E-Book, Deutsch
Stiller Die Schatten von Kestrel Hall
2. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98637-143-2
Verlag: dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
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Ein düsteres Geheimnis verbirgt sich hinter den geisterhaften Mauern von Kestrel Hall …
Der historische Liebesroman mit Emotionen, Spannung und unerwarteten Wendungen England, 1814: Die junge Marguerite Gillray glaubt, das perfekte Glück gefunden zu haben, als sie den charmanten Lord Adam Peterborough heiratet und kurz darauf ihr Sohn Jacob geboren wird. Doch dann zieht die junge Familie auf den Landsitz Kestrel Hall an der rauen Küste Yorkshires. Während es in Marguerites Ehe zunehmend kriselt, muss sie feststellen, dass in dem düsteren Herrenhaus nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Bei ihrem Ehemann stößt die verängstigte Marguerite auf Unverständnis. Zuspruch und Trost findet sie jedoch bei dem faszinierenden Timothy Beauchamp, einem Freund der Familie. Schon bald befindet sich Marguerite im Widerstreit der Gefühle und, ohne es zu ahnen, in allerhöchster Gefahr …Erste Leser:innenstimmen
„Gefühlvoll, unglaublich fesselnd und mitreißend!“
„Eine spannende historische Geschichte, zwischen Vertrauen und Angst.“
„Die unerwarteten Wendungen ließen nicht zu, dass ich das Buch aus der Hand lege!“
„Dorothea Stiller zog mich mit ihrem wundervollen Schreibstil in den Bann.“
Die gebürtige Westfälin Dorothea Stiller entdeckte schon früh ihre Liebe zum geschriebenen Wort und zur Sprache. Nach dem Studium der Anglistik und Germanistik arbeitete sie zunächst fünfzehn Jahre als Lehrerin, bis sie ihre große Leidenschaft zum Beruf machte und seither als freiberufliche Autorin, Lektorin und Übersetzerin sowie Dozentin für Kreatives Schreiben und Literatur ihre Brötchen verdient. Die zweifache Mutter lebt mit ihrer Familie und Kater »Findus« am Rande des Ruhrgebiets und fühlt sich in verschiedenen Genres - ob Liebesroman, Historisches, Krimi oder Jugendbuch - zu Hause.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Eins
Montag, 20. Juni 1814 – Hyde Park, London Einundzwanzig Salutschüsse waren zu hören gewesen. Das Zeichen, dass sie das Tor zum Park erreicht hatten. »Können Sie sie sehen, Hayward?«, rief Marguerite und sah zu dem Ast hinauf, auf dem Leander Hayward saß und nach den Majestäten Ausschau hielt. An den Baumstamm gestützt, balancierte Marguerite auf den Fußballen und reckte den Hals, um über die Köpfe der Zuschauer hinwegzusehen, doch sie konnte nur gelegentlich einen Blick auf den Reitweg erhaschen, wenn eine Lücke zwischen den dichtgedrängten Menschen entstand. »Nein! Noch ist nichts zu sehen«, rief der junge Mann von seinem Ausguck. »Fall bloß nicht herunter. Der Ast sieht nicht gerade stabil aus.« Seine Schwester Emmeline beschattete die Augen mit ihrer Hand und sah zu ihrem Bruder auf. »Jetzt! Jetzt sehe ich sie!« Der Ast bog sich gefährlich, als er sich aufrichtete, um besser sehen zu können. »Da! Da ist Prinny! Und das zu seiner Rechten muss der russische Zar sein.« Marguerite musste lachen. War es nicht ein wenig gewagt, diesen spöttischen Kosenamen für den Prinzregenten zu verwenden, wenn der gerade vorbeiritt? Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und fand endlich eine Lücke, durch die sie Köpfe und Schultern der vorbeireitenden Majestäten erspähen konnte. »Der in der schwarzen Uniform? Mit den goldenen Epauletten?« »Ja. Und der mit dem weißen Federbausch auf dem Hut ist gewiss der preußische König, Friedrich Wilhelm III.« »Und der Alte mit der roten Schärpe und den vielen Orden?« Emmeline war neben Marguerite getreten und versuchte ebenfalls, zwischen den Zuschauern hindurchzuspähen. »Der mit dem Schnauzbart? Ich glaube, das ist Feldmarschall Blücher.