Sulser Ausdrucksmalen für Menschen mit Demenz
2. aktualisierte und ergänzte Auflage 2010
ISBN: 978-3-456-94832-4
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 84 Seiten
ISBN: 978-3-456-94832-4
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
'In meinem Kopf rutscht alles weg, sag, wohin ging es nur?'Ja, wohin ging es nur? Dieser Frage setzt die Maltherapeutin Renate Sulser eine Neuorientierung in einem nichtkognitiven Medium entgegen. Mit dem von ihr entwickelten sinnes- und körperorientierte
Zielgruppe
Altenpfleger, Kunsttherapeuten, Ergotherapeuten, Bewegungstherapeuten
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie Musiktherapie, Kunsttherapie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Pflege Altenpflege
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Klinische und Innere Medizin Geriatrie, Gerontologie
Weitere Infos & Material
Inhaltsverzeichnis und Vorwort 6
Teil 1 Einführung 12
Dokumentation über einen geriatrischen Betreuungsbereich 14
Geschichte des Ausdrucksmalens 15
Einrichtung des Malateliers, Malmaterial 17
Ausdrucksmalen für Menschen mit Demenz 17
Malen im Atelier 19
Malgruppen mit jüngeren und hochbetagten Menschen mit Demenz 24
Bedeutung der Stadien der Demenz im begleitenden Malen 24
Verwirrt sein bedeutet Einschränkung und Freiheit zugleich 28
Teil 2 Bilder mit kurzen Einleitungen 32
Umgang mit Bildspuren 34
Das Kunstvolle 36
Das Verlorene 41
Das Intuitive 48
Das Vergessene 51
Das Wahnhafte 56
Das Lied vom Blau 59
Das Geschriebene 66
Das Mystische 74
Das Verabschieden 79
Abschließende Bemerkungen 82
Über die Autorin: Ausbildung und Lebenslauf 83
Literaturhinweise 84
"Teil 2 Bilder mit kurzen Einleitungen (S. 33-34)
Umgang mit Ausdrucksbildern
Sie sind eingeladen, die nachfolgenden Bilder und Geschichten mit einer besonders respektvollen und vor urteils losen Haltung zu genießen. Es ist nicht mein Anliegen, die Bildspuren desorientierter und betagter Menschen nach psycho logischen Erkenntnissen zu analysieren oder sie mit Bildern von «Nichtverwirrten » zu vergleichen. Vielmehr zeigen sie, dass mit Freude und Hingabe gemalt wird, auch wenn die Demenzerkrankung weiter fortschreitet. Menschen mit demenziellen Veränderungen werden trotz ihrer Vergesslichkeit nie mehr zu kleinen Kindern. Das heißt, ihre gemalten Spuren sind nicht zu vergleichen mit kindlichem Malen.
Menschen mit einer Demenz finden krankheitsbedingt wieder zurück zu den ursprünglichen Formen und Figuren, da ihr «Körperwissen» noch lange erhalten bleibt: Kognitive Einschnitte zwingen sie, ihre Sinne und körpergespeichertes Wissen wieder vermehrt als «Orientierungshilfe» zu aktivieren. Ganz wichtig scheint mir darauf hinzuweisen, dass die Aussagen der Malenden zu ihren Bildspuren auf keinen Fall als erklärende «Titel» angesehen werden dürfen. Sie sind vielmehr, so wie auch ihre gemalten Spuren, spontane Äußerungen, welche einzig die aufsteigenden Gefühle der Malenden betreffen.
Sie geben keine Einsicht in ihr aktuelles Leben, da sie, wie schon beschrieben, fließend in verschiedenen Wirklichkeiten leben. Ihre häufig poetischen Aussagen dürfen uns wohl freuen und berühren, aber nicht täuschen: entstehen sie doch eher aus kognitiven Einschränkungen heraus als aus der gewählten Freiheit. Oftmals kommunizieren die Malenden mit ihrem Bild, oder sie möchten das soeben Erlebte mitteilen. Ihnen eine aufmerksame und anteilnehmende Begleiterin zu sein genügt. In der betreuerischen Arbeit mit demenzkranken Menschen spielt deren persönliche Biographie eine große Rolle.
Es wird damit versucht, ihnen aufgrund des Erlebten einen Identitätsbezug zu ermöglichen. In der Arbeit im Malatelier sehe ich die Biographiearbeit als nicht so prägend an. Da ihre Bilder aus dem Reich des kollektiven Unbewussten stammen, stehen sie nicht immer in direktem Bezug zum tatsächlichen Leben. Die Erzählungen einer hochbetagten Frau zeugen davon: Immer wieder begegnete sie beim Malen einem kleinen Jungen. «Paul» nannte sie ihn, ohne zu zögern. Klein und schutzbedürftig blickte er sie an. Zärtlich begrüßte und liebkoste sie ihn mit Worten.
Diese Frau war kinderlos, dennoch trug sie ein uraltes, vom Körper gespeichertes Wissen vom «Muttersein» in sich. Als «Paul» in ihren Bildern erschien, erkannte sie ihn als ihr geistiges «Seelenkind», von dem sie bewegt sagte: «Also ich weiß nicht – aber – er ist ganz mein.» Ich kann die Malenden vorurteilsloser begleiten, wenn ihre Biographien nicht im Vordergrund stehen. So wird meine Wahrnehmung nicht von Daten, Geschehnissen und Krankheitsgeschichten belastet. Alle malen sie aus Neugier, aus dem Bedürfnis heraus, sich nützlich zu fühlen, aus Lust am Tun."