Stevenson / Pechmann | Das Licht der Flüsse | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Stevenson / Pechmann Das Licht der Flüsse

Eine Sommererzählung

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-8412-0206-2
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Kanufahrt ins Glück vom Autor der 'Schatzinsel'. Im Herbst 1876 lassen zwei unerfahrene Kanuten die 'Cigarette' und die 'Arethusa' zu Wasser und beginnen, was mehr als eine Kanufahrt durch Belgien und Frankreich werden soll. Robert Louis Stevenson berichtet in seiner bestechend modernen Erzählung von entrückten Orten, schildert herzliche und komische Begegnungen und beschreibt die besonderen Momente, die man nur beim Reisen erlebt. Unterwegs fand der Autor auch sein privates Glück: Der 26-jährige Stevenson verliebte sich in die deutlich ältere Amerikanerin Fanny Vandegrift Osbourne, die verheiratet war und zunächst nach San Francisco zu ihrem Mann zurückkehrte. Als Stevenson ihr hinterherfuhr, ließ sie sich scheiden, und die beiden heirateten kurzerhand. Stevensons Debüt endlich auf Deutsch - ein Stück hochkomische, leichte und erhellende Literatur über die zeitlose Magie einer kleinen Reise, über das Aufbrechen, Ankommen und die großen Fragen des Lebens.

Robert Louis Stevenson (eigentl. Robert Louis Balfour) wurde 1850 in Edinburg als Sohn eines Leuchtturmingenieurs geboren. Er studierte zuerst Ingenieurwesen, wechselte dann aus gesundheitlichen Gründen zu Jura und wurde 1875 Advokat, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt klar war, dass er Schriftsteller werden würde. Schon in seiner Kindheit schrieb er ständig Geschichten und Essays. Wegen eines Lungenleidens suchte er immer wieder Länder mit einem milderen Klima als Schottland auf und publizierte seine Eindrücke anschließend in verschiedenen Reiseschilderungen. 1880 heiratete er die zehn Jahre ältere Amerikanerin Fanny Osbourne, die sich seinetwegen hatte scheiden lassen. 1883 veröffentlichte er den Roman 'Die Schatzinsel', der sofort ein Verkaufserfolg wurde. 1886 erschien die Schauernovelle 'Der seltsame Fall des Dr.Jekyll und Mr. Hyde'. 1888 siedelte Stevenson mit seiner Familie endgültig auf die Südseeinsel Samoa über. Er starb 1894 in Vailima (Samoa). Seine Romane zeichnen sich vor allem durch eine spannende Erzähltechnik aus.
Stevenson / Pechmann Das Licht der Flüsse jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1;Vorwort der Erstausgabe;6
2;Von Antwerpen nach Boom;8
3;Auf dem Willebroek-Kanal;13
4;Der königliche Rudersportclub;19
5;In Maubeuge;25
6;Auf dem Sambre-Kanal nach Quartes;30
7;Pont-sur-Sambre: Wir sind Hausierer;37
8;Pont-sur-Sambre: Der Handelsreisende;43
9;Auf dem Sambre-Kanal nach Landrecies;49
10;In Landrecies;54
11;Sambre-Oise-Kanal: Kanalboote;60
12;Die Oise bei Hochwasser;65
13;Origny-Sainte-Benoîte: Ein freier Tag;74
14;Origny-Sainte-Benoîte: Die Tischgesellschaft;81
15;Die Oise hinunter: Nach Moy;89
16;La Fère: Ort der verfluchten Erinnerung;94
17;Die Oise hinunter: Durch das Goldene Tal;101
18;Die Kathedrale von Noyon;103
19;Die Oise hinunter: Nach Compiègne;109
20;In Compiègne;111
21;Andere Zeiten;117
22;Die Oise hinunter: Kirchenräume;124
23;Précy und die Marionetten;131
24;Zurück in die Welt;143
25;Anhang;146
25.1;Der junge Stevenson;149
25.2;Das Ende des Regenbogens;153
25.3;Ein Blatt auf dem Fluss;157
25.4;Anmerkungen;168
25.5;Editorische Notiz;174
26;Inhalt;176


Auf dem Willebroek-Kanal
Am nächsten Morgen, als wir auf dem Willebroek-Kanal losfuhren, begann es heftig und frostig zu regnen. Das Kanalwasser hatte etwa die Temperatur von trinkbarem Tee, und unter diesem kalten Schauer war die Oberfläche mit Dampf überzogen. Die heitere Aufbruchstimmung und die leichte Bewegung der Boote bei jedem Ruderschlag trugen uns durch dieses Ungemach, solange es andauerte; als sich die Wolken verzogen und die Sonne wieder zum Vorschein kam, erhoben sich unsere Seelen über das Maß an guter Laune, das Daheimgebliebene erleben können. Eine stramme Brise rauschte und raschelte durch die Baumreihen, die den Kanal säumten. Blättermassen flatterten wirbelnd zwischen Licht und Schatten hin und her. Für Auge und Ohr schien es Segelwetter zu sein, doch unten zwischen den Ufern erreichte uns der Wind nur in schwachen und sporadischen Brisen. Es war kaum genug, um die Kanus zu manövrieren. Wir kamen nur schleppend und alles andere als zufriedenstellend voran. Ein Witzbold mit Segelerfahrung grüßte uns vom Treidelpfad aus mit den Worten: »C’est vite, mais c’est long.