Thriller
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-641-19762-9
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Blutend und ohne Kleidung wird die wunderschöne Tara Samuels auf einer Straße außerhalb von Los Angeles aufgefunden. Um Haaresbreite ist sie einem sadistischen Killer entkommen, nachdem sie mit ansehen musste, wie er eine andere Frau brutal ermordete. Detective Gabriel McRay ist fest entschlossen, den Täter zu finden, doch geblendet von seinen eigenen Gefühlen für die attraktive Tara, erkennt er nicht, dass diese einiges zu verbergen hat. Als Gabriel endlich eine Verbindung zwischen den Opfern herstellen kann, ist es fast zu spät ...
Laurie Stevens studierte an der University of California in Los Angeles Film-, Fernseh- und Theaterwissenschaften. Sie arbeitete für Produktionsfirmen wie Columbia Records, schrieb für die Los Angeles Daily News und hat bereits zahlreiche Drehbücher verfasst. Todesschuld ist ihr erster Roman bei Blanvalet. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Los Angeles.
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1 Seine hübschen Hände wanden ein dünnes Nylonseil um ihre Handgelenke. Als ihre Hände aneinanderlagen, zog er noch mal daran. Er wusste, das würde wehtun. Tara Samuels weigerte sich, ihm Befriedigung zu verschaffen, indem sie wimmerte, aber trotzdem stockte ihr der Atem. Ihr Peiniger sah ihr sofort ins Gesicht, suchte nach der Furcht, die er in ihrem Keuchen gehört hatte. Er amüsierte sich über ihren Kampf, Haltung zu bewahren, und zog und drehte erst absichtlich an dem Seil, bevor er sie auf den schmutzigen grünen Teppich drückte, der wie eine Brutstätte für alle möglichen Insekten roch. »Du wirst darum betteln, du wertlose Hure. Ich weiß, dass du für das hier lebst …« Er ließ sich auf die Knie fallen und beugte sich über sie, während sein hungriger Blick über ihren Körper glitt. Er ertappte sie dabei, wie sie ihn anstarrte. »Was guckst du? Du weißt, dass du mich nicht anschauen sollst.« Tara sah, wie er zum Schlag ausholte, und machte sich darauf gefasst, als plötzlich ein hässlicher, gurgelnder Laut ertönte. Seine Hand hielt mitten in der Luft an, und sie wandten sich beide der Quelle des Geräuschs zu. Die Augen des toten Mädchens starrten ins Leere. Sie war nackt und lag etwa einen Meter von ihnen entfernt. Sie hatte ihnen das Gesicht zugewandt. Ein ersticktes, unheilvolles Klicken drang aus ihrem offenen Mund. Das feuchte Rasseln ihres letzten Atemzugs erfüllte den Dachboden. Dann folgte Stille. Nachdem seine erste Überraschung verflogen war, blaffte er das tote Mädchen an: »Klasse Timing.« Sein gestiefelter Fuß schoss vor, und er trat gegen das erkaltende Fleisch des Mädchens. »Hast du noch was zu sagen?« Taras Blick wanderte zum Rand des Dachbodens. Es gab hier kein Geländer. Sie würde nicht zu tief fallen. Taras Hände arbeiteten fieberhaft daran, ihre Fesseln zu lockern, während sie langsam, Zentimeter für Zentimeter, über den zerschlissenen Teppich robbte. »Sogar jetzt, wo sie tot ist«, stellte ihr Peiniger fest, während er sich über das tote Mädchen amüsierte, »kann sie nicht die Klappe halten.