E-Book, Deutsch, 376 Seiten
Stratmann O. P. / Nauerth Weltkirche und Weltfriede
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-3213-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Katholische Gedanken zum Kriegs- und Friedensproblem
E-Book, Deutsch, 376 Seiten
ISBN: 978-3-7534-3213-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zu Beginn des 1. Weltkrieges beteiligte sich Pater Franziskus Maria Stratmann (1883-1971) noch an der theologischen Textproduktion zur Stärkung des Kampfgeistes. Ein Soldat, der im militärischen Gemetzel nichts Segensreiches entdecken kann, schickt ihm als Antwort einen wütenden Protestbrief. Der Dominikaner wird nachdenklich und kehrt um zur pazifistischen Sicht der frühen Kirche: "Der Christ steht mehr über als in dem Staate, jedenfalls hängt sein Herz nicht an staatlichem und militärischem Glanz. So dachten sie alle, die von nationaler Beschränktheit noch nicht verkümmerten Christen der ersten Epoche." Das hier neu edierte Werk "Weltkirche und Weltfriede" (1924) erweist Stratmann als den zentralen Theoretiker der frühen katholischen Friedensbewegung in Deutschland: "Mit dem Kampf gegen den Krieg verhält es sich genau wie mit dem Kampf gegen die Sünde, Krankheit und soziale Mißstände: es ist Pflicht, das menschenmögliche Maß von Widerstand gegen sie aufzubieten." Der Autor zeigt schon in der Weimarer Zeit auf, dass jeder moderne Krieg de facto mit den strengen Kriterien der kirchlichen Lehrtradition nicht vereinbar ist. Seine Bemerkungen über Mahatma Gandhi eröffnen zudem einen neuen Horizont: "Daß die gewaltlose Methode als solche dem Geiste Christi mehr entspricht als die gewaltsame, kann nicht bestritten werden." Nach dem "Menschenschlachthaus 1914-1918" wäre ein Lernprozess der ganzen Kirche möglich gewesen: "Der Geist des Christentums und der Geist des Krieges vertragen sich wie Feuer und Wasser." Kirche & Weltkrieg - Band 5
Franziskus Maria Stratmann OP (bürgerlich: Johannes Stratmann), katholischer Priester, Theologe und Publizist, Mitglied des Dominikanerordens, geb. 8.09.1883 in Solingen, gest. 13.05.1971 in Hochdahl. - 1905 zunächst Studium in Lausanne (Jura), dann Eintritt in den Dominikanerorden, 1906-1913 Theologiestudium, erste Tätigkeit als Lehrer am Kolleg in Vechta, 1914 Wechsel nach Berlin als Studentenpfarrer, nach Kriegsausbruch stellvertretender Divisionspfarrer in Berlin. Im Weltkrieg erlebt er eine 'zweite Bekehrung', er wird zum überzeugten Kriegsgegner und Mitglied im "Friedensbund Deutscher Katholiken" (FDK). Seit dem Buch "Weltkirche und Weltfriede" gilt er als der Theoretiker der Katholischen Friedensbewegung; regelmäßige Aufsätze in der "Katholischen Friedenswarte" und im "Friedenskämpfer". 1930 Mitgründung der "Arbeitsgemeinschaft der Konfessionen für den Frieden". Er warnt früh und sehr entschieden vor dem Nazismus und wird nach schriftlichen Protest gegen die Aufhebung des "Friedensbundes" 1933 verhaftet. Der Orden erreicht die Freilassung. Von 1933 bis 38 Tätigkeit als Seelsorger in Rom, 1938 wechselt er ins Dominikanerkloster Venlo, entgeht der Verhaftung nach dem deutschen Einmarsch 1940 nur durch Zufall, überlebt versteckt im Dominikanerinnenkloster Betanien in Lint bei Antwerpen. - 1947 Rückkehr in das Dominikanerkloster Sankt Albert in Walberberg bei Bonn, Mitgründung der Pax Christi Bewegung, eine Wiederbelebung des FDK scheitert. In den 1950er Jahren im Orden und in der Gesellschaft aufgrund seines friedenspolitischen Engagements isoliert, findet F.M. Stratmann Anschluss an den Internationalen Versöhnungsbund (Katholische Arbeitsgemeinschaft). Breite publizistische Tätigkeit; Buchveröffentlichungen u.a.: Regina Pacis. Eine Lehre vom Frieden (1927); Krieg und Christentum heute (1950); Die Heiligen und der Staat (fünf Bände, 1949-1958); In der Verbannung. Tagebuchblätter 1940-1947 (1962); Gaben und Aufgaben. Über die religiöse Bedeutung der Sieben Gaben des Heiligen Geistes (1962).
