Stößer | DIE DUNKLE SEITE DER ERDE | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 270 Seiten

Stößer DIE DUNKLE SEITE DER ERDE

Blasphemische Science-Fiction-Geschichten

E-Book, Deutsch, 270 Seiten

ISBN: 978-3-95765-722-0
Verlag: p.machinery
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Die dunkle Seite der Erde« reicht um den gesamten Planeten und darüber hinaus. Diese Sammlung bietet einen kritischen Blick auf die grotesken Verstrickungen von Glaube und Gesellschaft, die Widersprüche zwischen Wahn und Wirklichkeit, und lädt dazu ein, über den Kollektentellerrand hinauszuschauen. Über zwei Dutzend religionskritische Science-Fiction-Kurzgeschichten, darunter elf Erstveröffentlichungen, beleuchten die tiefgreifenden Auswirkungen der Religion auf die Welt und erforschen die dunkelsten und schmutzigsten Aspekte des Glaubens: vom Zeitreisenden, der im Dreißigjährigen Krieg strandet, und Selbstmordattentaten über Aliens, die die Erdlinge religionstypisch durch Gehirnwäsche oder physische Gewalt bekehren wollen, und Menschen, die ihnen darin in nichts nachstehen, bis zu subtiler Manipulation sämtlicher Bereiche der Gesellschaft durch metaphorische wie reale Parasiten im Gehirn. Ohne den fatalen Einfluss der gefährlichsten aller Psychosen wären diese Geschichten niemals entstanden. Sie zeichnen, teils ernst, teils geprägt von schwarzem Humor, ohne den Religion unerträglich wäre, ein Bild menschlichen (und nichtmenschlichen) Leidens, aber auch von Heilung, Widerstand und Hoffnung auf eine bessere Zukunft - frei von Gotteswahn. »Die Dialoge sind pointiert und das Universum, das Achim Stößer entwickelt, vielschichtig. Immer wieder finden sich kleine Hinweise wie auch Seitenhiebe auf bekannte Ereignisse. (...) Am Ende wünscht sich der Leser, diesen stoischen Pater auf seiner nächsten Mission nach Phobos begleiten zu können.« [Thomas Harbach über »Pater Anselms Marsmission«] »Eine Kurzgeschichte als Episodenguide ihrer selbst mit integriertem Trivia-Quiz und eigener Plothole-Liste zu schreiben, offenbart Genialität - und Stößers tiefe Abneigung gegen Theismus (...) mit exponentiell ansteigender Respektlosigkeit.« [Thorsten Küper über »Bethlehem«] Titelbild von Klaus Brandt.

