E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Netzwerke - Cluster - Allianzen
E-Book, Deutsch, 304 Seiten
ISBN: 978-3-17-043938-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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Management findet bekanntermaßen in allererster Linie in Organisationen statt: in privaten Unternehmen ebenso wie in öffentlichen Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen, in Verbänden (z.B. Gewerkschaften) ebenso wie in Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen. Folglich geht es nicht nur um die Führung von Unternehmen, sondern durchaus auch von anderen Typen von Organisationen. Die Bedeutung des Managements in und von Organisationen wird klassisch mit der Formulierung einer Steuerung durch die »sichtbare Hand« (visible hand) zum Ausdruck gebracht und damit der Steuerung durch die »unsichtbare Hand« (invisible hand) im Markt gegenübergestellt (Chandler 1977). Lange Zeit kannte die Ökonomie, und dies gilt auch für die Betriebswirtschaftslehre, im Kern keine anderen Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten als Organisationen einerseits und Märkte andererseits. Heute ist allerdings zweierlei klar: Erstens hat sich neben Organisation und Markt mit der Kooperation oder dem Netzwerk eine dritte Organisationsform ökonomischer Aktivitäten etabliert. Welchen Begriff man zur Kennzeichnung dieser dritten Organisationsform auch wählt, sie ist durch Beziehungen, genauer Interorganisationsbeziehungen, gekennzeichnet. Zweitens hört Management nicht an den Grenzen von Organisationen, welchen Typus auch immer, auf. Deutlich wird dies nicht nur in der verbreiteten Redeweise von »managed markets«, sondern besonders auch beim Management von Allianzen, Kooperationen, Netzwerken und Supply Chains, von Public Private Partnerships und regionalen Clustern sowie von Bündnissen und Verbünden, um nur einige zu steuernde Interorganisationsformen beim Namen zu nennen. Und infolge der Tatsache, dass man es in der heutigen Wirtschaft nicht nur mit einer vermehrten Kooperation, sondern auch mit zunehmender Konzentration (durch Mergers & Acquisitions) zu tun hat, gewinnt zudem auch das Management von Konzernen an Bedeutung. Dies, obwohl umstritten ist, ob der Konzern nun eine Organisation ist oder aus mehreren Organisationen besteht; nur im letztgenannten Fall wäre er unter das Management interorganisationaler Beziehungen zu subsumieren. Nicht zuletzt stehen interorganisationale Beziehungen in den vergangenen Jahren zunehmend im Lichte des öffentlichen Interesses, weil ihnen das Potenzial beigemessen wird, zu den Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit beizutragen. Dies betrifft sowohl die Digitalisierung von Organisationen und Wertschöpfungsketten als auch die Herausforderungen einer Transformation hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaften. In beiden Bereichen gelangen sowohl einzelne Organisationen als auch Märkte an ihre Grenzen, wohingegen gemeinschaftliches, interorganisationales Handeln die Chance eröffnet, komplementäre Ressourcen und Kompetenzen zu bündeln, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Komplementarität von Ressourcen nicht per se gegeben ist, sondern ggf. auch mit Partnern im Sinne eines »prospective resourcing« (Deken et al. 2018) hergestellt werden kann. Das Prinzip der partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist sogar in die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der United Nations aufgenommen worden. Beim Management interorganisationaler Beziehungen geht es im engeren Sinne um die Steuerung von einzelnen Geschäftsbeziehungen zu Kunden und Lieferanten, zunehmend aber auch zu Wettbewerbern. Dies gilt vor allem im Forschungs- und Entwicklungsbereich, wo die Zusammenarbeit mit Wettbewerbern im sog. »vorwettbewerblichen Raum« für manche Unternehmen, nicht zuletzt unter dem Stichwort »open innovation« (Chesborough 2003), zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Daneben geht es auch um die Gestaltung von einzelnen, oft politisch aufgeladenen Beziehungen zu Organisationen wie Verbänden oder Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen. Immer häufiger geht es allerdings nicht nur um einzelne, dyadische Interorganisationsbeziehungen, sondern um das Management komplexer Netzwerke von Organisationen. Man denke etwa an die vor mehr als einem Vierteljahrhundert um die Lufthansa, Air Canada, United Airlines, SAS Scandinavian Airlines und Thai Airways gebildete StarAlliance, die aktuell fast dreißig Mitglieder aufweist (vgl. Annac Göv 2020, S. 822f.). Man denke aber auch an das regionale Cluster von mittlerweile über 300 Organisationen, vor allem kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie größerer Forschungseinrichtungen, das sich unter der Bezeichnung »Optische Technologien Berlin-Brandenburg« (OpTecBB) im Feld