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Vorrede
Die Zeit, in der wir leben, ist keine von denen, die in sich selber ruhten, an der Gegenwart ihr Genügen fänden und der Vergangenheit und Zukunft wenig gedächten. Sie ist im Gegenteil erfüllt von unruhigen Rück- und Ausblicken. Hinter uns liegt der furchtbare Weltkrieg, der nicht nur seine vier Jahre, sondern auch die ihm nachfolgenden in einer Weise aufgewühlt hat, wie es nur an den großen Wendepunkten der Geschichte zu geschehen pflegt. Das Vergangene ging nicht »leuchtend nieder«! Und doch »leuchtet´s lange noch zurück«, nur nicht wie ein vielleicht stürmischer, aber mit einem sanften Abendrot friedlich abschließender Tag, sondern wie ein gräßlicher Brand, der erstickenden Qualm, unheimlichen Geruch und endlich eine öde Trümmerstätte hinterließ und dessen flammendes Zerstörungswerk man nie wieder vergißt. Nachdem wir ein wenig Distanz gewonnen, fragen wir nach dem Ursprung, dem Sinne und dem Zwecke solchen Geschehens. War es wie ein Gewitter oder Erdbeben, dessen Ausbruch wir Menschen nicht verhüten können? Und als es ausgebrochen war: mußten die Menschen von allen Seiten, aus aller Herren Länder herbeieilen, um sich hineinzustürzen, oder war ihnen die Möglichkeit gegeben, wie Feuerwehrleute den Brand zu umzingeln, den Brandherd zu isolieren und so schnell wie möglich zu löschen? Ist der Krieg ein unvermeidliches Naturereignis oder ist er ein vom freien Willen ganz und gar abhängiges menschliches Unternehmen? Können wir ihn also vermeiden oder können wir es nicht? Und wenn wir es können, müssen wir es? Verlangt es Gott und unser Christentum? Und sollen wir es? Sollen wir etwa Ja sagen zu höheren, aber uns fernliegenden Menschheits- und Reichsgottesinteressen und Nein zu den heute uns bedrängenden, heute eine Lösung verlangenden Zeitinteressen? So irren die Blicke »zwischen den Zeiten«, zwischen dem Gestern und dem Morgen flackernd umher, fragend und klagend, verzweifelnd und wieder hoffend. Eine Flut von Literatur ist durch diese Frage hervorgerufen worden. Aber es ist eine Flut, die über ihre letzten Tiefen, die metaphysischen und moralischen Gründe, schnell und leicht hinwegplätschert. Der Standpunkt, von dem aus die Fragen über Krieg und Friede gestellt werden, ist fast immer ein niedriger, irgendein nationaler oder politischer Partei-Standpunkt. Die Tiefe und die Objektivität und erst recht die Einheitlichkeit der Beantwortung ist dadurch von vornherein ausgeschlossen. Gibt es keine Möglichkeit, zu einer tiefdringenden, ruhigen, klaren und einheitlichen Anschauung des Kriegs- und Friedensproblems, wenigstens nach der grundsätzlichen Seite hin, zu gelangen? Wir glauben doch. Aber nur unter der Bedingung, daß man sich von jedem Parteistandpunkt vollkommen loslöst und einen übergeordneten einnimmt, eine Höhe besteigt, auf der man weder Deutscher noch Franzose, weder Rechts- noch Links- noch Mittelparteiler, weder Kriegs- noch Friedensgewinnler ist, sondern nur Mensch, Philosoph, Christ, Katholik. Zwar gibt es keinen Menschen, Philosophen, Christen, Katholiken, der nicht auch durch nationale und andere Partikularrücksichten bestimmt wäre und bestimmt sein sollte - aber es ist möglich und nötig, diese Sonderinteressen einem höheren Gesichtspunkt rücksichtslos unterzuordnen. Es ist möglich und nötig, das welthistorische Geschehen sub specie aeterni zu betrachten, gewissermaßen vom Throne Gottes aus, mit den Augen Gottes selbst. Und nicht nur es anzuschauen, wie Er es anschaut, sondern auch es zu wollen, wie Er es will, mit vollkommener Unterordnung aller persönlichen oder national-persönlicher Bedürfnisse. Wem dieser Standort zu hoch und unsicher erscheint, der kann, zumal als Katholik, einen tieferen, sichereren wählen: den über Zeiten und Länder hinausragenden Felsen Petri. Diesen Standpunkt hat Benedikt XV., obwohl auch er der Angehörige einer in den Streit der Zeit verwickelten Nation war und blieb, eingenommen, und so unerschütterlich fest eingenommen, daß er allein von allen maßgebenden Instanzen der Kriegs- und Nachkriegszeit wahrhaft neutral, d.h. überparteilich, blieb, soweit es einem Menschen auch auf dieser Höhe möglich ist. Man kann nicht sagen, daß viele Katholiken dem Vater dahin nachgestiegen seien. Alle, die zu den brennenden Fragen Stellung nahmen, mochten es wohl auch als Katholiken tun, aber es darf bezweifelt werden, ob sie es in erster Linie als Katholiken und erst in zweiter Linie als Angehörige ihrer Nation taten oder ob es umgekehrt