Zwei deutsche Staaten: Die Entstehung von BRD und DDR
E-Book, Deutsch, 376 Seiten
ISBN: 978-3-7065-6362-8
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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I:
Die Planungen der Alliierten im Krieg
1. Bedingungslose Kapitulation 2. Die Außenministerkonferenz in Moskau 3. Die Konferenz von Teheran 4. Die Einteilung Deutschlands in Zonen 5. Die Konferenz von Jalta 6. Wachsendes Misstrauen bei Amerikanern und Briten Exkurs: Der Morgenthau-Plan 1. Bedingungslose Kapitulation
Am 11. Dezember 1941 erklärte das Deutsche Reich den USA den Krieg. Der stellvertretende amerikanische Außenminister (und von 1949–1953 Außenminister) Dean Acheson kommentierte das folgendermaßen: „Ein kolossaler Fehler. Endlich hatten unsere Feinde mit unvergleichlicher Dummheit unser Dilemma beseitigt, alle Zweifel geklärt und unser Volk für einen langen Kampf geeint.“ 13 Monate später trafen sich vom 14. bis 26. Januar 1943, wenige Tage vor dem Ende der 6. deutschen Armee bei Stalingrad, US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill mit ihren Militärs in Casablanca, um das weitere Vorgehen gegen Deutschland zu beraten. Sowjetdiktator Josef Stalin war eingeladen worden, hatte aber am 6. Dezember zur Enttäuschung Roosevelts unter Hinweis auf die Schlacht um Stalingrad abgelehnt, ebenso eine Verschiebung auf März. Am 24. Januar verkündete Roosevelt mit Wissen Churchills zum ersten Mal öffentlich als Kriegsziel der Alliierten die „bedingungslose Kapitulation“ Deutschlands, Italiens und Japans. Bedingungslose Kapitulation, „unconditional surrender“, bedeutete totale Niederlage. Der Begriff stammte aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. 1862 hatte der Nordstaaten-General Ulysses S. Grant diese Forderung gegenüber dem Kommandanten der Konföderierten-Festung Fort Donelson gestellt. Grant wurde später von Präsident Lincoln zum Oberkommandierende der Nordstaaten-Truppen ernannt und führte den Norden zum Sieg. 1865 endete der Krieg mit der totalen Niederlage der Südstaaten. Von 1869–1877 war Grant 18. US-Präsident und wurde erfolgreicher Memoirenschreiber. „Unconditional surrender-Grant“ wurde für viele zum Begriff in den USA. In den Vorarbeiten für Casablanca war denn auch schon von der bedingungslosen Kapitulation die Rede. Roosevelt erwähnte sie erstmals am 18. Januar bei einem Mittagessen mit Churchill. Der bat am nächsten Tag das britische Kriegskabinett um Zustimmung und schlug gleichzeitig vor, Italien auszunehmen. Das Kriegskabinett sah das anders und beschloss einstimmig, dass die Formulierung gleichermaßen für Deutschland, Japan und Italien gelten solle. (1) 14.–26. Januar 1943: Konferenz von Casablanca. US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill mit ihren Militärs. Stehend, 1. Reihe v. l.: General Henry Arnold, Admiral Ernest King, General George Marshall, Admiral Dudley Pound, Luftmarschall Charles Portal, General Alan Brooke, Feldmarschall John Dill, Admiral Louis Mountbatten. Bis das von Roosevelt verkündete Ziel erreicht war, musste zwar noch ein langer Weg zurückgelegt werden, aber spätestens seit dem Herbst 1943 war erkennbar, dass Deutschland militärisch keine Chance mehr hatte. 2. Die Außenministerkonferenz in Moskau
Zu diesem Zeitpunkt gab es auf britischer und amerikanischer Seite bereits zahlreiche Überlegungen im Hinblick auf Nachkriegsdeutschland. Auf der Außenministerkonferenz in Moskau, im Oktober 1943, überreichte USAußenminister Cordell Hull einen detaillierten, aber noch inoffiziellen Vorschlag einer relativ milden Behandlung. Der Plan sah u. a. vor: Ganz Deutschland wird von amerikanischen, britischen und sowjetischen Streitkräften besetzt; eine interalliierte Kontrollkommission übernimmt die vorläufige Regierungsgewalt; Deutschland wird entmilitarisiert, entnazifiziert, demokratisiert, die Kriegsindustrie zerstört, die NSDAP sofort verboten und aufgelöst; Deutschland leistet Reparationen. Die Frage der Grenzen des zukünftigen Deutschlands sollte „bei einer allgemeinen Regelung des deutschen Problems“ ins Blickfeld gerückt werden. Hull sprach sich für eine „politische Dezentralisierung“, d. h. für ein föderalistisch strukturiertes Deutschland aus, um so die preußische Vorherrschaft über das Reich zu beseitigen. Das waren Überlegungen, die den Vorstellungen des Foreign Office in London entsprachen. Für den britischen Außenminister Anthony Eden war das Memorandum denn auch ein „nützlicher Beitrag“. Sein sowjetischer Kollege Molotow reagierte ebenfalls zustimmend – angeblich war Stalin geradezu begeistert –, bezeichnete den Plan allerdings als „Minimal- und nicht als Maximalvorschlag“; er versicherte Hull, dass „die Sowjetunion allen Maßnahmen voll zustimme, die Deutschland für alle Zukunft unschädlich machen würden“, entschuldigte sich aber gleichsam dafür, dass seine Regierung angesichts der starken Beanspruchung durch militärische Aufgaben „mit dem Studium der Behandlung Deutschlands nach dem Kriege noch nicht weit genug sei“. (2) 18.