Süssenbach | Anderszeiten. Eine Pilgerreise durch das keltische Jahr | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 236 Seiten

Süssenbach Anderszeiten. Eine Pilgerreise durch das keltische Jahr

Mit Erzählungen aus Irland und Schottland im Gepäck

E-Book, Deutsch, 236 Seiten

ISBN: 978-3-347-97783-9
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Einmal durch den keltischen Jahreskreis führt diese ungewöhnliche Pilgerreise und hebt dabei ausgewählte Schätze schottischer und irischer Erzählkunst. Figuren aus der keltischen Anderswelt, wie der schillernde Held Fionn MacCumhaill, die tragisch Liebenden Diarmuid und Grainne oder die Heilige Brigida von Kildare werden lebendig. Auf ihren Spuren wächst auf dem Weg durch die Jahreszeiten die Hoffnung, dass Verwandlung immer möglich ist - für ein einzelnes Leben und für die menschliche Gemeinschaft. Als Erzählerin und Theologin schöpft Claudia Süssenbach aus der Weisheit der keltischen Mythologie die Inspiration für eine spirituelle Praxis, die sich mit dem Kreislauf von Natur und Jahreszeiten verbindet. Beginnend mit dem keltischen Neujahrsfest durchwandert sie mit ihren Leserinnen und Lesern den jahreszeitlichen Kreislauf von Vergehen und Erneuerung. Jedes Fest verbindet die Autorin mit einer ebenso fesselnden wie poetischen Erzählung. Ein Kapitel unter der Überschrift 'Nachgedacht' ergänzt jeweils die Geschichten. Gemeinsam mit ihrer Leserschaft taucht Claudia Süssenbach ein in die Gedankenwelt der keltisch-christlichen Spiritualität - einer Tradition, die um die Gegenwart des Göttlichen in allen Dingen und um die Heiligkeit der Erde weiß. 'Anderszeiten' ist nicht nur ein Buch für Schottland- und Irland-Liebhaber, sondern für alle Menschen, die sich nach einer geerdeten Spiritualität sehnen. Die zeitlose Weisheit der keltischen Tradition bietet hierfür eine tiefe und nährende Quelle. Aus dieser Quelle speisen sich auch die Gebete, die die einzelnen Kapitel des Buches abschließen und die hier erstmals in deutscher Sprache vorliegen. Sie stammen zum überwiegenden Teil aus der Carmina Gadelica, einer Sammlung von Gebeten und Segensworten aus den schottischen Highlands und von den Äußeren Hebriden, die im 19. Jahrhundert von Alexander Carmichael zusammengestellt und veröffentlicht wurde.

