich gehört?« Ich wusste gar nicht, dass sich das so gehört, und blinzle schnell rüber zum Klingelschild. »Hallo, Frau Neumann. Ich bin Emma Engl. Engl ohne E«, sage ich mit einem großen Lächeln. So wie Mama immer gelächelt hat, wenn neue Gäste in Papas Restaurant gekommen sind. »Und ich heiße Ben«, sagt Ben mit einer kleinen Verbeugung. Ich finde, wir haben uns sehr schön vorgestellt. Jetzt kann ich unsere neue Nachbarin bestimmt nach den Eiern fragen. »Also, wir sind heute eingezogen, und weil mir die …«, beginne ich mit meiner Eierschlamasselgeschichte, als Frau Neumann die Lippen noch ein bisschen fester zusammenpresst. »Na, das haben mein Mann und ich allerdings bemerkt. So ein Getrampel! Das war ja ohrenbetäubend! Und was für einen Dreck ihr gemacht habt! Ich musste die Treppe einmal komplett frisch wischen, so schmutzig war alles!« Ihr Doppelkinn wackelt. »Wirklich?«, rutscht es mir raus. Das hatte ich gar nicht gemerkt. »Das war keine Absicht«, sagt Ben. »Aber jetzt haben wir alles oben.« »Trotzdem sagt ihr euren Eltern bitte, dass wir hier Wert auf ein sauberes Ambiente und eine gute Nachbarschaft legen. Und einmal im Monat seid ihr mit dem Treppe-Putzen dran.« In meinem Kopf beginnen die Worte zu tanzen. »… könnt ihr euren Eltern sagen, euren Eltern, Eltern, Eltern.« An Bens Gesichtsausdruck sehe ich, dass auch er mit aller Kraft versucht, die »Elterntür« in seinem Kopf zuzuhalten. Frau Neumann verschränkt die Arme vor ihrer Brust. »Gut, das musste mal gesagt werden.« Sie greift nach der Klinke. »Wir … wir wollten fragen, ob Sie uns ein paar Eier und etwas Öl leihen können. Wir haben nämlich sonst gar kein Abendbrot«, sage ich ganz schnell, damit Frau Neumann nicht die Tür zumacht. »Ein paar Eier? Und Öl?«, fragt sie. So wie sie uns jetzt mustert, fühlt es sich doch so an, als wären wir zwei Bettelkinder, und plötzlich weiß ich, welcher Garten den Neumanns gehört. »Eier kaufe ich erst morgen auf dem Markt. Aber etwas Öl kann ich wohl entbehren.« Sie kommt mit einer winzigen Ölpfütze in einem gespülten Joghurtbecher zurück an die Tür. »Und vergesst nicht, mir das Öl gleich morgen zurückzubringen.« »Machen wir«, sage ich. »Danke«, sagt Ben. »Blöde Erbsenzählerin!«, sage ich, als wir oben auf dem Treppenabsatz ankommen. Ben nickt. »Zum Glück wohnen wir nicht im Erdgeschoss«, sagt Ben. Ich schaue zu der Tür mit der hellblauen Fußmatte. Plötzlich habe ich gar keine Lust mehr, zu klingeln. »Weißt du, Ben, ich hab gar nicht mehr so großen Hunger.« Ben schiebt mich nach vorn. »Aber ich! Komm, bringen wir es hinter uns.« Jetzt stehen wir nur noch einen Schritt von der Fußmatte entfernt. Auf der Klingel steht König. Ich schiebe meine Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger und beginne zu drücken. »Emma!«, sagt Ben. »Los!« »Warte doch mal! Ich muss erst Daumendrücken!« »DAUMENDRÜCKEN?«, fragt Ben, der mal wieder nichts kapiert. »Na, dass hier bei uns in der Mitteletage richtig nette Nachbarn wohnen.« Ben verdreht die Augen. »Voll unnötig.« Ich schließe die Augen und drücke noch ein bisschen fester. Da hören wir unten die Haustür, und jemand kommt pfeifend die Treppe hoch. Es ist ein Junge. Er ist fast so groß wie Ben und ein Stückchen größer als ich. Seine dunklen Haare sind nass, und aus der Tasche, die er über der Schulter trägt, tropft es. »Hallo«, sagt er. »Hallo«, sage ich. Ben hat die Hände in der Hosentasche vergraben und sagt nichts. Der Junge sieht zu Ben. »Wolltet ihr zu uns?« »Schon möglich«, sagt Ben mit seinem Oberchecker-Gesicht. »Und du, wohnst du hier?« Die beiden Jungs starren sich an, als wollten sie mit einem Blick alles in Erfahrung bringen. Und dann von einer Sekunde auf die andere fangen sie an zu grinsen. »Ich bin Ben.« Mein Bruder zeigt auf unsere neue Haustür. »Wir sind heute eingezogen.