–30. Oktober 1943: Außenministerkonferenz in Moskau. (v. l.) Cordell Hull (USA), Wjatscheslaw Molotow (Sowjetunion) und Anthony Eden (Großbritannien) beschließen u. a. die Einrichtung der Europäischen Beratenden Kommission mit Sitz in London. Und so sollte es bis Kriegsende bleiben. Zu keinem Zeitpunkt legten die Sowjets einen detaillierten Deutschlandplan vor; am ausführlichsten waren noch die Äußerungen Stalins gegenüber Eden im Dezember 1941 (s. u.). Im Übrigen überließen sie die Initiative stets ihren westlichen Partnern und reagierten meist nur – und oftmals zustimmend – auf anglo-amerikanische Vorstöße, was die Westmächte wiederum zu der – oftmals falschen – Überzeugung verleitete, dass sie ihre Vorstellungen weitgehend durchgesetzt hätten. In Moskau beschlossen die Außenminister dann die Einrichtung einer Europäischen Beratenden Kommission (European Advisory Commission, EAC), mit Sitz in London, „zur Sicherung engster Zusammenarbeit zwischen den drei Regierungen bei der Prüfung der europäischen Fragen, die mit der Fortentwicklung des Krieges auftauchen“. Dies ging auf einen britischen Vorschlag zurück, und so verwundert es nicht, dass für Eden allein die Gründung der EAC genügte, um die Außenministerkonferenz als erfolgreich zu bezeichnen. 3. Die Konferenz von Teheran
Während des Krieges trafen Roosevelt, Churchill, Stalin zweimal zusammen: in Teheran (28.11.–1.12.1943) und Jalta (4.–11.2.1945). Teheran gehörte zum sowjetischen Einflussbereich Persiens, Stalin war der Gastgeber (wie in Jalta und auch wieder während der Potsdamer Konferenz im Juli/August 1945). Gemessen an der geschäftsmäßigen Routine und den Ergebnissen der zahlreichen Planungsausschüsse und auch der EAC verliefen die Beratungen der „Großen Drei“ in Teheran und Jalta in einem erheblichen Durcheinander. Ohne Tagesordnung kam man über Trinksprüche oftmals nicht hinaus; Entscheidungen wurden aufgeschoben, Probleme nur andiskutiert und plötzliche Eingebungen von Roosevelt oder Churchill in die Debatte geworfen, was bei den anglo-amerikanischen Planungsbürokraten manchmal mehr zur Verwirrung als zur Klärung der Positionen beitrug. Beiläufig gemachte und/oder im Protokoll festgehaltene Bemerkungen werden in den Akten immer wieder zitiert, sie wurden oftmals Ausgangspunkt groß angelegter Planungen – mit dem Ergebnis, dass noch Anfang 1945 alle großen Fragen im Hinblick auf das künftige Schicksal Deutschlands unbeantwortet waren. Trotz der Trinksprüche wurden in Teheran zwei Grundsatzentscheidungen getroffen, von denen die eine geradezu von welthistorischer Bedeutung war. Zum einen ging es um die zukünftigen Grenzen Polens, zum anderen um die Errichtung der „zweiten Front“ in Europa. Stalin forderte als neue polnische Ostgrenze die „Curzon-Linie“[jene Linie, die die Alliierten 1919 als provisorische Ostgrenze Polens festgelegt hatten – benannt nach dem britischen Außenminister Lord Curzon –, die Polen aber im russisch-polnischen Krieg um etwa 200 Kilometer nach Osten verschoben hatte und im Frieden von Riga 1921 festgeschrieben worden war]. Polen würde dieses Gebiet entsprechend der sowjetischen Forderung wieder verlieren. Roosevelt und Churchill akzeptierten. Damit war auch klar, dass Polen in irgendeiner Weise mit deutschem Territorium entschädigt werden sollte. Das war die später so genannte „Westverschiebung“ Polens, die Churchill mit drei Streichhölzern demonstriert hatte. Wie weit Polen nach Westen verschoben würde, sollte dann in Jalta ein entscheidendes Thema werden. (3) 28. November bis 1. Dezember 1943: Treffen der „Großen Drei“ in Teheran; v. l.: Franklin D. Roosevelt, Josef Stalin, Winston Churchill. Es geht um die Errichtung der „zweiten Front“ und um die „Westverschiebung“ Polens auf Kosten Deutschlands. Mit dabei (hintere Reihe): US-Botschafter in Moskau, W. Averell Harriman (verdeckt); Wjatscheslaw Molotow; der britische Botschafter in Moskau, Archibald...