Achim Stößer wurde 1963 in Durmersheim geboren, lebt und schreibt in Bad Orb und ist Vater eines Sohns. Er studierte Informatik an der Universität Karlsruhe, wo er anschließend einige Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war, beschäftigte sich dabei mit Computerkunst und -animation und hatte einen Lehrauftrag an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Seit 1988 veröffentlicht er Kurzgeschichten in Anthologien und Magazinen, darunter in einigen Bänden der Reihe »Internationale Science Fiction Stories« Wolfgang Jeschkes (1993-1999), überwiegend aus dem Genre Science-Fiction. Als Angehöriger einer ethischen Minderheit gründete er 1998 die Tierrechtsinitiative Maqi. Entsprechend sind Antispeziesismus (und damit Veganismus), Antitheismus, Antirassismus, Antifaschismus, Antisexismus, Antimilitarismus usw. Hauptthemen seiner Erzählungen und auch seiner Cartoons. Internet: achim-stoesser.de
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Pater Anselms Marsmission
  Das Klappern der harten Ledersohlen ihrer Schuhe hallte von den Gewölbewänden wider. Verstohlen warf Pater Anselm einen Blick nach rechts zum Pontifex Maximus. Pius XII., einen Kopf größer als er, lief schweigend neben ihm her. Weiß gewandet vom Scheitelkäppchen bis zur Soutane wirkte er hier in der spärlich erleuchteten Dunkelheit gespenstisch. Die Brille mit den runden Gläsern, die er trug, verlieh ihm die Anmutung eines Gelehrten. Während die wärmende Aprilsonne auf die Ewige Stadt schien, ließ die Kühle der Kellergänge Pater Anselm frösteln. Nicht einmal elektrisches Licht gab es hier, zwei Schweizergardisten trugen Lampen vor ihnen her. Was konnte es sein, das der Heilige Vater ihm zeigen musste, damit er es glauben konnte, wie der Papst geheimnisvoll erklärt hatte? Glaubten sie nicht unbesehen das größte Geheimnis von allen, spürten sie nicht die Allgegenwart Gottes, ohne diesen je zu Gesicht bekommen zu haben? Was also bedurfte des Augenscheins? Nicht ohne Sorge war Pater Anselm dem Ruf des Papstes nach Rom gefolgt. Seine Missionsarbeit in Ostafrika durfte er ruhigen Gewissens als Erfolg betrachten. Mochte der Heilige Stuhl Einwände gegen sein unkonventionelles Vorgehen haben? Sicherlich, den Eingeborenen zu unterbreiten, Jesus sei einer der ihren gewesen, konnte nicht ohne Kritik bleiben. Ein lebensgroßes Ölgemälde, das den Menschensohn als Hirten zeigte, doch als Massaihirten, mit tiefbrauner, beinahe schwarzer Haut, krausem, kurz geschorenem Haar, traditionellem Hals- und Ohrschmuck und eingeritzten, geweiteten Ohren, statt des Hirtenstabs einen bunt geschmückten Schild in der einen und einen Speer, auf den er sich stützte, in der anderen Hand, die ihn als Krieger zeigten, auch wenn er nicht das lange, geflochtene Haar trug, das diese auszeichnete, schien in gewisser Weise unvereinbar mit dem traditionellen christlichen Bild des Gottessohns, zumindest äußerlich. Aber hatte er nicht gemäß den Evangelien nach Matthäus und Lukas zwar nicht den Speer, jedoch das Schwert gepredigt? »Doch jene meine Feinde, die nicht wollten, dass ich über sie König würde, bringt her und erschlagt sie vor mir!«, »Er sprach nun zu ihnen: Aber jetzt, wer eine Börse hat, der nehme sie und ebenso eine Tasche, und wer nicht hat, verkaufe sein Gewand und kaufe ein Schwert« und »Meint nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert«. Jesusworte, mit denen die stolzen Massaikrieger sich identifizieren konnten, da sie neben Speeren auch häufig mit Schwertern kämpften. Dennoch gab es diesbezüglich manche Widrigkeiten und Missverständnisse. Ngai, wie sie den Schöpfer nannten, hatte ihnen, so glaubten sie, sämtliche Rinder der ganzen Erde geschenkt, was zum einen bedeutete, dass alle anderen Völker im Besitz von Rindern Viehdiebe waren und die Massai das Recht hatten, gewaltsam denen, die keine Massai waren, deren Tiere abzunehmen, das, was rechtmäßig ihnen gehörte, zurückzuholen, wie sie glaubten. Massai hatten aufgrund der hohen Kriegersterblichkeit oft mehrere Frauen, und besuchte einer einen anderen, so durfte er darum bitten, bei einer dessen Frauen zu liegen, eine Bitte, die abzulehnen unhöflich gewesen wäre. Unter diesen Umständen war es nicht ganz einfach, ihnen das zehnte Gebot zu vermitteln, das da lautete: »Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört« und somit die Besitzverhältnisse, auch was Frauen und Rinder betraf, unmissverständlich regelte. Immerhin konnte der Pater die Meinungsverschiedenheit bezüglich des Sitzes des Schöpfergottes eindeutig klären. Die einen Wilden lebten in dem Wahn, dieser throne auf dem Gipfel des heiligen Berges Ol Doinyo Lengai, des »Gottesberges« in Tanganjika, und deuteten Vulkanausbrüche als Ausgeburten göttlichen Zorns fehl, während andere ihn in den Wolken wussten. Auch, dass Ngai Herr über den Regen war, spielte dem biblischen Bericht über die Sintflut in die Hände, und die Umsiedlung der Massai aus dem Serengeti-Nationalpark ins Ngorongoro-Schutzgebiet durch britische Kolonialpolitiker vor fünf Jahren ließ sich gut mit biblischen Vertreibungsberichten verknüpfen, ebenso wie fatale Rinderpestausbrüche mit biblischen Plagen, die die Massai nicht wenig beeindruckten. Obschon Monotheisten, glaubten die Massai an eine göttliche Dualität, die Gott teilte in den gütigen schwarzen Gott, Ngai Narok, und den rachsüchtigen roten Gott, Ngai Na-nyokie. Das machte es nicht einfach, ihnen die Wahrheit vom einen, dreifaltigen Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zu vermitteln. Auch das Verhältnis der Eingeborenen zu Blut war befremdlich. Jesus hatte eindeutig erklärt: »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag; denn mein Fleisch ist wahre Speise, und mein Blut ist wahrer Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm.« Worte, die im Abendmahl der Eucharistie weiterlebten. Doch das Hauptnahrungsmittel der Massai war, zusammen mit rohem Stier-, Ochsen-, Schaf- und Ziegenfleisch, Rohmilch und Blut, oft Saroi: ein Getränk, das gewonnen wurde, indem der Kopf eines Zebus fixiert und die angeschwollene Halsvene mit einem Pfeil angeritzt wurde, ohne sie zu durchtrennen, ein oder zwei Liter in einem ausgehöhlten, getrockneten Flaschenkürbis aufgefangen und die Wunde versorgt, sodass das Rind weiterlebte. Gemischt mit Milch wurde das Blut in der Kalebasse geschüttelt, um ein Gerinnen zu verhindern, und frisch oder »gereift« getrunken. Und doch blieb der Pater dabei: Jesus war ein Massai. Und er hatte Erfolg damit. Sollte dieser Erfolg Neider auf den Plan gerufen haben, die nun in Rom gegen ihn intrigierten? Der Heilige Vater hatte ihn mit Sicherheit nicht zu sich gerufen, weil er seinen Rat bezüglich der neuen Enzyklika anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des Herz-Jesu-Festes wünschte, die im kommenden Monat veröffentlicht werden sollte. Doch zu Pater Anselms Überraschung schien es nicht um seine Missionsarbeit zu gehen. Vielmehr gab der Heilige Vater sich verschwiegen und führte ihn nun, während er ihn weiter im Ungewissen ließ, durch unterirdische Gänge, die nie das Tageslicht gesehen hatten. Die Schweizergardisten traten unvermittelt zur Seite und postierten sich links und rechts einer Tür. Der Bischof von Rom öffnete sie selbst, trat hindurch und betätigte einen Kippschalter neben dem Türrahmen. Trübes gelbliches Licht flammte auf. Der Pater folgte dem Papst und blieb erstarrt stehen, als hätte er sich wie Lots Weib in eine Salzsäule verwandelt. Der Lichtschein reichte bei Weitem nicht aus, die Wände der gegenüberliegenden Seite der Halle, in der sie nun standen, zu beleuchten, sodass diese in Finsternis blieben. Pater Anselm betrachtete mit offenstehendem Mund das riesenhafte Objekt, das hier vor ihm stand. Es hatte die Form eines doppelten Kegelstumpfs. Auf dem oberen saß ein flacherer, deutlich kleinerer weiterer Kegel, der über den Rand des großen hinausragte, der untere war nicht viel mehr als eine Scheibe und nahm zum Boden hin ab. Ringsum ragte aus dem unteren Kegel etwas, das wie gewaltige Kanonenrohre aussah, ein Dutzend mochten es sein. »Was ist das, Eure Heiligkeit?«, fragte der Pater fast flüsternd. Vage kam ihm das Objekt bekannt vor, und plötzlich wurde ihm klar, wo er es gesehen hatte: Es glich frappierend dem Entwurf eines Panzers – eines Panzers, den da Vinci seinerzeit erdacht hatte. Doch es war um ein Vielfaches größer als der ursprüngliche Entwurf es vorgesehen haben musste. Hatte Rom ein neues Kriegsgerät entwickelt, um einen letzten Kreuzzug durchzuführen und das Wort des Herrn energischer zu verbreiten als in den letzten Jahren und Jahrzehnten, vielleicht energischer als je zuvor, und so die entsetzliche Gottesgeißel, die weltlichen Kriege ein für alle Mal zu beenden? »Viele erstaunliche Erfindungen verbergen sich in unseren Archiven«, sprach der Papst sanft und riss Pater Anselm damit aus seinen Gedanken, »nicht wenige davon dem Geist des großen Leonardo entsprungen. Doch dies ist wohl die wunderbarste unter ihnen. Das, mein lieber Freund …« Der Heilige Vater hob die Hand und wies mit weitem Schwung auf das Objekt, als wolle er es segnen. »… ist ein Weltraumschiff.« Er schwieg einen Augenblick, um seine Worte sacken zu lassen. »Du wirst damit den Äther zwischen den Gestirnen durchmessen. Du wirst in den Himmel fahren – als Unser erster Weltraummissionar.« Obschon es der Menschheit verborgen blieb, verließ als Sendbote des Vatikan im Namen Gottes der erste Mensch das Erdenrund, ein Jahr, ehe die gottlosen Russen auch nur eine lachhafte Metallkugel namens Sputnik ins Nichts schossen. Eine Geheimhaltung, die gerade den glühenden Antikommunisten Eugenio Maria Giuseppe Giovanni Pacelli alias Papst Pius XII. bis ins Mark seiner Seele wurmen musste.   Der Weltraum – unendliche Weiten. Wir schrieben das Jahr 1956. Pater Anselm brach in einem von Leonardo da Vinci erdachten Weltraumschiff auf, um neue Welten zu suchen, neues Leben und neue Zivilisationen – und kühn zu missionieren, wo noch nie zuvor ein Mensch missioniert hatte.   Montag, 7. Mai 1956 Es ist vollbracht. Wir haben uns Anno Domini Nostri Iesu Christi 1956 aufgemacht, den Völkern des Weltenraums das Heil zu verkünden. Eine Aufgabe, die sich als tückischer erweist als gedacht. Kaum hatten wir...


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