« Auf dem Kanal herrschte reger Verkehr. Ab und an trafen oder überholten wir eine lange Kette von Booten mit großen grünen Ruderpinnen, hohen Hecks, Fenstern auf beiden Seiten des Steuerruders, in denen vielleicht eine Tasse oder eine Blumenvase stand, mit einem Beiboot im Schlepptau, einer Frau, die sich um das Abendessen kümmerte, und einer Kinderschar. Diese Kähne waren hintereinander vertäut, bis zu fünfundzwanzig oder dreißig in einem Zug, der durch einen Dampfer von seltsamer Bauart angeführt und gezogen wurde. Er hatte weder Schaufelrad noch Schraube, sondern lenkte durch einen Apparat, der sich dem Verständnis des technischen Laien entzog, eine kleine helle Kette, die am Grund des Kanals lag, über den Bug und ließ sie übers Heck wieder zurück ins Wasser, um sich so Glied für Glied mitsamt seinem ganzen Gefolge aus Lastkähnen voranzuziehen. Bis man des Rätsels Lösung gefunden hatte, haftete dem Vorankommen dieser Züge etwas Düsteres und Unheilvolles an, sie glitten sanft über das Wasser, und nichts markierte ihre Wege als eine kleine Welle, die im Kielwasser verebbte. Unter all den Geschöpfen der Handelsunternehmen bietet ein Kanalboot bei weitem den herrlichsten Anblick. Es kann seine Segel setzen, und dann sieht man es hoch über den Baumwipfeln und der Windmühle, auf dem Aquädukt, durch grüne Kornfelder dahingleiten: das malerischste aller amphibischen Kreaturen. Das Pferd trottet auf dem Treidelpfad vor sich hin, als gäbe es auf der Welt keine Arbeitszwänge, und der träumende Mann an der Ruderpinne sieht den ganzen Tag lang demselben Turm am Horizont entgegen. Es ist unbegreiflich, wie Dinge bei diesem Tempo ihr Ziel erreichen, und wenn man beobachtet, wie die Kähne an der Schleuse auf die Abfertigung warten, erhält man eine schöne Lektion, wie unbeschwert die Welt erlebt werden könnte. An Bord gibt es wohl zahlreiche zufriedene Seelen, denn solch ein Leben bedeutet gleichzeitig reisen und zu Hause bleiben. Der Schornsteinrauch kündet vom Abendessen, während man weiterzieht; die Kanalufer entrollen gemächlich ihre Landschaft vor nachdenklichen Augen; der Lastkahn treibt vorbei an großen Wäldern und durch große Städte mit ihren öffentlichen Gebäuden und nächtlichen Straßenlaternen; und für den Kahnführer in seinem dahingleitenden Heim, der sozusagen im Schlafwaggon reist, ist es fast, als lausche er der Geschichte eines anderen oder durchblättere ein Bilderbuch, das ihn nicht weiter interessiert. Er kann seinen Nachmittagsspaziergang in einem fremden Land am Kanalufer machen und dann zum Essen an seinen eigenen Herd zurückkehren. In solch einem Leben gibt es zu wenig Bewegung, um ein hohes Maß an Gesundheit zu erreichen, aber ein hohes Maß an Gesundheit ist nur für ungesunde Leute notwendig. Der Faulpelz, der nie krank oder gesund ist, hat ein ruhiges Leben und stirbt umso leichter. Viel lieber wäre ich ein Kahnführer, als eine der Stellungen auf Erden zu besetzen, die Büroarbeit erfordern. Meiner Meinung nach gibt es nicht viele Berufe, in denen ein Mann für regelmäßige Mahlzeiten weniger Freiheit aufgibt. Der Kahnführer ist an Bord eines Schiffes – er ist der Herr seines eigenen Schiffs – er kann anlegen, wo immer er will – niemand kann ihn zwingen, in einer eiskalten Nacht vor der Küste zu kreuzen, wenn die Segel so hart wie Eisen sind; soweit ich es beurteilen kann, steht für ihn die Zeit fast immer still, außer wenn er wieder mal zu Bett geht oder sich am Mittagstisch niederlässt. Man kann kaum begreifen, warum ein Kahnführer je sterben sollte. Auf halbem Weg zwischen Willebroek und Vilvoorde, auf einem schönen