E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Summers Drachendunkel. Die Legende von Illestia
20001. Auflage 2020
ISBN: 978-3-646-30210-3
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gefühlvolle High Fantasy
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
ISBN: 978-3-646-30210-3
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
**Wenn Finsternis das Herz entzweit...**
Drachen kennt Ella nur aus Legenden längst vergangener Zeiten, in denen die Wiesen Illestias noch blühten und das Land fruchtbar war. Bis sie im Wald auf einen Fremden trifft, mit glühenden Augen und von Dunkelheit umhüllt. Razul gehört zum Clan der Weißdrachen und ist gekommen, um ein Opfer zu fordern – Ella. Nur wenn sie ihn auf sein Schloss begleitet, verspricht er, ihr Dorf von Hunger und Kälte zu erlösen. Ella ist fest entschlossen, ihre Familie und Freunde zu retten, und lässt sich auf den Handel ein. Doch sie ahnt nicht, wie unberechenbar die Bestie in Razuls Herzen wütet …
Ein abenteuerlicher Fantasy-Liebesroman für Drachenfans!
In der märchenhaft-düsteren Welt von Erfolgsautorin Eyrisha Summers wächst eine starke Heldin über sich hinaus und kämpft leidenschaftlich für die große Liebe. Ein rasanter Pageturner, den man nur schwer wieder aus der Hand legen kann!
Der Mann will dich lieben, doch der Drache will dein Blut!
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 2
Wende dich nicht ab vom Licht, Kind der Sterne. Verlasse niemals den Pfad deiner Bestimmung, denn das reißt dich hinfort in die Abgründe der Finsternis. Nur das Licht in deinem Inneren ist der Quell deiner Stärke. Nur dein Herz verhindert, dass du zu einer Bestie wirst. (Aus den Chroniken der Drachen) Ella hatte eine Woche lang die kleine Hütte nicht verlassen müssen und darüber war sie froh. Der Sturm war einen Tag nach ihrer Begegnung mit dem unbekannten Mann noch heftiger geworden und es war unmöglich gewesen, nach draußen zu gelangen. Jeder, der es versucht hätte, wäre in der Kälte umgekommen. An diesem Morgen war zum ersten Mal die Wolkendecke aufgerissen und hatte kitzelnde Sonnenstrahlen durch die zugefrorenen Scheiben geschickt. Ein Umstand, den Ella gleich für sich nutzen wollte. Mit ein bisschen Glück konnte sie die begehrten Eisbeeren finden, denn der Wind hatte kräftig in den Niederungen geblasen und somit die wenigen Felder vom hohen Schnee befreit – zumindest so weit, dass sie die süßen Früchte ernten konnte. Sie musste sich allerdings beeilen, wenn sie eine halbwegs vernünftige Menge nach Hause bringen wollte, denn heute würde jeder Bewohner ihres kleinen Ortes auf den Beinen sein, um für sich und die Seinen etwas Essbares zu finden. Ella streifte sich gerade ihre lederne Hose über die dicken Wollstrümpfe, als sich ein früher Besucher ankündigte. Das Poltern vor der Tür war ziemlich eindeutig und Ella gab einen unwilligen Laut von sich. Für einen gepflegten Plausch unter Nachbarn war sie gerade nicht aufgelegt. Erst recht nicht, wenn sie in die erwartungsvollen Gesichter der Menschen blickte, die sich auf sie verließen. Doch bevor sie eingreifen konnte, hatte Barka die Tür bereits geöffnet und ausgerechnet Jander war es, der sich an der alten Frau vorbeizwängte und wie immer jede Spur von Höflichkeit vermissen ließ. »Hast du es schon mitbekommen?«, schnaubte er halb erschrocken, halb ängstlich. »Was sollte ich deiner Meinung nach mitbekommen haben?