Steinmüller | Spera | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 270 Seiten

Steinmüller Spera

Ein phantastischer Roman in Erzählungen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-946503-72-9
Verlag: Golkonda Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Ein phantastischer Roman in Erzählungen

E-Book, Deutsch, 270 Seiten

ISBN: 978-3-946503-72-9
Verlag: Golkonda Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



"Spera" breitet ein über tausend Erdenjahre umfassendes Panorama der Geschichte eines anderen Planeten aus, der von einem Raumschiff wie aus dem Roman "Andymon" besiedelt wurde. In einzelnen Episoden spannen die Autoren den Bogen vom beginnenden Niedergang der irdischen Kolonie über eine Zeit der Barbarei voller Kämpfe mit einer einheimischen Lebensform, den gestaltwandelnden "Drachen", und den Aufstieg mittelalterlicher Reiche bis zu einer Renaissance der Zivilisation, die im ersten Raumflug der Siedler zu der immer noch den Planeten umkreisenden Weltraumarche gipfelt. In 26 Erzählungen, Kurzgeschichten und Vignetten, die zusammen den Episodenroman "Spera" bilden, setzen Angela und Karlheinz Steinmüller die Geschichte, die mit ihrer Weltraum-Utopie "Andymon" begonnen hat, fort und ergänzen dieses Science-Fiction-Universum um märchenhaft-phantastische Züge.