« Hinter den Majestäten folgte ein Zug diverser hochdekorierter Offiziere und Beamter. Es mussten bestimmt weit über zweihundert Männer aus verschiedenen Nationen sein. Nachdem der Prinzregent mit den alliierten Hoheiten vorbeigeritten war, zerstreute sich die Menge ein wenig, und das Gedränge wurde erträglicher. »Achtung, Miss Gillray, ich komme herunter.« Geschickt ließ sich Leander Hayward von dem Ast gleiten und landete neben seiner Schwester und Marguerite auf dem Boden. Mit den Handflächen klopfte er notdürftig den Schmutz von seinen hellen Pantalons. Sein Hemd sah ebenfalls etwas mitgenommen aus, und die Krawatte, zuvor salopp à la Byron gebunden, hatte sich gelockert. Marguerite sah ihn amüsiert an. »Sie sehen aus wie ein Lausbub, der im Garten Verstecken gespielt hat.« »Dazu fehlen mir die aufgeschlagenen Knie.« Hayward zupfte sein Hemd zurecht, richtete die Krawatte und ließ sich von Emmeline die Jacke reichen. »Ist es Ihnen so genehm, Miss Gillray?« »Beinahe. Darf ich?« Marguerite zupfte ein Blatt aus seinen rotblonden Locken. »So. Nun könnten Sie fast mit dem Zar zum Bankett gehen.« Hayward lachte und zwinkerte ihr zu. »Finden Sie nicht, dass ich dafür ein wenig zu vornehm bin?« Er reckte den Hals und spähte über die Menge hinweg. »Da kommen die Truppen. Das wird ein einmaliges Spektakel«, verkündete er und begann zu schwärmen. »Rund zweihundert Mann der Königlichen Artillerie, über zweitausend Mann Kavallerie, Infanterie, Milizionäre und Freiwilligenkorps, insgesamt über zwölftausend Mann.« Marguerite konnte Haywards Begeisterung für das Militär zwar nicht teilen, ein Aufmarsch von über zwölftausend Soldaten und mehr als zweitausend Pferden allerdings war ein durchaus sehenswertes Ereignis, und so waren aus ganz London Schaulustige in den Hyde Park geströmt und säumten die Wege, um die Truppenabnahme zu sehen. Begleitet von Militärkapellen und Freudenschüssen zogen die Soldaten an der jubelnden Menge vorbei, und Marguerite musste zugeben, dass es in der Tat beeindruckend war. »Ich glaube nicht, dass ich jemals so viele Männer in Uniform gesehen habe.« »Die machen schon etwas her, finde ich.« Emmeline Hayward beobachtete gebannt den schier endlosen Zug, der an ihnen vorbeimarschierte. »Du wirst also einmal einen Offizier heiraten, Schwesterlein?«, neckte Hayward. Emmeline lachte nur und knuffte ihren Bruder wenig damenhaft in die Seite. »Reden wir nicht übers Heiraten«, seufzte Marguerite. »Davon reden meine Eltern bereits genug.« »Dann wollen wir heute nicht davon sprechen und uns einfach nur vergnügen.« Leander Hayward lächelte. »Dafür gibt es auch genug Anlass. Endlich hat der grässliche Krieg ein Ende«, stimmte Emmeline zu. In der Tat war der Sieg über Napoleon ein Grund zu feiern, und der Prinzregent hatte auch keine Kosten und Mühen gescheut, dieses freudige Ereignis und die nunmehr zweihundert Jahre währende Herrschaft des Hauses Hannover mit zahlreichen sich an Prunk und Extravaganz überbietenden Festivitäten zu begehen. Als etwa zwei Stunden später die letzten Regimenter vorbeigezogen waren, beschlossen die drei Freunde, bei einem der vielen Stände, die entlang der Wege aufgebaut waren, eine Erfrischung zu sich zu nehmen. Sie kamen nur langsam vorwärts, denn zwischen den Ständen und Zelten drängelten sich die Menschen, und überall gab es etwas zu sehen. Jongleure, Tänzer und Clowns, dressierte Tiere, Puppenbühnen, Schiffsschaukeln und Karussells. Nachdem Leander für sie Rindfleischpasteten, heißen Aal und Ingwerbier sowie kandierte Früchte erstanden hatte, fanden sie einen Platz an einem der Tische zwischen den Zelten. Es schien, als habe die Sonne dem Anlass entsprechen wollen, denn sie strahlte kräftig vom fast wolkenlosen Himmel, und Marguerite beneidete Hayward nicht um Jacke und Krawatte, war ihr doch selbst in ihrem hauchzarten Musselinkleid noch ungeheuer warm. »Herrlich, so ein buntes Treiben, nicht wahr?