« »Ich bin Tarek«, sagt der Junge und schließt auf. »Kommt ihr mit rein?« Er streift seine Schuhe auf der Fußmatte ab. »Schuhe bleiben bei uns draußen.« Ben dreht sich zu mir. »Kleine Schwester, vielleicht hat dein Daumendrücken doch geholfen«, sagt er und verschwindet auf Socken in die Wohnung. Vielleicht?, denke ich. Mein großer Bruder hat gerade den Hauptgewinn gezogen. Ein Junge in seinem Alter direkt bei uns gegenüber in der Mitteletage! Da höre ich, wie Ben drinnen sagt: »Emma hat unsere Eier zertrümmert, und jetzt muss ich versuchen, etwas fürs Abendessen zu organisieren.« »Wir haben bestimmt was im Kühlschrank«, sagt Tarek. Die Jungs lachen. »Hey, so war das gar nicht!«, rufe ich hinter ihnen her. Aber mit der Ölpfütze in der Hand und dem Doppelknoten in den Schnürsenkeln kann ich nicht so schnell hinterher. »Denkt sich dein Bruder auch immer solche Geschichten aus?«, höre ich plötzlich eine Stimme. Ich schaue von meinen Schuhen auf. Da steht ein Mädchen in der Tür. Sie sieht aus wie Tarek. Nur eben als Mädchen. Sie hat den schönsten Zopf, den ich je gesehen habe, und ganz große, dunkle Augen. »Hey, ich bin Aylin«, sagt sie. »Tareks Zwillingsschwester.« »Ich bin Emma«, sage ich und schaue von dem Mädchen auf meine Daumen. Ich wusste gar nicht, dass ich solche Glücksdaumen habe! Keine fünf Minuten später trage ich eine hübsche, kleine Schale mit drei Eiern. »Die Eier schenk ich dir«, hat Selda, Tareks und Aylins Mama, gesagt und dass sie sich riesig freut, dass endlich eine Familie mit Kindern in die Nummer 11 gezogen ist. Da hab ich gleich gewusst, dass Aylins Mutter Kinder mag, und hab sie eingeladen, uns bald zu besuchen. »Ist ja nicht weit«, hab ich gesagt. »Überhaupt nicht weit«, hat Aylins Mutter gesagt und gelacht. Ich wär wirklich gern noch länger geblieben, nur sind drei Eier nicht genug, um Pfannkuchen für ein hungriges Rudel zu backen. Aylin hat vorgeschlagen, dass wir es schnell ein Stockwerk höher versuchen. Ben meinte nämlich, dass er sich unbedingt noch Tareks PS4 ansehen muss. Das fand ich gar nicht schlimm. Denn ich bin ja mit Aylin die Treppe hoch. »Wie alt bist du eigentlich?«, frage ich. »Achteinhalb«, sagt Aylin. »Ich auch!« »Und auf welche Schule gehst du?«, fragt Aylin. Ich überlege, denn der Name unserer neuen Schule ist monsterlang. »Ähm … auf die Paula-Mondschein-Bäckerei-Schule?« »Ich bin auch auf der Paula!«, ruft Aylin und hüpft die letzte Stufe hoch. »Dann können wir morgen zusammen gehen«, sagt sie. Ich hüpfe zwar nicht, wegen der Eier. Aber es fühlt sich so an, als würde ich die Stufen hinaufschweben, so leicht bin ich. Aylins schöner Zopf tanzt auf ihrem Rücken, und ich kann schon den nächsten Treppenabsatz sehen, als ich ein leises Gemurmel höre. Oben steht jemand. Es ist eine kleine, alte Frau in Strickjacke. »Darling, die Zugluft wird dir nicht guttun«, sagt die alte Frau zu der riesigen Pflanze, die dort vor der Fensternische steht. »Das ist Frau Becker«, flüstert Aylin mir zu. Oh, wieder eine neue Nachbarin, denke ich. »Du weißt selbst, dass es Zeit ist, mit reinzukommen«, fährt die alte Dame fort. »Warum redet sie mit der Pflanze?«, frage ich Aylin. Aber Aylin scheint das gar nicht sonderbar zu finden. Denn sie geht die letzten Stufen hinauf. »Guten Abend, Frau Becker! Geht es Ihnen heute gut?« Frau Becker dreht sich um, und als sie Aylin sieht, lächelt sie. »Hallo, Scheherezade. Du weißt doch, mir geht es immer gut. Ich habe nur eine kleine Diskussion mit Darling.« Ich verstehe kein Wort. Die alte Nachbarin dreht sich wieder zu der Pflanze um und streckt die Hand aus. »Darling, ich warte.« »Wo ist Darling denn?«, fragt Aylin und schaut jetzt genauso interessiert in die grünen Blätter wie die alte Nachbarin. Ob das vielleicht ein geheimes Spiel von den beiden ist?,...