« Tara spürte, wie das Seil sanft von ihren Handgelenken glitt, und warf sich ohne noch einmal nachzudenken über die Kante des Dachbodens. Irgendwo weit entfernt hinter dem Sturm ihrer Verzweiflung hörte sie ihn losbrüllen. Sie hatte ihn seines Augenblicks beraubt. Sie schlug mit der rechten Hüfte auf dem Teppichboden auf und spürte, wie sie innerlich durchgeschüttelt wurde. Tara ignorierte den Schmerz, taumelte zur Haustür, stieß sie auf und rannte nach draußen in den hohen Buschwald. Ein leichtes Nieseln ließ ihre Sicht verschwimmen, sodass die grünen Hügel in der Ferne wie ein impressionistisches Aquarell wirkten. Er war direkt hinter ihr – sie konnte hören, wie er wütend durch das Unterholz brach. Tara pflügte durch Sumach und Hornklee, wobei sie ihre bloßen Arme als Macheten benutzte. Sie stürzte blindlings voran und rammte plötzlich mit dem Gesicht in einen Maschendrahtzaun. Ihre tastenden Finger führten sie an verrosteten Maschen entlang zum Begrenzungspfahl. Hektisch schwang sie sich um ihn herum und taumelte dann auf den nassen Asphalt hinaus. Ein vorbeikommender Motorradfahrer sah etwas, das aussah wie Botticellis Venus – blonde Haare, nackt und mit weit aufgerissenen Augen stand sie da wie angewurzelt. Der behelmte Mann wich so abrupt auf der nassen Fahrbahn aus, dass seine Maschine unter ihm wegrutschte. Atemlos kauerte sich Tara auf dem Asphalt zusammen und zog die Knie an die Brust hoch. Sie war nackt, aber das war ihr egal. Ihr Magen zog sich beim Geräusch der männlichen Schritte zusammen, und sie schloss die Augen. Sie würde nun jeden Augenblick an den Haaren hochgerissen werden, um die Folgen ihrer Tat zu erleiden. »Lady, sind Sie okay?« Tara schlug die Augen auf. Der Motorradfahrer beugte sich über sie und sah sie mit großen Augen an. Als Nächstes nahm Tara wahr, dass ihr eine Lederjacke über die nackten Schultern gelegt wurde. Der Motorradfahrer griff sich sein Handy. »Ich hole Hilfe«, beruhigte er sie nickend. Taras Gesicht schmerzte, und als sie ihre Lippen berührte, hatte sie Blut an den Fingerspitzen. Ängstlich blickte sie über ihre Schulter zurück. Nichts regte sich in den Hügeln außer den herabfallenden Regentropfen. Detective Gabriel McRay bog in die Einfahrt des Hotels Peninsula in Beverly Hills ab. Er kämpfte mit seiner Schleife. Smokings waren noch nie sein Stil gewesen; sie passten besser zu Playboys. Wenigstens war er dank regelmäßigen Trainings im Fitnessstudio körperlich gut in Form, aber das Ergebnis seiner Mühen war unter den schlaffen Falten seines billigen Leihsmokings ohnehin nicht zu sehen. Er versuchte sich daran zu erinnern, dass nicht alles, was glänzte, auch Gold war, als er durch das Hotel ging und an der Bar vorbeikam, an der die Berühmtheiten hübsch aufgereiht saßen. Gabriel fuhr sich mit der Hand verlegen über das Revers seines Smokings, während er den Duft teurer Parfums, frisch polierten Marmors und des großen Blumenbouquets einatmete, das im Eingangsbereich aufgestellt war. Die Angestellte am Empfang, die aussah wie ein ehemaliges Model, warf ihm einen missbilligenden Blick zu, und sogar die Hotelpagen rümpften die Nasen. Los Angeles konnte jeden dazu bringen, sich wie ein Niemand zu fühlen. Wenn er hierhergekommen wäre, um in einem Mordfall zu ermitteln oder einen Zeugen zu befragen, wäre Gabriel in seinem Element gewesen. Aber die Aussicht, heute die schicken Kollegen seiner Freundin beeindrucken zu müssen, führte dazu, dass er sich unbeholfen wie ein Teenager fühlte. Sein geliehener Pinguindress half ihm dabei nicht wirklich weiter. Gabriel schlenderte Richtung Ballsaal und sah ein Schild mit der Aufschrift »Südkalifornischer Pathologie-Kongress«. Aus dem Ballsaal drangen Stimmengemurmel und das