« Ella schenkte dem ungebetenen Besucher kaum Beachtung. Sie zog ihre pelzbesetzte Lederjacke über und schnallte ihre Ausrüstung fest. Jander war der Sohn ihres Nachbarn und ein Dorn in ihrem Auge – hatte er doch vor Monaten beschlossen, dass Ella seiner Aufmerksamkeit wert war. Seitdem bestürmte er sie mit Anträgen, endlich seine Frau zu werden, doch darüber wollte Ella nicht eine Minute nachdenken. Auch dann nicht, wenn Barka ihr ständig damit in den Ohren lag, dass sie endlich einen Mann an ihrer Seite brauchte, der ihr die schweren Dinge des Lebens abnehmen konnte. Mit Jander hätte sie bestenfalls für eine weitere Person die Verantwortung tragen müssen, denn der war ein verweichlichtes Muttersöhnchen. »Vorletzte Nacht hat es in Mooresdahl zwei Tote gegeben. Yevell und Orsoy sind nicht von ihrem Jagdausflug heimgekehrt. Heute Morgen hat man ihre steif gefrorenen Leiber am Stadtrand entdeckt. Sie standen dort, als hätten sie in der einen Sekunde noch gelebt und wären in der nächsten bereits eingefroren gewesen. Ihre Gesichter sind Masken des Grauens.« »Dann waren sie dumm, denn wir wissen doch alle, dass der Aufenthalt im Freien bei Nacht tödlich ist.« Natürlich taten Ella die beiden jüngeren Männer leid, aber noch mehr bedauerte sie die Familien, die jetzt keine Jäger mehr hatten, um sie mit frischem Fleisch zu versorgen. »Du bist hartherzig!« Janders Stimme bekam einen weinerlichen Tonfall. »Und ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich dich immer noch zur Frau haben möchte.« »Dafür weiß ich es umso besser!«, gab Ella spöttisch zur Antwort. »Du möchtest jemanden haben, der dich versorgt, wenn deine Eltern irgendwann einmal nicht mehr da sind.« Im Geiste schickte sie noch hinterher, dass sie sehr gut auf dieses zweifelhafte Vergnügen verzichten konnte. Sie hörte genau, dass Barka scharf Luft holte, und warf der Alten daraufhin einen bitterbösen Blick zu. Wenn es nach dieser gegangen wäre, hätte sie Janders Antrag bereits vor zwei Jahren angenommen. Dann wäre sie jetzt wahrscheinlich Mutter zweier Kinder und wüsste nicht, wie sie die Arbeit bewerkstelligen sollte, die dieser Mann ihr aufbürden würde. Nein! Allein war sie bei Weitem besser dran. »Ich muss jetzt gehen, Jander. Vielleicht hast du ja Lust, mich zu begleiten? Ich will raus zu den Feldern, um dort nach dem Rechten zu sehen.« Ella wusste ganz genau, dass der schlaksige Kerl unter gar keinen Umständen mitkommen würde. Kälte und Eis waren so gar nichts für ihn und der Gedanke an die gefährliche Wildnis vor den Toren von Mooresdahl schüchterte ihn ein – ganz so, wie es in ihrem Sinne war. Sie stapfte energisch an Jander vorbei und öffnete die Tür. Frische Luft schlug ihr entgegen und Ella hob ihr unbedecktes Gesicht in die Sonne. Ganz entgegen dem, was sie gerne gehabt hätte, drängte Jander sich dicht an ihre Seite. Er ließ einfach nicht locker. »Ich muss dir noch etwas sagen – fast hätte ich es vergessen!« »Dann sag, was du zu sagen hast. Ich verliere hier wertvolle Zeit, und wie dir sicherlich bekannt sein dürfte, habe ich wichtigere Dinge zu tun, als hier rumzustehen und mit dir zu schwatzen.« Langsam riss Ella der Geduldsfaden. »Corvin Jaarengston hat uns zu einer außerordentlichen Versammlung einberufen. Wir treffen uns zum dritten Teil des Tages und er hat außerdem gesagt, dass es für ein Fernbleiben keine Entschuldigung geben würde. Jeder Haushaltsvorstand muss anwesend sein.