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Die Herren des Planeten Von jenseits der Großen Leere stammen unsere Vorfahren, von jenseits des gewaltigen Abgrunds, in dem das Licht erkaltet und das Leben gefriert. Unermeßliche Zeiträume reisten sie in einem metallenen Gebirge durch das Nichts, bis sie unsere Welt erspähten – ein von Horizont zu Horizont ödes und wüstes Land. Sie sind vom Himmel herabgestiegen und haben mit Pflügen, höher, als ein Vogel fliegt, den harten Boden aufgerissen und Bäume in die Furchen gesät, sie haben aus Säcken, weiter als ein Tagesritt, Luft geschüttet, sie haben die Meere gesiebt und aus totem Sand lebende Maschinen gebacken. Im Schutzraum war es anheimelnd warm. Frauen hockten auf grobgezimmerten Holzbänken. Emsig flickten sie an zerschlissenen Wämsern, sie besserten lederne Pferdeharnische aus und schnitzten hölzernes Küchengerät. Die Kinder spielten unter den Bänken oder halfen ihren Müttern. Einzig die weißhaarige Frau, deren dünne Stimme gegen das Sturmesbrausen ankämpfte, saß kerzengerade und starr. Ein zotteliger Hund hatte seinen Kopf auf ihre Knie gelegt. Sie kraulte ihn hinter den Ohren. Manchmal wurde sie durch lautes Tuscheln unterbrochen. Sie ließ sich nicht beirren. Droben und draußen heulte der Sturm und warf ab und an mit ohnmächtigem Donner eine Kiepe Steine gegen die schweren eisernen Läden, die den Lichtschacht bedeckten. Ja, so erzählten die Alten. Ich weiß, ihr glaubt mir nicht. Doch die Geschichten sind wahr, denn ich habe sie aus ihrem eigenen Munde gehört, als ich noch ein junges Ding war mit langen braunen Zöpfen und einem Kopf voller Flausen, und ich habe in diesen längst vergangenen Jahren die Wundergeräte der Alten in meinen eigenen Händen gehalten und mit ihnen gespielt, und ich habe, so alt bin ich, den Tag erlebt, an dem das dunkle Unheil über unsere Welt hereinbrach … Damals schmeckte die Luft noch bitter, und wir wohnten in hellen, festen Häusern mit glatten Wänden, die die Alten gegossen hatten, und der Windgenerator – ihr kennt seine rostenden Stahlbalken – schnurrte in einem fort, und richtiges, elektrisches Licht erleuchtete unsere Nächte, nicht stinkender Kienspan und flackernde Kerzen. Damals auch arbeiteten Männer und Frauen gemeinsam auf den Feldern und im Hause und – glaubt es oder glaubt es nicht – hüteten abwechselnd die Kinder. Und Helden brauchten wir nicht. Nicht, daß unser Leben sonderlich leicht gewesen wäre damals … Immer wieder einmal zog sich eine schnurgerade Brandspur durch Wiesen und Felder. Immer wieder einmal stob eine Herde in panischem Schrecken auseinander. Aber wir schrieen nicht gleich »Der Drache! Der Drache!«, wenn eine Ernte mißriet, der Sturm Breschen in Wälder und Schonungen riß, ein Brunnen versiegte. Die Furcht schwebte nicht über uns wie eine düstere, alles Leben begrabende Sandwolke. Dennoch war der Abstieg bereits vorgezeichnet. Die Alten – unsere Eltern und Ureltern – zogen sich einer nach dem anderen in ihre Zitadelle oder in gewaltige gläserne Pyramiden zurück. Sie schlossen, hieß es, die Augen, um für immer zu träumen. Ihr Wissen nahmen sie mit, und mit ihrem Verschwinden erstarben ihre Maschinen. Ich hatte einen Freund, Herenth hieß er – später zwang man ihn, zum Zeichen seiner Feigheit Frauenkleider anzuziehen –, der war bei den Alten zur Schule gegangen und zum Mechaniker ausgebildet worden. Er allein schaffte es, den Windgenerator in Schuß zu halten. Schon damals bekümmerte ihn, daß in den Lagern die Ersatzteile zur Neige gingen und die Kanister sich leerten. Doch nicht davon will ich erzählen, sondern von der Schicksalsstunde, die unser Verhängnis besiegelte. Es war ein sonniger, warmer Tag, ein schwacher Wind wehte von den Bergen herüber, und die Schwalben kreisten hoch am Himmel. Manchmal zitterte und rollte der Boden, daß das Geschirr in den Schränken klirrte, doch das störte uns kaum, denn wir waren leichte Beben gewohnt. Nur das Vieh auf der Weide blieb auch nach dem letzten Erdstoß unruhig, und die Hühner in unserem Vorgarten scharrten und kratzten nicht, sondern drängten sich dicht zusammen und duckten sich, als flöge der Schatten eines Habichts über sie hinweg. Gegen Mittag sprang plötzlich ein Schreckensruf von Haus zu Haus: »Lamoth ist tot!« Ich rannte sofort zum Dorfplatz. Zwei Männer und zwei Frauen hielten Lamoth an Armen und Beinen und schleppten ihn über die staubige Straße heran. Ich spürte, daß uns ein ungeheures Unglück widerfahren war, ich las es aus ihren versteinerten Mienen. Kinder, die neugierig herbeiliefen, schoben sie barsch zur Seite. Dann betteten sie Lamoths Körper auf eine Bank. Ich war ein vorwitziges, freches Ding damals, das sich gern fernab des Dorfes herumtrieb und keinem bei verwegenen Abenteuern nachstehen wollte. In diesem Moment aber hielt mich eine fremdartige Scheu zurück, mich zwischen den wenigen älteren Siedlern hindurchzudrängeln, die sich dicht um Lamoth scharten. Dann kam Seyth von seiner Koppel herangaloppiert. Ja, Seyth, der Held der Helden, das Idol aller Knaben, der Seyth, dessen Name ganz oben in die Ehrentafel eingegraben ist, auf der zu stehen vielen von euren Männern mehr gilt als ihr Leben. Dieser Seyth war nichts anderes als ein ganz normaler, einfacher Pferdezüchter. Lamoth aber war sein Bruder gewesen … Seyth zwängte sich an mir vorbei. Geruch von Pferden und Schweiß schlug mir in die Nase. Eine seiner Ärmelschnallen verfing sich in einer Zierschlaufe meiner Jacke – er merkte nicht einmal, wie sie zerriß. Vor dem Toten erstarrte er und rührte sich eine lange, lange Zeit nicht. »Ein Laser … Jemand hat ihn mit einem Laser niedergemetzelt!