geschah. Dieses Buch bemüht sich, im Geiste des großen Friedenspapstes die grundsätzlichen Fragen über Krieg und Frieden von oben her, von Gott, Christus und der Weltkirche, d. h. vom Gottesreiche aus, zu lösen, unbekümmert darum, ob die von unten, von der »Welt« kommenden Lösungen ihnen entsprechen oder widerstreiten. Die Arbeit ist hervorgegangen aus dem »Cursus«, den der Verfasser auf der religiös-wissenschaftlichen Tagung des »Verbandes der Vereine katholischer Akademiker zur Pflege katholischer Weltanschauung« im September 1922 in Heidelberg unter dem Titel »Idee und Verwirklichung des Corpus Christi mysticum« gehalten hat. Das Ziel jener Vorträge lag schon damals in ihrem Untertitel »die Völkerversöhnung durch die Kirche«. Nur weil diese Völkerversöhnung und eine dauernde friedliche Völkerverbindung möglichst tief, ja vom katholischen Standpunkte aus als unausweichliche Forderung begründet werden sollte, wurde alles auf das große Glaubensgeheimnis vom mystischen Leibe Christi aufgebaut. Diese religiös-dogmatische und religiös-sittliche Begründung des Weltfriedensgedankens wird auch in diesem Buche festgehalten und damit eine Basis gewonnen, auf der, wie wir glauben, wenigstens alle römisch-katholischen Christen ihm zustimmen müssen. Es mag sein, daß dennoch dieser oder jener Gedanke zunächst befremdet. Freunde, denen ich Teile dieser Arbeit vorlas, sagten mir, man werde stellenweise stark zum Widerspruch gereizt, der sich aber löse, wenn man das Ganze in sich aufnehme und sich von dem Gewirr der täglich auf uns eindringenden politischen Gedankengänge freimache. Ich darf deshalb an den Leser1, besonders den, der dem schon ausgesprochenen Ziele des Buches zunächst noch widerstrebend gegenübersteht, die Bitte richten, es nur in Stunden der Sammlung mit demütiger Aufgeschlossenheit wie ein religiöses Buch zu lesen und mit seinem Urteil zu warten, bis er die Entwicklung der hier vorgetragenen Gedanken bis zu Ende verfolgt hat. Man kann dieses Buch vielleicht unter diesem und jenem Gesichtspunkt angreifen und ablehnen; ein Nationalist z.B. kann glauben, daß es vom vaterländischen Standpunkte scharfe Zurückweisung verdiene. Ich selbst glaube es nicht. Wie dem aber auch sei: ich habe nicht den Ehrgeiz, von irgendeinem anderen Standpunkte aus recht zu haben als von dem des Allerhöchsten. Ich werde jeden, der mich angreift, fragen, ob er an Christus als den allein richtigen Weg, die allein gültige Wahrheit, das allein lebenswerte Leben und an den Beruf der ganzen Menschheit, seinen mystischen Leib zu bilden, glaube oder nicht. Wenn er es verneint, so kann ich mich vielleicht noch auf einem anderen Boden mit ihm verständigen, aber die Diskussion über Recht oder Unrecht, Wahrheit oder Falschheit dieses Buches muß ich dann ihm gegenüber ablehnen. Wenn er meinen Glauben teilt, dann möge er mir die Stellen zeigen, die auf diesem Boden, besonders innerhalb des Bezugssystems Corpus Christi mysticum, falsch sind. Es ist gänzlich ausgeschlossen, zur Wahrheit zu gelangen, wenn unser Auge nicht einfach ist, wenn wir zwei Herren dienen wollen und uns nicht entschließen können, unser ganzes Denken, Wollen, Reden, Handeln bis zum verborgensten politischen Gespräch und Wunsch allein dem Geiste und dem Urteil Christi zu unterwerfen. Daß dieser Geist eng sei und dieses Urteil unausführbar oder in irgendeiner Beziehung für uns schädlich, braucht niemand zu befürchten. Wohl aber ist man jedem Irrtum und jedem Schaden ausgesetzt, wenn man als höchstes Gut seiner politischen Seele die Nation betrachtet, indem man sein politisches Gewissen von seinem christlichen abtrennt und gar sein nationales Reich affektiv und effektiv mehr liebt als das Gottesreich. Vollends bei der Frage über Weltkrieg und Weltfrieden können Wahrheit und Gerechtigkeit nie innerhalb des nationalen Gesichtskreises gefunden werden, sondern allein innerhalb des theozentrischen und christozentrischen. Meines Wissens gibt es noch kein Buch, das das Kriegs- und Friedensproblem vom katholischen Standpunkt einigermaßen erschöpfend behandelte. Wir haben eine Reihe von katholischen Schriften, die sich mit dem Kriege, sowohl dem hinter uns liegenden konkreten Geschehen als auch dem Kriege an sich beschäftigen, aber sie sind mehr politisch und juristisch als religiös und ethisch, und ganz fehlt uns eine eingehende katholische Darstellung der pazifistischen Gedankenwelt. Auch in katholischen Kreisen hört man mehr und mehr über Pazifismus sprechen, gelegentlich wird auch darüber geschrieben...