Claudia Süssenbach erzählt Geschichten aus Leidenschaft und am liebsten frei und ohne Buch in der Hand. Die Kunst des freien Erzählens erlernte sie an der Universität der Künste in Berlin. Als sie im Sommer 2018 zum ersten Mal nach Schottland reiste, verliebte sich die zweifache Mutter in die raue Landschaft der Highlands mit ihrer einzigartigen Erzähltradition. Es folgten zahlreiche Aufenthalte in Schottland und Irland, während derer sich die promovierte Theologin intensiv mit der inselkeltischen Tradition des Erzählens und der Schöpfungsspiritualität des keltischen Christentums beschäftigte. Claudia Süssenbach lebt mit ihrer Familie in Ostholstein. Sie begleitet Seminare, Pilgerwege und Auszeiten in der Natur an der Ostseeküste sowie in Schottland und Irland. In Vorträgen, Lesungen und Erzählprogrammen widmet Claudia Süssenbach sich der Suche nach einem achtsamen Leben in Verbundenheit mit dem Jahreskreis und der Kraft von Märchen und Mythen für persönliche und gesellschaftliche Veränderungsprozesse. Mehr über Claudia Süssenbach auf der Website der Autorin: www.anderszeiten.de.
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Achtsam werden Vor dem Beginn unserer gemeinsamen Reise durch das keltische Jahr möchte ich dir ein irisches Märchen erzählen, das für mich wie eine Überschrift, wie ein Doppelpunkt oder ein Ausrufezeichen über allen weiteren Erzählungen und Gedanken steht. Der Held dieser ersten Geschichte – Lusmore – begegnet darin unerwartet dem Feenreich. In Irland ist das Reich der Feen mehr als eine rosarote Welt à la Walt Disney, in der niedliche, geflügelte Wesen herumflattern und Wünsche erfüllen. Das Feenreich ist eine Realität, die auch von modernen Iren und Irinnen so ernst genommen wird, dass der Verlauf neuer Autobahnen um traditionelle Feenhügel herum geplant wird, selbst dann, wenn dies einen erheblichen Mehraufwand bedeutet. Vielleicht lächelst du jetzt und schüttelst amüsiert den Kopf. Feenglaube in unserer Zeit? Doch nicht ernsthaft?! Aber es lohnt sich, sich mit dem insel-keltischen Konzept des Feenreiches oder – besser gesagt – der Anderswelt etwas genauer zu beschäftigen. Für unsere Reise durch das keltische Jahr ist das Verständnis für die Anderswelt so etwas wie der Kompass und die Landkarte, die wir brauchen, um uns auf dem Weg zurechtzufinden. Doch hören wir zunächst auf unsere Geschichte. Man findet sie in vielen irischen Märchenbüchern.7 Ich selbst habe sie zum ersten Mal von der wunderbaren irischen Erzählerin Claire Muireann Murphy gehört. Lusmore oder der Gesang der Anderswelt Es mag hundert, vielleicht auch zweihundert Jahre her sein, da erblickte im grünen Tal von Aherlow ein kleiner Junge das Licht der Welt. Er plumpste aus dem Schoß seiner Mutter geradewegs in die Arme der Hebamme. Doch als diese ihn sich anschaute, ob er auch gesund und munter sei, da entdeckte sie auf seinem Rücken, zwischen den kleinen Schulterblättern, einen winzigen Huckel. Die Hebamme war eine weise Frau und sie wusste, dass dieser winzige Huckel wachsen würde. Sie legte den Kleinen in die Arme seiner Mutter und sagte: »Es tut mir wirklich leid!« Doch bekanntlich schielen alle Mütter ein wenig, wenn es um die Schönheit ihrer Kinder geht. Für die junge Mutter war ihr Baby das schönste Kind, das die Welt je gesehen hatte. Und unter diesem Blick der Liebe wuchs der Kleine heran und aus dem Huckel wurde ein kleiner Buckel – kaum zu sehen zuerst. Doch je größer der Junge wurde, desto größer wurde auch der Buckel. Als aus dem Knaben ein junger Mann geworden war, da war der Buckel so groß und schwer, dass es aussah, als wäre das, was bei anderen Menschen das Hinterteil ist, seinen Rücken hinaufgewandert und säße nun geradewegs zwischen seinen Schultern. Sein Kopf wurde von der Wucht des Buckels so heruntergedrückt, dass sein Kinn sich auf seine Knie stützte, wenn er auf einem Stuhl saß. Wie der junge Mann hieß, das weiß ich gar nicht genau. Er wurde überall einfach nur Lusmore genannt, was so viel bedeutet wie »Fingerhut«. Denn trotz seines Buckels und seiner ärmlichen Kleidung ließ er es sich nicht nehmen, im Sommer stets einen Zweig vom leuchtend violetten Fingerhut an seiner Mütze zu tragen. Schwere Arbeiten wie andere Männer konnte Lusmore nicht tun. Feldsteine zu einer Mauer auftürmen, einen Pflug in den Acker drücken – all das war für ihn unmöglich. Doch er hatte geschickte Finger. Damit konnte er die feinsten Körbe und Hüte flechten. Die Frauen in der Gegend liebten seine eleganten Strohhüte. Und die Bauern wussten seine Tragekörbe in der Ernte zu schätzen. Aber wie sagte schon Wilhelm Busch so treffend: »Wir mögen keinem gerne gönnen, dass er was kann, was wir nicht können.« Und so gab es genug Leute, die redeten: »Weißt du, warum er so geschickte Finger hat? Das liegt daran, dass der Teufel in seinem Buckel sitzt und ihm hilft.