« Mir stockte das Blut in den Adern. Laser, so hießen die Waffen, mit denen wir damals, wenn auch nur selten, verwilderte Tiere oder Raubvögel jagten. Und Herenth hatte sie unter Verschluß! Endlich wagte ich mich nach vorn. Lamoths Haar war eine einzige zusammengebackene schwarze Masse, die Haut seiner Stirn blätterte in bräunlichen Flocken vom porösen Knochen, die Wangen waren aufgeplatzt, das zerfressene Fleisch roch ekelerregend, wie geronnenes Eidotter klebten die Augen in ihren Höhlungen, seinen Mantel bedeckten handtellergroße schleimige Flecke. Das war zuviel für mich, heiß stieg es mir im Hals empor, ich preßte die Hand vor den Mund, stahl mich beiseite – euch wäre es nicht anders ergangen. Als ich mich, immer noch schluckend, wieder näherte, schrieen sich Seyth und Herenth an. Die Erregung ließ sie vergessen, daß ein schrecklich verstümmelter Toter zwischen ihnen lag. Herenth behauptete, es seien Verätzungen, er mußte es wissen, denn er hatte bei den Alten gelernt. Doch Seyth bestritt es ihm ins Angesicht. Er plappere nur deshalb die Ammenmärchen der Alten nach, weil er für Lamoths Tod verantwortlich sei! Jede Sekunde schien er auf Herenth einschlagen zu wollen. Mit einemmal löste sich die Spannung, als sei eine Gewitterwolke ohne Blitz und Donnerschlag vorübergezogen. Der Junge, der Lamoth gefunden hatte, schlug vor, uns aus dem Dorf zum Unglücksort zu führen. Der Weg war nicht weit, und ich erkannte die Stelle schon von fern. Das Gras dort war verdorrt, bräunlich und schwärzlich verfärbt, ich glaubte im ersten Moment, es wäre verbrannt. Herenth warnte mich noch im Laufen: Ich dürfe das Gras um Himmels willen nicht berühren. Er selbst bückte sich, zog den Schraubenzieher, den er stets bei sich trug, aus der Brusttasche und strich sanft über die braunen Halme. Die zerbröselten augenblicklich. Ein gelblicher, schnurgerader Streifen verdorrten Grases aus staubverhüllter Ferne endete direkt vor unseren Füßen in einer kreisförmigen Rundung. Hier war das Gras tiefschwarz und großenteils zerfallen und verweht. Auch der Boden hatte eine dunklere Färbung mit einem Stich ins Bläuliche angenommen. Behutsam schaufelte Herenth ein wenig Erde beiseite. Die Färbung hielt fingertief an. Ziemlich genau in der Mitte des Kreises lag Lamoths Messer. Und der Anblick dieses Messers erschütterte mich fast noch mehr als der des toten Körpers: Die Edelstahlklinge war blasig zernarbt und zum Heft hin violett angelaufen, der Kunststoff des Hefts war zu einer unförmigen, grotesk geformten Masse aufgequollen. Wie aus großer Entfernung drang Seyths Stimme an mein Ohr: »… absolut eindeutig …, ein Gallert!« Die Luft im Schutzraum war wärmer und stickig geworden. Es roch nach Erde und verbranntem Kerzenwachs. Überall, auf dem zerschrammten Tisch, auf der Kleidung, im Haar und auf den Händen setzte sich der feine Staub ab, der durch den Lichtschacht herniederrieselte. Selbst der Speichel schmeckte sandig. Und droben und draußen heulte und wütete der Sturm. Ein Gallert. So nannten wir die Drachen damals, und das war ein besserer, nüchternerer Name, ein Name, der noch keine Bilder heraufbeschwor von Menschen, die sich in giftigen, alles verätzenden, alles erstickenden Dämpfen am Boden wälzen, von ungestalten Wesen, die aus der Ferne töten oder einen wie ein Raubtier anspringen, die sich blitzschnell über ihr Opfer stülpen, die jede beliebige Gestalt annehmen können – habt ihr es je gesehen? Am Abend versammelten wir uns im Gemeinschaftshaus. Das Licht brannte hell, doch uns war düster zumute, und wir tranken weder Most noch Zider, sondern bitteren Tee. Seyth war auf eine Bank gestiegen, er schrie und flüsterte, als könnten die Worte, die er, der Pferdezüchter, noch nie gebraucht hatte, seinen toten Bruder wieder zum Leben erwecken. Jahrzehntelang seien die Gallerte vor dem Menschen geflohen, hätten sich bei seiner Annäherung versteckt und verborgen,...


Angela und Karlheinz Steinmüller zählten zu den führenden Science-Fiction-Autoren der DDR. Angela (*1941) ist Diplom-Mathematikerin, Karlheinz (*1950) Diplomphysiker und Doktor der Philosophie, seit den Neunzigerjahren auch einer der angesehensten deutschen Futurologen. Auf Karlheinz' ersten SF-Erzählungsband "Der letzte Tag auf der Venus" (1979) folgten zahlreiche gemeinsam mit Angela verfasste Arbeiten, darunter 1982 der Roman "Andymon", der zum beliebtesten SF-Buch der DDR gewählt wurde. Die Steinmüllers wurden dreimal mit dem Kurd Laßwitz Preis für die beste deutschsprachige Erzählung ausgezeichnet - Angela allein, beide zusammen sowie zu dritt mit Erik Simon.



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