sanfte Klirren von Besteck nach draußen. Er betrat einen geräumigen Salon und fand sich inmitten eines Meers aus Tischen wieder. Auf einer Bühne hinten rechts standen ein paar Stühle und ein leeres Podium. Die Reden waren vorüber. Gabriel stöhnte innerlich, und sein Unbehagen ließ ihn wohl vollkommen deplatziert wirken, denn sofort löste sich ein Armani-Anzug vom nächststehenden Tisch und schritt auf ihn zu. »Dies ist eine private Veranstaltung«, sagte der Armani-Mann. Seine hellbraunen geföhnten Haare fielen nach rechts. »Vielleicht sollten Sie noch einmal auf dem Schild draußen nachsehen, um Ihre Party zu finden.« Eine feurige Flamme leckte von innen an Gabriel: der alte Jähzorn. Ganz ruhig, mahnte Gabriel sich selbst. »Das hier ist meine Party.« Gabriel wischte den Armani-Mann mit voller Absicht zur Seite und war zufrieden, ihn rückwärtsstolpern zu sehen. Es war natürlich seine Unsicherheit, die den Ärger in ihm anstachelte. Armani suchte sich schnell die Hilfe einiger Kollegen, und sie kamen auf Gabriel zu, der den Kopf schüttelte, sich umdrehte und sich innerlich schon auf eine Rangelei einstellte. »Ist schon okay, Jim. Er ist mein Gast.« Gabriel hörte die vertraute, wie ein Windspiel klingelnde Stimme und sah, wie die Armani-Truppe überrascht die Augenbrauen hochzog. Dann machte sie sich davon. Gabriel drehte sich um und sah Dr. Ming Li, die hinter ihm stand. Das dicke schwarze Haar, das sie von ihrer mexikanischen Mutter geerbt hatte, war zu einem beeindruckenden Knoten hochgesteckt. Ihr roséfarbenes Etuikleid schmiegte sich an ihren schlanken, aber sehr weiblichen Körper, was ihr einen ebenso konservativen wie sexy Look verlieh. Aber in den mandelförmigen Augen, die Ming von ihrem chinesischen Vater hatte, stand kalter Zorn. »Du kommst zu spät«, sagte sie schroff. »Es gab einen Unfall auf dem Freeway … der Regen.« »Du hättest reichlich Zeit einplanen sollen!« Ming fing sich wieder und musterte verstohlen die Umstehenden, die ihre Auseinandersetzung beobachteten. Ming glitt näher an Gabriel heran und flüsterte: »Das hier ist wichtig für mich.« Auch Gabriel versuchte, leiser zu sprechen. »Glaubst du, ich stehe gern auf dem Freeway im Stau?« »Woher soll ich wissen, worauf du stehst?« Da er die Blicke eines Dutzends Augenpaare auf sich spürte, wollte Gabriel diesen Streit sofort beenden. »Ich hab aber gesagt, dass es mir leidtut.« »Nein, hast du nicht. Nun, immerhin bist du jetzt hier.« Sie atmete einmal tief durch und betrachtete Gabriel dann mit einem ironischen Lächeln. »Klasse Smoking.« Dankbar dafür, dass er einen Funken ihres Humors zu sehen bekam, lehnte er sich näher zu Ming hinüber. »Ich bin deutlich attraktiver, wenn ich nicht in ihm stecke.« »Ja, das bist du.« Gabriel atmete den würzigen Duft ihres Parfums ein und stellte sich die glatte Haut vor, die sich unter der Seide verbarg. Er legte ihr den Arm um die Hüften und fühlte, wie sie unter seiner Berührung weich wurde. »Tut mir leid, dass ich deine Rede verpasst habe«, sagte er mit ehrlichem Bedauern. »Ich mach dir einen Vorschlag: Du isst in Ruhe zu Ende, und ich buche uns inzwischen ein Zimmer.« »Schon erledigt. Komm mit«, sagte Ming und nahm Gabriel am Arm, um ihn durch den Parcours der runden Tische zu lotsen. Ming war die Chefin der Gerichtsmediziner im Los Angeles County, und ihr Wort hatte vor Gericht großes Gewicht. Gabriel hatte stets gern mit ihr zusammengearbeitet. Im letzten Sommer,...