« Das passte Ella überhaupt nicht, denn eigentlich wollte sie den ganzen Tag auf den Feldern zubringen. Trotzdem schenkte sie Jander ein Nicken zum Zeichen dafür, dass sie ihn verstanden hatte. Dann hob sie ihren großen Rucksack auf und türmte regelrecht aus seiner nicht unbedingt angenehmen Nähe. Ella wollte sich den schönen Tag nicht von Jander oder dem Gedanken an die nachmittägliche Sitzung des Gemeinderats verderben lassen und sog jeden einzelnen Sonnenstrahl förmlich ein. Dort, wo Licht auf Eis und Schnee traf, glitzerte dieser wie funkelnde Edelsteine, und als Ella genauer hinsah, erkannte sie, dass es leicht taute. Die Eiszapfen an Bäumen und Büschen begannen zu tropfen, doch das würde nicht von Dauer sein. Spätestens in der nächsten Nacht würde der Frost sich den verlorenen Boden wieder zurückholen. Ella ging immer schneller, die Sonne befeuerte förmlich ihre Energie. Gerade als sie die ersten Ausläufer der Felder erreichte, erklang das Horn, das die Einwohner ihrer kleinen Gemeinde vor Gefahren warnte. Irritiert blieb Ella stehen und sah sich um. Es war kein einziges Wölkchen am Himmel zu sehen und auch kein Schwarm der gefürchteten Selkisvögel – zumal diese Tiere auch eher eine Gefahr für die Tarikwurzeln ihrer Bäume waren, einem Menschen taten diese Wesen eigentlich nur selten etwas zuleide. Ella versuchte sich zu erinnern, wann sie das Warnsignal zum letzten Mal gehört hatte und mit welchem Ereignis sie es in Verbindung bringen musste. Doch außer einem schlimmen Schneesturm konnte sie sich an keinen weiteren Einsatz des Horns erinnern. Vielleicht hatte es etwas mit den beiden Toten zu tun, die man am Morgen entdeckt hatte? Sehnsuchtsvoll blickte Ella in Richtung der fast vollständig freigewehten Felder. Die blauen Früchte leuchteten im Sonnenlicht. Doch eine Warnung einfach zu ignorieren war gefährlich. Ella war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, die kostbaren Beeren zu pflücken, und dem Gedanken an das Unglück, das ihre kleine Familie heimsuchte, wenn ihr etwas zustoßen sollte. Noch während sie dastand und überlegte, was sie tun sollte, bemerkte sie, dass sich am Ende des Ackers zwischen den niedrigen, teilweise von Eiskristallen bedeckten Sträuchern etwas bewegte. Es sah so aus, als würde sich der Schnee dort hinten kräuseln und sich in Wellen auftürmen wie in einer Wanne mit Wasser, in die man einen Stein warf. Ella kniff die Augen zusammen und trat einen Schritt auf den Acker – dann noch einen und noch einen. Je näher sie kam, desto deutlicher erkannte sie die wirbelnden Bewegungen, die sich auf eine einzige Stelle zu konzentrieren schienen. Ein paar Meter weiter wurde ihr schließlich klar, was an dieser Stelle vor sich ging. Sie keuchte, das Blut stockte ihr in den Adern. Nur ein paar Dutzend Schritte von ihr entfernt wimmelten Tausende Breassels über den froststarren Boden. Winzige, handtellergroße Tiere mit acht langen Beinen, die beim Laufen klickernde Geräusche machten. Ihr weißer Pelz ließ sie im Schnee beinahe unsichtbar werden und normalerweise stellten sie keine Bedrohung dar – auch wenn sie Fleischfresser waren. Die Tiere waren viel zu klein, um einen Menschen ernsthaft zu verletzen. Wenn sie, wie üblich, vereinzelt auftraten. Ella konnte sich nur an ganz wenige Berichte erinnern, in denen die Rede von einem Angriff auf einen Menschen war – meist hatte es Kinder getroffen, die allzu neugierig versuchten, mit den putzig aussehenden Tierchen zu spielen, und dabei gebissen wurden. Das Aufkommen auf diesem Feld erreichte allerdings eine ganz andere und vollkommen neue Dimension. Ella befürchtete plötzlich, dass ihre Missachtung des Horns keine allzu gute Idee war. Noch machte die riesige Horde von kleinen scharfzahnigen Biestern keine Anstalten, auf sie loszugehen, doch das konnte nur noch eine Frage von wenigen Sekunden sein. Vorsichtig wollte Ella sich umdrehen, um schnellstmöglich den Rückzug anzutreten, da streiften ihre Augen auf einmal ein schwarzes Stück Stoff. Er wirkte kostbar und edel und war auf dem Feld ebenso fehl am Platze wie die Breassels, die eigentlich in den Flammenwald gehörten. Ella erinnerte sich unwillkürlich an die Begegnung mit dem Fremden...