« Aber Lusmore lächelte nur freundlich und kümmerte sich nicht um das Geschwätz der Nachbarn. Eines Tages – es war der Tag vor dem Frühlingsfest Beltane, das am ersten Mai gefeiert wird – da hatte Lusmore so viele Körbe und Hüte gemacht, dass er in die Stadt auf den Markt gehen wollte, um sie zu verkaufen. Früh am Morgen hängte er sich seine Waren um und machte sich auf den Weg. Wegen seines Buckels kam er nur langsam voran und so stand die Sonne bereits hoch am Himmel, als er endlich auf dem Markt ankam. Kaum hatte Lusmore seine Körbe und Hüte ausgebreitet, da kamen auch schon die ersten Käuferinnen: »Oh Mary, schau nur, dieser Hut, der würde dir doch ausgezeichnet stehen! It’s so lovely!« »Wenn du es sagst, Bridget! Aber schau nur, meine Liebe, wäre das nicht ein hübscher Korb für deine Äpfel?« Und Lusmore verkaufte einen Hut nach dem anderen, und einen Korb nach dem anderen, und ein Penny nach dem anderen glitt in seine Tasche und machte sie voller und voller und schwerer und schwerer. Schließlich hatte er tatsächlich alle seine Waren verkauft. Mittlerweile stand die Sonne tief am Himmel und der Weg zurück ins Dorf war weit. Rasch machte Lusmore sich auf den Heimweg. Doch wegen seines Buckels konnte er ja den Kopf nicht heben. Und so sah er nur das, was vor seinen Augen lag. Er sah nicht, wie die Sonne langsam unterging. Er sah auch nicht die Berge, die zu seiner rechten Seite lagen, obwohl sie eigentlich zu seiner Linken hätten liegen müssen. Als schließlich nur noch graues Dämmerlicht ihn umgab, wurde ihm klar, dass er sich verlaufen hatte. Was tun? Es blieb ihm nichts weiter übrig, als sich einen Platz für die Nacht zu suchen. Ganz in der Nähe entdeckte Lusmore einen Hügel. Er kauerte sich in dessen Windschatten und lehnte seinen Buckel gegen einen Stein. Morgen, mit den ersten Sonnenstrahlen würde er sicher den Weg nach Hause finden. Die Nacht kroch Lusmore kalt und feucht in die Kleider. Er war so unendlich müde nach diesem Tag. Bald schon fielen ihm die Augen zu. Doch was war das? Eine kleine, feine Melodie schien direkt aus dem Hügel zu kommen. Lusmore schaute sich um. Aber da war nichts und niemand. Er zog seinen alten Mantel enger um die Schultern. Es war wohl seine Fantasie, die ihm einen Streich spielte. Da! Wieder diese Melodie! Da Luan, da Mort. Da Luan, da Mort. Ein einfaches Lied, einfache Worte – Altirisch für Montag und Dienstag. Lusmore war nun wieder hellwach. Er lauschte hinein in die Dunkelheit. Er lauschte mit allen seinen Sinnen, mit all seinem Sein: »Da Luan, da Mort.« Und noch eine Stimme: »Da Luan, da Mort.« Und noch eine: »Da Luan, da Mort.« Immer mehr Stimmen erklangen und fügten sich ineinander. Dieser Gesang war so schlicht, so wunderbar, dass er Lusmores Herz erfüllte. Er konnte ihn spüren in seinem Bauch, in seinen Zehenspitzen, seinen Haarspitzen. Er konnte nicht anders – er musste einfach mit einstimmen: »Da Luan, da Mort.« Und dann fügte er noch einen weiteren Wochentag hinzu: »Agus da Cadine – und Mittwoch.« Einen Augenblick lang war es ganz still. Nichts als Schweigen. Als würde der Hügel den Atem anhalten. Mit einem Mal kam ein Wind auf, umkreiste den Hügel. Aus dem Wind wurde ein Sturm, der packte Lusmore, wirbelte ihn hoch in die Luft und drehte ihn um und um bis ihm ganz und gar schwindelig war. Mit einem Mal war der Sturm vorüber. Lusmore fand sich im Inneren des Hügels wieder. Und er verstand: Dieser Hügel war nicht irgendein Hügel. Es war ein Feenhügel. Und das wusste er, weil, nun, weil er in die Gesichter von dutzenden von Feen schaute. Nun haben die irischen Feen wenig zu tun mit den niedlichen kleinen geflügelten Wesen, die wir aus bunten Walt-Disney-Filmen kennen. Wer sich ein wenig mit den irischen Feen auskennt, der weiß: Wenn man auf irische Feen trifft, dann kann das richtig, richtig gut ausgehen. Oder es kann richtig, richtig schlecht ausgehen. Lusmore schaute also in die Gesichter von dutzenden von Feen. Und die begannen zu singen: Da Luan, Da Mort, Da Luan, Da Mort, Da Luan, Da Mort, Agus Da Cadine. Dann steckten sie die Köpfe zusammen und tuschelten. Schließlich trat einer von ihnen – es schien ihr König zu sein – vor und sprach: Lusmore, Lusmore, komm doch hervor. Sei lustig und munter, dein Buckel fällt runter. Heb den Kopf empor, Lusmore, Lusmore. Kaum waren diese Worte gesprochen, da spürte Lusmore, wie eine Last von ihm abfiel. »Steh auf, Lusmore!«, sagte der König der Feen. Und Lusmore stand auf. »Richte dich auf, Lusmore!« Zum allerersten Mal in seinem Leben streckte Lusmore seinen Rücken und hob den Blick und schaute nach vorn. Er fühlte sich so groß, so riesig groß, dass er Angst hatte, mit dem Kopf an die Decke der Halle zu stoßen. Die Feen...


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