Kanalabschnitt, der der Allee zu einem Herrenhaus glich, gingen wir zum Essen an Land. Es gab zwei Eier, einen Laib Brot und eine Flasche Wein an Bord der Arethusa und zwei Eier sowie einen Ätna-Spirituskocher an Bord der Cigarette. Der Kapitän des letztgenannten Boots zerbrach eines der Eier beim Entladen, doch stellte er hocherfreut fest, dass man es noch à la papier kochen könnte, und warf es mitsamt seiner Hülle aus flämischem Zeitungspapier in den Kocher. Wir landeten in einem Augenblick schönen Wetters, doch keine zwei Minuten später frischte der Wind zu halber Sturmstärke auf, und der Regen begann uns auf die Schultern zu prasseln. Wir setzten uns so nah wie möglich an den Kocher. Der Spiritus brannte in voller Pracht. Alle ein bis zwei Minuten fing das Gras Feuer und musste ausgetreten werden, und es dauerte nicht lange, bis unsere Gesellschaft etliche verbrannte Finger vorzuweisen hatte. Doch der Ertrag der Kochbemühungen stand in keinem Verhältnis zu all dem Aufwand, und als wir nach zwei Runden auf dem Feuer aufgaben, war das eine Ei wenig mehr als lauwarm, während das Ei à la papier ein kaltes und schmutziges fricassée aus Druckerschwärze und zerbrochenen Eierschalen darstellte. Zur Abwechslung versuchten wir, zwei weitere Eier zu braten, indem wir sie dicht über die Flammen hielten, und hatten damit größeren Erfolg. Dann entkorkten wir die Weinflasche und setzten uns in einen Graben mit unseren Kanuschürzen auf den Knien. Es regnete heftig. Verdruss, wenn er wirklich verdrießlich ist und nicht auf widerliche Weise vorgibt, das Gegenteil zu sein, ist eine enorm spaßige Angelegenheit, und Leute, die an der frischen Luft ordentlich durchweicht und abgestumpft werden, sind stets zum Lachen aufgelegt. Aus dieser Perspektive kann sogar eine Portion Ei à la papier dem Vergnügen als eine Art Hilfsmittel dienen. Doch laden solche Scherze, auch wenn sie recht gut ankommen, nicht zur Wiederholung ein, und von diesem Moment an blieb der Spirituskocher, ganz Gentleman, im Transportkasten der Cigarette. Es ist fast unnötig, zu erwähnen, dass der Wind, als wir die Mahlzeit beendet hatten, an Bord gingen und die Segel setzten, ganz plötzlich nachließ. Den Rest der Strecke nach Vilvoorde breiteten wir weiterhin unsere Leinwand vor einer ungünstigen Brise aus, und mit einer gelegentlichen Böe und gelegentlichen Paddelschlägen trieben wir zwischen den friedlichen Bäumen von einer Schleuse zur nächsten. Es war eine schöne, grüne, üppige Landschaft, genauer, eine grüne Wasserstraße, die sich von Dorf zu Dorf zog. Alles machte einen gesetzten Eindruck, wie in Orten, die seit langem bewohnt sind. Kinder mit kurzgeschorenem Haar spuckten von den Brücken, unter denen wir durchfuhren, mit einer wahrlich zurückhaltenden Feinfühligkeit auf uns herab. Doch die Fischer, die sich auf ihre Schwimmer konzentrierten, waren noch zurückhaltender und ließen uns, ohne uns eines einzigen Blickes zu würdigen, vorbeiziehen. Sie hockten auf Sterlingblöcken und Strebepfeilern und den Uferhängen, ihrer sanftmütigen Beschäftigung zugewandt. Sie waren so gleichgültig, als gehörten sie zur unbelebten Natur. Sie bewegten sich nicht mehr als Angler auf einem alten holländischen Stich. Die Blätter raschelten, das Wasser wogte, doch sie blieben auf ihren Plätzen, als wären sie vom Staat gegründete Kirchen. Man hätte jeden ihrer unschuldigen Köpfe aufbohren können, nur um zu entdecken, dass sich unter ihren Schädeldecken nicht viel mehr als aufgerollte Angelschnüre befanden. Ich halte nicht viel von euren strammen Kollegen in Kautschukhosen, die sich mit einer Lachsangel in der Hand gegen Bergflüsse stemmen, doch jenen Menschenschlag, der tagaus, tagein seine brotlose Kunst an stillen, einsamen Gewässern betreibt, liebe ich sehr. An der letzten Schleuse, direkt hinter Vilvoorde, gab es eine Wärterin, die verständliches Französisch sprach und uns erklärte, wir seien immer noch ein paar Meilen von Brüssel entfernt. Genau hier begann es wieder zu regnen. Die...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.