optischer Technologien in der Region Berlin-Brandenburg wieder entwickelt (vgl. dazu Sydow/Lerch 2007, Lerch 2009). Mitunter tragen solche überbetrieblichen, genauer interorganisationalen Kooperationen und Netzwerke gar zu einer Entwicklung ganzer Branchen bei und können sogar in das gesellschaftliche Zusammenleben hineinwirken. Ein prominentes Beispiel dafür ist die aktuell an Fahrt gewinnende Mobilitätswende, bei der mehrere Automobilhersteller, Tankstellenbetreiber, Stromerzeuger und -lieferanten wie auch staatliche Einrichtungen und Behörden gemeinsam an einer zukunftsfähigen Ladeinfrastruktur und bestenfalls SmartGrids arbeiten, die ein intelligentes Management von elektrischen Ladeprozessen ermöglichen (vgl. dazu z.B. Bohn/Braun 2021). Das Management interorganisationaler Beziehungen wird in der Wirtschaft, wie derartige Beispiele zeigen, nicht nur bedeutungsvoller; auch seine Form hat sich grundlegend gewandelt. Insbesondere ist das Management interorganisationaler Beziehungen reflexiver geworden, d.h. Manager und Managerinnen bzw. ganze Organisationen sind sich zunehmend der Notwendigkeit bewusst, die Voraussetzungen und Folgen ihres diesbezüglichen Handelns genauer beobachten und analysieren zu müssen (vgl. z.B. Duschek/Gärtner 2011). Ganz grundlegend geht es dabei zunächst einmal darum, die Unterschiedlichkeit zu einem Managementin und von Organisationen zu begreifen. Zur Steigerung dieser Reflexivität hat sicherlich auch die Managementforschung und -lehre einen, wenn auch vielleicht bescheidenen Beitrag geleistet, indem sie dieses Thema verstärkt aufgreift.1 Manager und Managerinnen, aber auch Politiker und Politikerinnen sind sich vor allem aufgrund ihrer eigenen Praxis zunehmend der Tatsache bewusst geworden, dass Märkte, Netzwerke, Cluster etc. gemanagt werden (müssen) und dass dies, zumindest in großen Teilen, ein anderes Managen erfordert als das der klassischen – im Kern hierarchischen – Organisation. Worin aber genau liegen diese Besonderheiten, auf die der Scheinwerfer der Reflexivität leuchten sollte? Ist es mit dem schlichten Hinweis getan, dass in interorganisationalen Beziehungen die (sichtbar) ordnende Hand der Hierarchie versagt und sich Koordinationsbemühungen zwar durchaus auf Macht stützen können und nicht auf Vertrauen verlassen müssen, diese Macht aber anders als durch hierarchische Unterstellungsverhältnisse legitimiert sein muss? Wie aber sieht das in Konzernen aus, die – je nach Führungskonzeption – nicht nur als eine Organisation, sondern auch als ein Ensemble von Organisationen gefasst werden können? Bleibt hier nicht doch hierarchische Koordination vollständig wirksam? Welche Aufgaben sind überhaupt beim Management interorganisationaler Beziehungen wahrzunehmen? Und wie genau können diese von wem wahrgenommen werden? Bevor wir uns der Beantwortung dieser komplexen Fragen widmen können, gilt es für das Management interorganisationaler Beziehungen zunächst, begriffliche Grundlagenarbeit zu leisten. Das betrifft naheliegend zunächst den Begriff des Managements, sodann den der interorganisationalen Beziehungen. Statt wie üblich beim Management bloß auf Funktionen abzustellen, wird allerdings der Blick auf Managementpraktiken und damit auf Funktionswahrnehmung gelenkt. Damit soll nicht nur eine funktionale Vereinfachung vermieden, sondern der Akzent daraufgelegt werden, dass sich (auch) Management durch praktisches, wiederkehrendes Tun auszeichnet. Im Zusammenhang mit der Klärung des Begriffs der interorganisationalen Beziehungen wird deutlich werden, dass es vor allem um Beziehungsqualitäten geht. Das ist mit der Diskussion um die Möglichkeiten und Grenzen hierarchischen Durchgriffs bereits angesprochen worden, geht aber deutlich darüber hinaus. Dem Management interorganisationaler Beziehungen wird schließlich im Kontext der Mehrebenenproblematik nachgegangen. Selbst wenn es um das Management auch nur einer bestimmten Interorganisationsbeziehung geht, muss diese im (Makro-)Kontext anderer Beziehungen (beispielsweise in einem Netzwerk oder in einem organisationalen Feld wie einer Branche bzw. Region) gesehen werden. Gleichzeitig muss mitgedacht werden, dass das Management interorganisationaler Beziehungen auf einer Mikroebene letztlich auf Individuen – eben Manager und Managerinnen – angewiesen ist, die durch ihr konkretes Handeln einer bestimmten Beziehung bzw. Beziehungsqualität wiederkehrend zum Leben verhelfen. 1 So sind beispielsweise Allianzen und Netzwerke zu einem der drei wichtigsten Themen des strategischen Managements gereift. Im Marketing ist das Management von Geschäftsbeziehungen seit den frühen Arbeiten von Håkansson (z.B. 1982) ein zentrales Thema (vgl. auch Bruhn 2009; Weiber et al. 2022). Das internationale Management ist ebenfalls seit einiger Zeit von der Idee angetan, die Bedeutung von internen und externen Beziehungen bei...