« Emmeline nahm einen Schluck Ingwerbier und sah sich neugierig um. »Sehr«, stimmte Marguerite zu. »Ich kann mich nicht daran erinnern, je ein solches Spektakel in London gesehen zu haben. Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.« Tatsächlich hatte der Trubel sie für eine Weile von ihrer unangenehmen Lage ablenken können. Doch jetzt, da sie ein wenig zur Ruhe kam, kehrten ihre Gedanken zurück zu dem Gespräch mit ihrer Mutter. »Was ist mit dir? Fühlst du dich nicht wohl?«, fragte Emmeline, die den grüblerischen Gesichtsausdruck der Freundin bemerkt hatte. Vor ihr konnte Marguerite nichts verbergen, sie kannten einander einfach zu gut, schließlich waren sie so gut wie miteinander aufgewachsen. »Eigentlich wollte ich uns damit nicht die Stimmung verderben«, entgegnete Marguerite. »Ich kann es mir denken. Gewiss geht es um die Heiratspläne, die deine Eltern schmieden, nicht wahr?« »Geht es nicht immer darum?« Marguerite seufzte. »Seit ich sechzehn geworden bin, arbeitet Mama doch darauf hin. Eine günstige Liaison soll meine Eintrittskarte in die noble Gesellschaft sein.« »Ist es nicht eigentlich widersinnig, dass sich die adlige Gesellschaft dem Bürgertum gegenüber derart überlegen fühlt?« Leander Hayward biss ein Stück von seiner Fleischpastete ab und kaute. »Ihr Vater, Miss Gillray, arbeitet hart und hat es mit seinem Tee- und Gewürzhandel zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Während er sich mit Geschick und ehrlicher Arbeit ein Vermögen erwirtschaftet hat, leben wir in der Hauptsache von unserem Landbesitz, der uns als Erbe in die Wiege gelegt wurde. Warum also sollte man einem Mann wie Ihrem Vater weniger Respekt entgegenbringen als beispielsweise unserem Vater – nur, weil der sich Baron Segrave nennen darf?« »Du wirst den Gang der Welt nicht ändern, Leander«, warf Emmeline ein. »Es sei denn, du willst es den Franzosen gleichtun. Vergiss dabei nicht, wie viel Blut in ihrer Revolution geflossen ist.« Hayward lachte. »Sei unbesorgt, Emmeline. Zum Umstürzler bin ich nicht geboren, und es ist auch nicht mein Ehrgeiz, die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen. Dennoch glaube ich, ein bisschen weniger Arroganz stünde unserer noblen Gesellschaft ganz gut zu Gesicht.« »Hört, hört!«, rief Emmeline aus und hob ihr Glas. »Du wirst einmal einen fabelhaften Politiker abgeben.« »Sie haben recht, Hayward. Eigentlich sollte es keine Rolle spielen, in welch eine Familie man hineingeboren wurde. Doch so ist es nun einmal, und daher hat sich meine Mutter in den Kopf gesetzt, dass ich unbedingt einen Mann mit Titel heiraten soll. Und ich fürchte, dieses Mal wird es für mich ernst.« Das Lächeln wich aus Haywards Gesicht und seine Stirn legte sich in Falten. »Das heißt, sie hat einen geeigneten Heiratskandidaten für Sie gefunden?« »Allerdings. Seit Wochen ist von nichts anderem die Rede. Mama hat auf einer Gesellschaft die Dowager Countess of Peterborough kennengelernt und nähere Bekanntschaft mit ihr geschlossen. Wenn man den Gerüchten Glauben schenken kann, ist die finanzielle Lage der Familie angespannt. Dessen ist Lady Peterborough offenbar erst nach dem Tod ihres Mannes gewahr geworden, als ihr die Vermögensverhältnisse offengelegt wurden.« »Und höchstwahrscheinlich gibt es da einen Sohn, richtig?«, folgerte Hayward. »Adam Sinclair, der fünfte Earl of Peterborough.« Marguerite stieß hörbar Luft aus. »Die Countess hat es offenbar eilig, ihn unter die Haube zu bringen. Neben der prekären finanziellen Lage, befürchtet sie möglicherweise auch, die Geburt eines Stammhalters nicht mehr zu erleben.« »Und den sollst du ihm schenken – zusammen mit einer großzügigen Mitgift, nehme ich an?«, schloss Emmeline. »So ist es.« Marguerite nickte. »Mama hat Lady Peterborough und ihren Sohn für nächste Woche zu einem Dinner eingeladen, damit wir uns...